"Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Polizeibezogenes, was in keine andere Sektion hineinpasst

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon 1957 » Fr 1. Jul 2022, 12:40

ZU deinem ersten Absatz stimme ich dir zu.
Der 2te muss differenzierter betrachtet werden. Das Grundgesetz insbesondere mit seinen ersten 20 Artikeln ist schon eine recht überschaubare und eindeutige Grundlage. Gleichwohl findet in der Polizei eine recht gute "Staatsrechtliche" Ausbildung statt. Wer sich nur ein wenig dafür interessiert ( was man ja annehmen sollte), hat schon einen überdurchschnittlichen Überblick. Das ist unsere gemeinsame "Doktrin". Ich will nicht abstreiten, dass die Zugehörigkeit zur Institution Polizei durchaus einen vermeintlich "elitären" Status vermittelt. Dass ist nicht weiter schlimm, wenn die Geisteshaltung eben die besagten Artikel des GG sind und anerkannt wird, dass das auch für andere Berufe, Institutionen etc. gibt. WIR haben eine besondere Aufgabe, sind aber auch normale Menschen.
Jetzt kommt dein Hinweis auf die polizeiliche "Führung". Dazu möchte ich dir sagen, dass sich die polizeiliche Führung in den vergangenen 30 Jahren sehr zum positiven entwickelt hat ( ich bin 1974 eingetreten und am 31.12.19 ausgeschieden, weshalb ich das ziemlich gut beurteilen kann). Übrigens gilt das auch für die politischen Führung. Dazu nur Stichworte: Menschenbild, Mitarbeiterführung, Team, Beteiligung, Leitbilder und Leitsätze, Selbstständigkeit, Ziele usw.
Kurz: Führung ist heute deutlich näher an der Basis als sie es früher war. Klar gibt es noch (auch jüngere) Kollegen und Kolleginnen in Führungsfunktionen, die immer noch alte Führungstrukturen bevorzugen - warum auch immer.
Führung ist in jeder Gruppe wichtig. Was aber noch wichtiger ist, ist die Gruppe, bzw. das Team. Das sind die Menschen, die letztlich über Klima, Zusammenhalt, Treffen, Hilfe etc. entscheiden. Da gab es früher und heute gute und nicht so gute Teams, und mitunter sauschlechte.

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Re:

Beitragvon Kulinka » Sa 9. Jul 2022, 04:03

Hallo Lima,

entschuldige bitte die späte Antwort, ich wäre gerne früher dazu gekommen, weil es mir wichtig ist. Aber die letzten zwei Wochen waren ein bisschen stressig hier.

Ich glaube, in Sachen Thin Blue Line sind wir uns weitgehend einig. Beide empfinden wir das Zeichen grundsätzlich als positiv, beide sind wir gegen seine dienstliche Verwendung und meinen, es kommt auf den Kontext an, in dem man es trägt. Auch ist die Polizei natürlich, da stimme ich Dir selbstverständlich zu, ganz ohne Zweifel der im Ernstfall letzte und essentielle Garant dafür, dass eine Gesellschaft nicht in Chaos und Anarchie abrutscht. Das wusste schon George Orwell mit seinem berühmten Ausspruch über die Menschen, die nur deshalb ruhig in ihren Betten schlafen können, weil harte Männer jederzeit bereitstehen, Gewalt für sie auszuüben.

Vieles ist aber dennoch, und da gebe ich Dir wiederum Recht, eine Generationenfrage. 1957 (ich hoffe, er sieht es mir nach, dass ich mir an dieser Stelle anmaße, ein bisschen für ihn mitzusprechen, aber ich fühle mich seiner Sicht der Dinge sehr verbunden und denke, ich verstehe ihn in dieser Sache hier ganz gut) und ich wurden in einer Zeit und zudem in einem Bundesland sozialisiert, in dem trotz aller Brüche und Widersprüche ein wirklich starker gesellschaftlicher Konsens bestand. Was sich, ich untermaure das einmal ganz lapidar, unter anderem in dem auf jedem zweiten in NRW zugelassenen PKW der Siebziger Jahre zu findenden Aufkleber "Wir in NRW" manifestierte.

