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Brot
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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Brot » Mo 8. Jul 2013, 19:20

Beobachter hat geschrieben:die z.T. unerträglich lange Verfahrensdauer im Asylrecht
Bei uns ist mal einer auf der Wache aufgetaucht und hat das Zauberwort gesagt. Im Rucksack haben wir Unterlagen aus Österreich gefunden. Aus diesen war zu entnehmen, dass es in Österreich sage und schreibe 3 Wochen gedauert hat zwischen der Stellung des Asylantrags und der Mitteilung, dass dem Antrag nicht statt gegeben wird und das Land umgehend verlassen werden muss. Und in den 3 Wochen war sogar die Bestimmung des Alters durch einen Arzt dabei. Die kompletten Unterlagen waren in deutscher Sprache, keine Übersetzung.

Auch ein Unterschied zu Deutschland. Hier wird ein Dolmetscher hinzugezogen, alles doppelt und dreifach inkl. Landessprache ausgefüllt, es werden zig mehrsprachige Belehrungen durchgeführt und jede Menge Behörden verständigt.

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon SirJames » Mo 8. Jul 2013, 19:46

@ beobachter:

Ich denke wir reden an der ein oder anderen Stelle immer noch aneinander vorbei. Um es nochmal ganz deutlich zu sagen, ich habe keinerlei Problem damit, wenn Flüchtlinge auf Ihre Situation aufmerksam machen, mit den Ihnen zustehenden Mitteln der Veranstaltung, Versammlungen, des Aufzuges, politischer Foren, Diskussionsforen etc etc.

Ich habe aber große Probleme damit, wenn seit der Ankunft am Pariser Platz Ordnungswidrigkeiten und Straftaten begangen werden unter dem Motto: der Zweck heiligt die Mittel und dies dann auch noch durch den Bezirksbürgermeister und die Polizeiführung so geduldet wird, um sich dem permanenten Vorwurf rassistisch motivierter Maßnahmen zu entziehen bzw. Wahlkampf zu machen.

Ich bin auch Polizeibeamter geworden, um für ein Stück Gerechtigkeit einzutreten. Und diese wird hier Stück für Stück und ganz bewusst vernachlässigt und untergraben. Das kann ich nicht richtig finden und es widerstrebt meiner innersten Überzeugung, wie hier mit diesem Thema umgegangen wird.

Ich habe mehrere Einsätze am Pariser Platz, Oplatz und in der Ohlauer gehabt. Ausnahmslos wurde mir aggressiv und provokativ entgegengetreten. Da hatte ich noch keine Maßnahme getroffen, noch nicht einmal ein Wort gesagt. Da kamen schon die Frage nach meiner Dienstnummer, die Aufforderung mich zu entfernen und den Bezirksbürgermeister anzurufen, es wurde sich mir entgegengestellt um den Zugang zu verhindern etc. Ich bin Polizeibeamter und kein Rassist. Ich weiß nicht woher die Supporter und Flüchtlinge sich das Recht nehmen mir dieses von Anfang an zu unterzustellen. Und der Umgang der Politik, Presse und in Teilen der Polizeiführung suggeriert sogar noch, dass dies so richtig sei. Es fällt mir zunehmend schwer damit umzugehen, muss ich gestehen.

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Beobachter » Mo 8. Jul 2013, 20:40

Nein, SirJames...wir reden gar nicht aneinander vorbei.
Mal ganz ab von dem eigentlichen politischen Problem, um das es geht, gibt's noch mindestens drei weitere, die hier eine Rolle spielen:

Klar, Wahlkampf in Berlin. Ist das erste.

Das zweite ist:
Um mit den üblichen und erlaubten Protest- und Veranstaltungsformen eine große Menge Menschen zu erreichen, ist ein immenser finanzieller Aufwand nötig, den politische Minderheiten oft nicht leisten können.
Also versuchen sie, die Aufmerksamkeit von Massenmedien zu erlangen und erlauben sich Abweichungen vom Erlaubten.
Das BVerfG stellt hohe Anforderungen an die Einschränkung der Versammlungsfreiheit.
Und der verlinkte Aufsatz erklärt, dass und warum Polizei mitunter rechtswidrige Zustände hinzunehmen gehalten ist.
Schön wärs, eure Führung würde euch das auch erklären, dann wär der Frust vielleicht nicht so groß.
Deine und die Meinung deiner Führung zum Thema "Gerechtigkeit" gehen hier offenbar auseinander. Entweder muss da besser erklärt werden...oder du musst die Zähnchen zusammenbeißen.