Wir haben wohl deshalb zwangsläufig ein historisch anders geprägtes (und vielleicht antiquiertes?) Bild der Polizei als Du. Unsere Polizei ist eine Bürgerpolizei. Ihr Anspruch ist/war es nicht, "von Rechts wegen nichts auf sich beruhen" zu lassen (wogegen mitunter schon das Opportunitätsprinzip spricht ;). Auch war sie nicht das "Schicksal", das prinzipiell zurück schoss, wenn man auf sie schoss (wogegen mitunter schon taktische Erwägungen sprechen ;). Sie war einfach die Polizei. Sie sorgte für Recht und Ordnung. Sie war überall präsent, sie gehörte dazu. Und für alle rechtschaffenen Bürger war sie ganz ohne jeden Zweifel und ganz ohne jede "rechte" Konnotation Freund und Helfer. Mit anderen Worten: Sie war ein Teil der Gesellschaft. Und nicht eine dünne blaue, bzw. damals noch grüne, Linie zwischen einem "bösen" und einem "guten" Teil der Gesellschaft.

Wir stehen heute mitten in einer sehr weitgehenden Umwidmung der Zuschreibungen von "gut" und "böse". Und wir erleben es erstmals in unserem Gemeinwesen, dass diese Zuschreibungen auch behördlicherseits nicht mehr ausschließlich anhand des Strafgesetzbuches, sondern zum Teil anhand der Weltanschauung auch innerhalb des Rahmens verfassungsgemäßer Positionen getroffen werden.

In diesem Sinne habe ich keine Angst vor einem Officer Taylor, der Kriminelle im Sinne des Strafgesetzbuches mit aller ihm zu Gebote stehenden Härte verfolgt. Aber ich fürchte mich vor einem Officer Taylor, der sich in der Überzeugung, zu den "Guten" zu gehören, zur generellen Härte gegen alle "Anderen" hinreißen lässt.

Viele Grüße
Kulinka

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon 1957 » Sa 9. Jul 2022, 10:24

:zustimm:

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon DerLima » Sa 9. Jul 2022, 18:46

Hey Kulinka,

zuerst: du musst dich nicht entschuldigen, wenn du etwas später antwortest. Dies insbesondere, weil deine Antworten in der Regel keine Schnellschüsse, sondern wohlüberlegt und formuliert sind.

Nun, ich bin in den 80ern/90ern in NRW großgeworden und sozialisiert. Ab Mitte der 90er hatte ich dann auch eine enge Verbindung bis nach Sachsen, die mich auch noch in Teilen geprägt hat, wenngleich ich da schon volljährig war. Ich denke, dass diese "neuen" Einblicke in das System "DDR" noch so manche Ansicht bei mir geändert haben. In meiner Kinder- und Jugendzeit war die Polizei etwas, mit dem ich (außer Fahrradprüfung) im Grunde keine Berührungspunkte hatte. Auch danach war die Polizei kein Thema. Ich hatte weder positive, noch negative Erfahrungen gesammelt. Für mich war Polizei im Grunde immer das, was zum einen im Fernsehen zu sehen war (tatsächlich besonders "Schimanski") und zum anderen das, was man als Kind im Spiel sieht und nachstellt: Räuber und Gendarm. Sie war kein Freund, kein Helfer. Nicht weil ich den Begriff nicht mag oder Polizei anders angesehen habe, sondern schlicht, weil ich weder den Freund, noch den Helfer benötigt habe. Sie war die Polizei. Sie war die Verkehrskontrolle und sie war die Ermittlungsbehörde. Sie war ein Teil des Staats- und Beamtenapparates.

In Sachen Thin Blue Line denke ich ebenso, das wir uns einig sind. Und das ist genau das, worauf ich zu Beginn hinaus wollte:
Die TBL ist eben kein Zeichen der Rechten. Es ist kein Zeichen der Polizeigewalt. Es ist ein Zeichen des Zusammenhaltes, der Geschlossenheit nicht nur innerhalb der Institution, sondern auch mit den Menschen außerhalb, die mitunter ein Symbol der Solidarität tragen und haben möchte, wenn die Polizei bei Hilfeleistungen unterstützt, wenn die Polizei Großartiges in schwierigen Situationen leistet, wenn die Polizei Kolleginnen oder Kollegen verliert.

Das von dir angesprochene Bild der "Bürgerpolizei" der 60er und 70er hat sich zum Teil leider in einer Form bei manchem Bürger manifestiert, dass diese die Polizei als absoluten Dienstleister, als den von ihnen bezahlten Untergebenen ansieht, der zu tun hat, was man ihm sagt. Ich habe in den letzten zehn Jahren sehr häufig (zu häufig) solche Gespräche führen müssen: "Ich bezahle dein Gehalt" oder bewusstes duzen der Beamten sind Ausdruck dafür. Und das ist in meinem Empfinden seit einigen Jahren immer mehr geworden.
Die Polizei hat eben einen Auftrag. Und der ist in den Polizeigesetzen klar formuliert. Ich bin nicht da um >>Freunde<< zu finden oder >>Freund<< zu sein. Ich bin nicht ohne Empathie bei einem Einsatz und versuche den Menschen in ihren schwierigen Situationen zu helfen. Aber primär ist mein Auftrag ein anderer. Mein Auftrag ist die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, Straftaten zu verhüten, Gefahren abzuwenden und die Strafverfolgung zu sichern. All das ist nachzulesen in den jeweiligen Polizeigesetzen. Und der erste Satz in meinem Polizeigesetz (vermutlich auch in den meisten anderen) ist:
Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (Brandenburgisches Polizeigesetz - BbgPolG), §1 Abs. 1 Satz 1 hat geschrieben:Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr).
. Damit ist eben auch eine Beschreibung dessen gegeben, was man durchaus als die "dünne blaue Linie" sehen kann: Schützer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Vielleicht nennen wir es nicht "Gut" und "Böse". Vielleicht nennen wir es "öffentliche Sicherheit und Ordnung" und "Polizeipflichtiger". Obwohl das so auch nicht passend ist, denn auch ohne der "Böse" zu sein, kann man ja polizeipflichtig sein (Zeuge). Die Konnotationen von "Gut" und "Böse" in manchen Teilen des Gemeinwesens mal außer acht gelassen, ist für mich:
Böse: diejenigen die sich bewusst gegen das Gesetz stellen (und damit meine ich im Schwerpunkt die Strafgesetze und weniger die Ordnungswidrigkeitengesetze), sich also bewusst gegen das Gemeinwesen entscheiden und
Gut: diejenigen, die das nicht tun.
Was bedeutet: auch ein Polizist kann ein "Böser" sein.

Auch ich möchte den Officer Taylor, der
der sich in der Überzeugung, zu den "Guten" zu gehören, zur generellen Härte gegen alle "Anderen" hinreißen lässt.
nicht. Ich möchte aber den Officer Taylor, der seine Überzeugung im Einklang mit dem Polizeigesetz, der Strafprozessordnung und dem Strafgesetzbuch, mithin vor allen Dingen im Einklang mit unserer Verfassung, mit unserem Grundgesetz auch nach außen trägt.
Doch ich denke eben auch, dass die dramaturgische Überspitzung des Filmes (hier auch im Kontext mit dem Herkunftsland des Filmes noch etwas besonderer) uns allen auch etwas anderes aufzeigt:
Es gibt die "Guten" und die "Bösen".
Ihr Anspruch ist/war es nicht, "von Rechts wegen nichts auf sich beruhen" zu lassen (wogegen mitunter schon das Opportunitätsprinzip spricht ;). Auch war sie nicht das "Schicksal", das prinzipiell zurück schoss, wenn man auf sie schoss (wogegen mitunter schon taktische Erwägungen sprechen ;).
Nun, hier interpretiere ich etwas anders:
Es ist keine Drohung, es ist mehr im metaphorischen Sinne eine Feststellung, dass er eben nicht von den Buchstaben des Gesetzes abweichen wird, sondern das Gesetz so anwendet, wie es gedacht ist (wozu auch das Entschließungsermessen zählt, wenngleich ich nicht weiß, ob es das in den USA gibt). Und das er in der Lage und ausgebildet ist Gewalt (im deutschen "Unmittelbaren Zwang mittels körperlicher Gewalt, Hilfsmittel körperlicher Gewalt und Waffen") anzuwenden, wenn es erforderlich und verhältnismäßig ist.