Das dritte Problem ist die mangelnde Differenzierungsfähigkeit mancher Menschen.
Da kann man auch drüber stehen.
Oder ne Anzeige wegen Beleidigung schreiben?

Ich verstehe deinen Frust, denk ich.
Ich würde keinen Polizisten beleidigen oder ihm Rassismus vorwerfen, bevor ich ihn kenne. Aber ich habe möglicherweise ein anderes politisches Interesse als du.
Zuletzt geändert von Beobachter am Mo 8. Jul 2013, 21:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon 1957 » Mo 8. Jul 2013, 20:45

sir james, da hast du recht, das ist starker tobak.
auch mir würde da der kamm schwellen - eher platzen.
trotzdem ist es eher richtig, hier nicht zu platzen sondern zu versuchen, mit gelassenheit den dingen zu begegnen. ohne eine entscheidung der gerichte und der politik wäre die polizei wieder mal der übeltäter.

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon SirJames » Mo 8. Jul 2013, 21:16

@ Beobachter:

Hier kommen viele Umstände zusammen, deren Lösung bzw. Differenzierung nicht einfach ist. Und ich behaupte auch nicht, dass es einfache Lösungen gibt. Ich wollte nur einmal meine Sichtweise darstellen. Ja es gibt Kommunikationsdefizite. Die Vorbereitung/Auswertung bestimmter Einsätze kommt zu kurz, die Hintergründe und Problematiken werden zu wenig kommuniziert und erläutert. Oftmals habe ich den Eindruck, dass Entscheidungsträger selbst Schwierigkeiten haben plausible Antworten zu geben. Bevor man etwas Diskussionswürdiges kundtut, wird lieber nichts gesagt, bevor man sich in die Nesseln setzt.

Das führt natürlich bei jungen Beamten wie mir zu Unverständnis und offenen Fragen. Ich versuche selbst Erklärungen zu finden, die oftmals aber leider nicht befriedigend sind. Aber das ist sicherlich auch ein Teil des Berufes. Ich versuche damit umzugehen.

Zu dem hohen Gut der Versammlungsfreiheit. Man muss dann aber auch anderen Interessengruppierungen diese "Abweichungen vom Erlaubten" (wie du das so schön ausdrückst) zugestehen. Das ist ein Dilemma aus polizeilicher Sicht, wie du sicher verstehen wirst.

@1957:

Ich platze auch nicht. Ich weiß welche Verantwortung ich trage, wenn ich dort Maßnahmen treffe, man spürt den Druck. Ich hoffe schlicht, dass in absehbarer Zeit eine zufriedenstellende Lösung für die Gesamtproblematik gefunden wird. Denn ich glaube man ist sich darüber einig, dass dies kein Dauerzustand sein kann.

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Beobachter » Mo 8. Jul 2013, 21:38

Ich finds gut, dass wir gemeinsam versuchen können, uns den Dingen anzunähern.

Vielleicht ein Gedanke noch zu deinem Gefühl der Ungleichbehandlung politischer Gruppierungen (ich weiß nicht, ob das wirklich eine Rolle spielt, bei den politischen Entscheidungsträgern aber es wär mein Argument).
Wenn wir als demokratische Gesellschaft gegen Phänomene wie den Islamismus eine Chance haben wollen, müssen wir mit unseren eigenen Werten überzeugen.
Und deshalb ist es sinnvoll, außerparlamentarisches Engagement eher zu tolerieren, wenn es nicht auf Ausgrenzung,Intoleranz und Egoismus setzen, sondern auf die (Weiter-)Entwicklung bürgerlicher Freiheiten.
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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon 1957 » Di 9. Jul 2013, 14:25

das ist sicher nicht einfach, aber gut.

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Beobachter » Di 9. Jul 2013, 14:43

Das ist auch deshalb nicht ganz so einfach, weil man einem Teil der Akteure selber solche Toleranz nicht direkt anmerkt. :nein:
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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Brot » Di 9. Jul 2013, 17:10

Die Flüchtlinge in Berlin sollten samt Unterstützer ihr Camp demnächst in Griechenland aufbauen:
Amnesty wirft Griechen massive Misshandlung von Flüchtlingen vor

Ich glaube im Gegensatz zu denen geht es den Flüchtlingen in Berlin, München und sonst wo ganz gut. Auch scheint es diverse Unterschiede im Umgang mit den Flüchtlingen bei der Polizei in den verschiedenen EU Ländern zu geben. Meiner Meinung nach hört sich die Praxis der deutschen Polizisten humaner an.