Was aber im Grunde ein eigenes Thema, abseits der TBL ist.

Ich danke wirklich allen, die sich hier bisher konstruktiv beteiligt haben, denn ich habe so manch eine Sichtweise gelesen, die ich so selber noch nicht betrachtet habe.

Beste Grüße
DerLima
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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon 1957 » Sa 9. Jul 2022, 19:22

"Das von dir angesprochene Bild der "Bürgerpolizei" der 60er und 70er hat sich zum Teil leider in einer Form bei manchem Bürger manifestiert, dass diese die Polizei als absoluten Dienstleister, als den von ihnen bezahlten Untergebenen ansieht, der zu tun hat, was man ihm sagt.
Ich habe in den letzten zehn Jahren sehr häufig (zu häufig) solche Gespräche führen müssen: "Ich bezahle dein Gehalt" oder bewusstes duzen der Beamten sind Ausdruck dafür. Und das ist in meinem Empfinden seit einigen Jahren immer mehr geworden"

Lima, dein erster Satz stimmt so nicht. Die Orientierung der Polizei hin zu einer "bürgernahen" Polizei entwickelte sich erst in den späten 80ern. Die 60er und 80er waren eher von einer strengst hierarchischen und obrigkeitlich arbeitenden Polizei, die auch intern gewaltig und elitär differenzierte. Die Idee der "bürgernahen Polizei" war eine richtig gute. Es brauchte eine lange Zeit bis dieses Selbstverständnis in den meisten Köpfen ankam. Das heißt überhaupt nicht, dass sich die Aufgaben der Polizei änderten. Die sind natürlich gleich geblieben.

Die Gespräche, die du geführt hast ( "Ich bezahl dein Gehalt", duzen etc), waren schon in den 70ern gang und gäbe, das hat nichts mit der "Bürgerpolizei" zun tun, sondern ausschließlich etwas mit dem entsprechenden Adressaten. Die gab es zu jeder Zeit.

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon DerLima » So 10. Jul 2022, 11:53

1957 hat geschrieben:Die Orientierung der Polizei hin zu einer "bürgernahen" Polizei entwickelte sich erst in den späten 80ern.
[…]
Die Gespräche, die du geführt hast ( "Ich bezahl dein Gehalt", duzen etc), waren schon in den 70ern gang und gäbe, das hat nichts mit der "Bürgerpolizei" zun tun, sondern ausschließlich etwas mit dem entsprechenden Adressaten. Die gab es zu jeder Zeit.
Gerne auch in den 80ern. Ich weiß, dass es solche Gespräche auch früher gab. Aber meinem Empfinden nach haben diese Gespräche in den letzten Jahren exponentiell zugenommen. Wenn ich solch ein Gespräch früher einmal im Monat führte, ist es jetzt ein- bis zweimal die Woche.
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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon Kulinka » Do 14. Jul 2022, 01:53

Hallo Lima,
DerLima hat geschrieben:
Sa 9. Jul 2022, 18:46
Die TBL ist eben kein Zeichen der Rechten. Es ist kein Zeichen der Polizeigewalt. Es ist ein Zeichen des Zusammenhaltes, der Geschlossenheit nicht nur innerhalb der Institution, sondern auch mit den Menschen außerhalb, die mitunter ein Symbol der Solidarität tragen und haben möchte, wenn die Polizei bei Hilfeleistungen unterstützt, wenn die Polizei Großartiges in schwierigen Situationen leistet, wenn die Polizei Kolleginnen oder Kollegen verliert.
:zustimm:
DerLima hat geschrieben:
Sa 9. Jul 2022, 18:46
Es ist keine Drohung, es ist mehr im metaphorischen Sinne eine Feststellung, dass er (Officer Taylor, Anm. Kulinka) eben nicht von den Buchstaben des Gesetzes abweichen wird, sondern das Gesetz so anwendet, wie es gedacht ist.
Finde ich sehr bestechend interpretiert. Respekt, so weit habe ich nicht gedacht.
DerLima hat geschrieben:
Sa 9. Jul 2022, 18:46
Was aber im Grunde ein eigenes Thema, abseits der TBL ist.
Ich freue mich auf eine Fortsetzung der Diskussion, die sich an anderer Stelle im Forum zukünftig bestimmt noch ergeben wird.
DerLima hat geschrieben:
Sa 9. Jul 2022, 18:46
Ich danke wirklich allen, die sich hier bisher konstruktiv beteiligt haben, denn ich habe so manch eine Sichtweise gelesen, die ich so selber noch nicht betrachtet habe.
Auch hier volle Zustimmung. :ja:

Viele Grüße
Kulinka
Zuletzt geändert von Kulinka am Do 14. Jul 2022, 02:11, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon Kulinka » Do 14. Jul 2022, 02:10

Hallo 1957,
1957 hat geschrieben:
Sa 9. Jul 2022, 19:22
Die Gespräche, die du geführt hast ( "Ich bezahl dein Gehalt", duzen etc), waren schon in den 70ern gang und gäbe, das hat nichts mit der "Bürgerpolizei" zun tun, sondern ausschließlich etwas mit dem entsprechenden Adressaten. Die gab es zu jeder Zeit.
davon bin ich ebenfalls überzeugt. Ich habe in den 1990-er- und frühen 2000-er-Jahren einige Behörden und Anstalten Öffentlichen Rechts bei ihren Leitbildprozessen (war damals sehr chic) begleitet. Die dabei auszubalancierende Dichotomie zwischen staatlicher Autorität und Bürgerorientierung hat so manchen wirklich nicht dummen Geist trotz zum Beispiel juristischer Ausbildung völlig überfordert. Da ist es klar, dass es auch auf Bürgerseite immer wieder Individuen gibt, die sich weigern, essentielle Funktionsprinzipien unserer Gesellschaft zu begreifen. Oder es im Zweifel einfach nicht können.

Viele Grüße
Kulinka

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon 1957 » Do 14. Jul 2022, 10:34

Ja, an diese "Leitbildprozesse" kann ich mich noch gut erinnern. Das war auch innerhalb der Polizei NRW ein damals wichtiges Thema und wurde in alle Organisationseinheiten runtergebrochen (Mitarbeiterbeteiligung). Leider waren die meisten noch nicht so weit. Es wurde recht großer Aufwand betrieben - im Anschluß verschwanden die Leitbilder und Leitsätze in der Versenkung.

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon der kanadier » So 17. Jul 2022, 11:39

Die Thin blue line gibt es ja schon recht lange, die Briten haben das Thema schon in den 90er aufgenommen. :polizei1:

https://youtu.be/2Dq0suxwkPo?t=36

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon e42b » Do 21. Jul 2022, 23:34

Hi Canadier,

danke dafür. Das Symbol kommt aus einem anderen historischen Zusammenhang als dem deutschen. (Wer mal nachlesen mag: https://en.wikipedia.org/wiki/Thin_blue_line.

M.E. ist die Problemlage in Ländern, in denen es nicht ganz einfach ist, rechtssicher an identifizierende Daten beteiligter Personen zu gelangen, etwas anders als bei uns.
Wie einige Mitleser wissen, bin ich für die Arbeit der Polizei in unserem Land allgemein dankbar und finde sie wichtig. Das liegt aber auch zu einem sehr großen Teil an der Qualität, mit der sie ausgeführt wird.

In Ländern, in denen anglikanisches Recht gilt, vor Allem den USA, ist die Polizeiausbildung eher auf Treffsicherheit als auf Rechtssicherheit ausgelegt. Nachdem ich nur ein wenig in das Rechtschaos in den USA reingeschnuppert habe, gefällt mir die deutsche Situation sehr viel besser.

Ich kann gut nachhalten, dass Menschen, die unter anglikanischem Recht Recht durchsetzen sollen, oft gar nicht wissen können, was zu dem Zeitpunkt der Maßnahme überhaupt gültiges Recht ist.
Die "Thin Blue Line" st aus der Angst entstanden, im Streitfall oder in der Organisation aus welchen Gründen auch immer nicht auf den Backup der staatlichen Umgebung vertrauen zu können.
Bitte, ich sag sonst nichts weiter zum anglikanischen Rechtssystem außer, dass ich mich freue. in einem zu leben, das auf römischer Tradition beruht.