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Beobachter » Di 9. Jul 2013, 17:38

Zur Debatte stehen die Auswirkungen der EU-Einwanderungs(verhinderungs)politik.
Hier wie dort.
Dass an den EU-Außengrenzen rabiater vorgegangen wird, als hier, ist keine besonders gute Entschuldigung.
Für mich hört sich das in etwa so an, wie für euch der Satz klingen muss: "So ein Theater wegen des einen Bier zuviel. Mein Nachbar fährt nur besoffen und gegen den macht nie jemand was."
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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Controller » Di 9. Jul 2013, 17:46

hat jemand vor ca 2 Wochen zufällig die Reportage über die

Pink Panther gesehen

eine ca 200 Mann umfassende Bande internationaler Juwelendiebe aus dem Kosovo/Montenegro :gruebel:

http://www.stern.de/panorama/organisier ... 06210.html

Da wurden auch die Folgen der Embargo Politik geschildert;

über Monate hinweg, keine Lebensmittel, keine Seife, kein Toilettenpapier, Bekleidung, Strom etc....

nichts ...rein gar nichts hatte die Bevölkerung - die herrschende Klasse jedoch traf das nicht !

Mir war das damals gar nicht so bewusst und ich war reichlich erschüttert -- über manches muss man sich halt nicht wundern !
Regeln sind wie Donuts, sie haben Löcher.
Und darin lebt der Ermessensspielraum. :mrgreen: :zunge:

- Verstorben am 09.08.2021 -

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon torben78 » Mi 10. Jul 2013, 20:57

http://www.berlin.de/polizei/presse-fah ... um=twitter

Das ist für eher das Problem in Kreuzberg. Es gelingt unheimlich schnell, eine große Anzahl von Leuten zu mobilisieren, die aus dem Nichts auftauchen und gezielt Pol.Beamte attackieren.

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon tyrant » Mi 10. Jul 2013, 21:07

Aber warum ist dann in der Führungsetage davon noch nichts angekommen? Hab ich zwei zivile im Bereich, dann dürfen Unterstützungskräfte nicht weit sein. Oder eben noch mehr zivile, so dass man ordentlich Manpower hat.

Es ist doch schon jahrelang bekannt, dass du in Kreuzberg keine Maßnahme zu zweit aufreißen kannst, weil du ansonsten um dein Leben fürchten musst.
Ich bin KEIN PVB!

An allem Unrecht, das geschieht,
ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der,
der es nicht verhindert.

(Erich Kästner)

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Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon tyrant » Mi 10. Jul 2013, 23:20

Trennung.

Im Streit um das Camp am O-Platz gibt sich die Politik mal wieder Spitzen zu.

http://www.bz-berlin.de/bezirk/kreuzber ... 06442.html

Ganz großes Kino des Bezirksbürgermeisters. Die Aussage klingt so wie "Du hast ja recht, aber du hast ja auch mal Fehler gemacht."

Mieser Kindergarten auf dem Rücken der Anwohner.
Ich bin KEIN PVB!

An allem Unrecht, das geschieht,
ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der,
der es nicht verhindert.

(Erich Kästner)

Gast

Re: Berlin Kreuzberg

Beitragvon Gast » Do 11. Jul 2013, 06:37

Moin!
Aber warum ist dann in der Führungsetage davon noch nichts angekommen? Hab ich zwei zivile im Bereich, dann dürfen Unterstützungskräfte nicht weit sein. Oder eben noch mehr zivile, so dass man ordentlich Manpower hat.

Es ist doch schon jahrelang bekannt, dass du in Kreuzberg keine Maßnahme zu zweit aufreißen kannst, weil du ansonsten um dein Leben fürchten musst.
Endlich erklärt man mir Polizei und die Welt :applaus:

Das ist der Grund, warum Firmen sich um externe Berater bemühen: die können die kleinen, versteckten Details bewerten, die die betriebsblinden Auftraggeber völlig übersehen :lupe:

Danke!!! :zustimm:

Gruß :polizei4:


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