Zum Thema: Als Gegenüber signalisiert mir die "Thin Blue Line" an der Uniform eines deutschen Polizisten, dass sie/er mit einer formlosen Angst um ihr/sein Leben in die Kontrolle geht. Das heißt für mich, dass alles, was ich sage, grundsätzlich als Lüge interpretiert wird und dass ich besser nichts sage und mich nicht bewege, weil ich für das polizeiliche Gegenüber erst einmal der Feind bin.
Ich habe unsere Polizei schon deutlich gesellschaftsnäher erlebt, und genau deswegen mag ich sie.

Wenn ich also die thin blue line an einer der Uniformen sehe, stelle ich meine Sachkommunikation komplett ein. Ich identifiziere mich, wozu ich verpflichtet bin, und das war's dann. Bewegen werde mich dann auch nur noch aufgrund genauer Anweisungen in einer mir verständlichen Sprache, ansonsten nicht.

Wenn solche Leute den Tag privat tragen, ist das für mich ein Grund, einen Bogen drum zu machen.

Ich empfehle dringend, nicht auf unpassende Züge aus anderen Systemen aufzuspringen.
Wir brauchen das nicht. Unsere Polizisten sind sehr viel besser ausgebildet und haben mindestens den Rückhalt eines Meldesystems.

Liebe Grüße und bleibt gesund
E.

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Fr 22. Jul 2022, 09:19

e42b hat geschrieben:
Do 21. Jul 2022, 23:34


Wenn ich also die thin blue line an einer der Uniformen sehe, stelle ich meine Sachkommunikation komplett ein. Ich identifiziere mich, wozu ich verpflichtet bin, und das war's dann. Bewegen werde mich dann auch nur noch aufgrund genauer Anweisungen in einer mir verständlichen Sprache, ansonsten nicht.

Wenn solche Leute den Tag privat tragen, ist das für mich ein Grund, einen Bogen drum zu machen.

Beides ist ziemlich erwachsen. Bravo.
:lah:

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon An_dy » Fr 22. Jul 2022, 10:02

e42b hat geschrieben:
Do 21. Jul 2022, 23:34
Zum Thema: Als Gegenüber signalisiert mir die "Thin Blue Line" an der Uniform eines deutschen Polizisten, dass sie/er mit einer formlosen Angst um ihr/sein Leben in die Kontrolle geht.Das heißt für mich, dass alles, was ich sage, grundsätzlich als Lüge interpretiert wird und dass ich besser nichts sage und mich nicht bewege, weil ich für das polizeiliche Gegenüber erst einmal der Feind bin.


Wenn ich also die thin blue line an einer der Uniformen sehe, stelle ich meine Sachkommunikation komplett ein. Ich identifiziere mich, wozu ich verpflichtet bin, und das war's dann. Bewegen werde mich dann auch nur noch aufgrund genauer Anweisungen in einer mir verständlichen Sprache, ansonsten nicht.
Den oberen Teil halte ich für sehr weit hergeholt. Du fühlst Dich also durch dieses Symbol stark getriggert und durch die vermeintliche Grundeinstellung des Beamten bedroht.

Du stellst die Sachkommunikation also ein stellst Dich bockig und empörst Dich vermutlich hinterher, wenn eine banale Situation nicht freundlich genug verlief und unnötig eskaliert ist. Zumal Du den Kollegen vermutlich nichts kommunizieren wirst, dass du dich aufgrund des TBL Patches so verhältst, da Du dich getriggert fühlst.

Zu den amerikanischen Kollegen und Rechtssystemen:
Die US Amerikanischen Verhältnisse sind nicht mit Europa und Deutschland vergleichbar. Wir können hier viel auf die amerikanischen Cops schimpfen und vergessen dabei oft, dass die sich einer völlig anderen Gesellschaft gegenüber sehen. In Deutschland gibt es keine sozialen Brennpunkte, wie in den USA. Solche Verhältnisse kennen wir hier nicht. In den USA muss man damit rechnen, dass potentiell jeder eine Schusswaffe mit sich führt. Das führt zu ganz anderem Vorgehen und Einschreiten.
Cop in L.A. ist eine ganz andere Nummer, als Polizist in Berlin. Ich möchte nicht tauschen.

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon 1957 » Fr 22. Jul 2022, 18:32

Na ja, trotzdem gibt es bei vielen USA Polizeien nur eine Minimalausbildung und die ist dann auch noch auf Waffeneinsatz konzentriert. Habe in den USA sehr viele Kollegen getroffen, welche die Nase sehr hoch trugen,im Umgangston unter aller Sau waren und Kritik meist sehr krumm nahmen.
Darüber hinaus gibt es in den USA nicht nur Slums, nicht nur schwierige Menschen.

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Re: "Thin Blue Line" spaltet die Polizei

Beitragvon e42b » Sa 23. Jul 2022, 23:40

Ja, danke 1957.

In den USA ist die Polizei eine völlig andere als bei uns. Sachverstand wird dort in weiten Teilen durch Arroganz ersetzt. Hinzu kommt, dass die dortige Gesellschaft in weiten Teilen bis an die Zähne bewaffnet ist. Oft sind die Beamten auch allein unterwegs. Ganz ehrlich, solch einen Job würde ich nicht für 'ne Million/Jahr machen wollen. Allein unterwegs, mit dem Generalverdacht, dass mein Gegenüber eine Schusswaffe mitführt und mit nur einem Schimmer einer Ahnung über die derzeitig gültige Gesetzeslage muss ich doch meine mangelnde Kompetenz durch Machtdemonstration ersetzen.
Dazu kommt, dass es nicht selten passiert, dass ein mit der Situation überforderter Beamter am Ende von seiner Behörde im Stich gelassen wird, wenn er falsch gehandelt hat. (Ich möchte weiß Gott keinen US-Polizisten verteidigen, der einen Afroamerikaner erschießt, weil der einen Stock in der Hand hält.) Das Problem liegt viel tiefer. Ausbildung kostet. Das spart man sich dort wohl oft.
Ich denke, dass aus dieser Warte des Geworfenseins in eine Arbeitsumgebung, die man nicht beherrschen kann, die thin blue line als Tag entstanden ist.

Obwohl ich sehe, dass in Teilen, oft in Städten, auch bei uns in D Defizite in der Ausbildung erkennbar sind, ohne selbst jemals fundamental betroffen gewesen zu sein, sehe ich auch, dass sich die Professionalität deutscher (irischer, italienischer, polnischer, griechischer, französischer, britischer und mit leichten Abstrichen auch österreichischer und spanischer soweit das meine persönliche Erfahrung betrifft) Polizisten positiv von derjenigen abhebt, der man mindestens auf dem Land in den USA begegnet.

Was ich sagen will: Die Wirklichkeit, aus der sich das diskutierte Tag entwickelt hat, hat fast nichts mit Polizeiarbeit in D zu tun. Sehe ich den Tag trotzdem, muss ich davon ausgehen, dass die Beamtin/der Beamte, die/der sich damit schmückt, davon ausgeht, dass ich bewaffnet und gefährlich bin und somit mit aller möglichen Härte gegen mich vorgehen muss, auch wenn ich beim Abbiegen nur den Blinker zu spät gesetzt habe.
Der Tag signalisiert mir, dass hinter der Uniform jemand steckt, der den Arsch voll Angst hat. Zwar muss ich in D nicht fürchten, dass ich unmittelbar erschossen werde, werde auf der anderen Seite auch nicht einen Zacken bieten, an dem mich solche Leute aufhängen können.
Das kostet dann zwar Zeit, aber ich bin ganz sicher, dass ich dann auf der Wache auf Menschen mit mehr Selbstbewusstsein treffen werde.

Bislang scheint das nur eine Mode zu sein. Das sollte aber trotzdem in den Dienststellen thematisiert werden, denn m.E. hat das mit der polizeilichen Wirklichkeit in D nur sehr wenig zu tun.

Leute, bitte bleibt die Polizei, die ich mag und bleibt gesund.
LG E.

Edit: Ein vergessenes "bin" nachgereicht


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