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Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 09:27
von anschu
Mal wieder ein Paradebeispiel für die Lächerlichkeit mancher Urteile...lange genug in Berufung gehen und dann ergibt sich schon ein Widerspruch in den Aussagen. Waren ja auch nur 4 Jahre her... :stupid:

https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... ld142.html

Alles Gute für den Kollegen!

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 10:39
von PotionMaster
Nicht jedes Urteil, das die eigene Meinung nicht bestätigt muss als lächerlich dargestellt werden. Leider auch ein zunehmender Trend. Akzeptiert werden nur noch jene Urteile, die dem eigenen Empfinden entsprechen. Zumal der Artikel selbst schon prozessual falsch berichtet.

Wenn man nur der Erinnerung der Belastungszeugen glauben schenken mag, dann hat das auch nichts mit einer objektiven Betrachtung zu tun.

Man geht nicht "lange genug" in Berufung sondern genau ein mal. Dass dann dabei auch mal ein Freispruch rauskommt ist übrigens selten. Wie Freisprüche generell im Strafrecht.

Wenn schon die StA einen Freispruch fordert, dann zeigt das schon ein wenig auf, was während des Prozesses passiert ist.

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 10:59
von anschu
Vielen Dank für die Erläuterung der Rechtslage :applaus: Hab ich in 30 Jahren in unserem Job noch nie was von gehört...
Auch ein zunehmender Trend... :polizei4:

Natürlich ist das meine Meinung. Wie sollte sonst auch eine Diskussion entstehen :gruebel:

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 11:00
von Strafrechtler
Ich schließe mich PotionMaster an. Allerdings sind die vier Jahre Dauer schon zu krititsieren wie ich finde. Leider doch auch etwas was man inzwischen als Trend bezeichnen kann. Eine immer längere Dauer bis zum Termin. Immer längere Verfahren mit immer mehr Termine, immer mehr Sachverständigen. Immer höhere Kosten. Das sich so eine lange Verfahrensdauer generell negativ auf die Erinnerung aller Beteiligten auswirkt kann man kaum bestreiten

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 11:02
von PotionMaster
Gern geschehen, es ist offenbar notwendig. Eine differenzierte Betrachtung schadet eben nicht, gerade wenn man als Aussenstehender einen Blick wagt.

Strafrechtler: Ja, zur Verfahrensdauer muss ich dir recht geben. Auch ich würde mir eine zügigere Vorgehensweise wünschen. Das wäre sicher der Wahrheitsfindung dienlich - soweit dies möglich ist.

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 11:15
von Strafrechtler
Mich wundern die zwei Jahre bis zum ersten Termin und dann nochmal zwei bis zur Berufung schon. Ist das üblich in Niedersachsen?

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 11:18
von PotionMaster
Das kann ich dir leider nicht beantworten. Für uns wäre das schon auffällig lange. Selbst heute bei der allgegenwärtigen Überlastung.

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 11:39
von schutzmann_schneidig
Es gibt sicherlich belastungsbezogen regionale Unterschiede, aber außerhalb von Verfahren, in denen aufgrund von z.B. U-Haft besondere Anforderungen an eine zeitlich priorisierte Bearbeitung bestehen, sind lange Wartezeiten bis zur Ansetzung der Hauptverhandlung nicht unüblich.
Zwei Jahre erscheinen tatsächlich recht lang, aber für niedersächsische Verhältnisse auch nicht auffällig lang. Ein spürbarer Aufwuchs an Dienstposten für Richter und Staatsanwälte ist dringend nötig. Die bisherigen Steigerungen waren eher ein Tropfen auf den heißen Stein.
Und, ähnlich wie bei der Polizei, ist auch dort eine Steigerung der Attraktivität erforderlich, wenn man auch die gut geeigneten, leistungsstarken Studienabsolventen gewinnen möchte.

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 11:41
von PotionMaster
Dann ist das sehr bedauerlich....

Ansonsten kann ich dir wie üblich wieder nur zustimmen Schutzmann :zustimm:

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 11:49
von Ghostrider1
PotionMaster hat geschrieben:
Sa 9. Nov 2019, 10:39
Nicht jedes Urteil, das die eigene Meinung nicht bestätigt muss als lächerlich dargestellt werden.
Darf er und es ist auch in Teilen meine Meinung.
Es ist "lächerlich" nach 4 Jahren von Besuchern des Festes zu erwarten, sie können den Vorfall gerichtsfest wiedergeben. Zeugen werden von der Verteidigung auf Aussagen festgenagelt, die damals getätigt wurden. Gibt es nach 4 Jahren Widersprüche, macht die Verteidigung was?
Von daher ist nicht unbedingt das Urteil, sondern der Vorgang lächerlich.

Ich habe das selbst erlebt, als Zeuge, nach einer Klopperei an Silvester. Bei mir waren es nur 2 Jahre vergangen, als ich am Landgericht erneut antanzen durfte, aber selbst da ist die Erinnerung schon arg getrübt.

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 12:01
von PotionMaster
Natürlich ist die Erinnerung da getrübt, das bezweifelt wohl kein vernünftig denkender Mensch. Das gilt aber nun ebenso für die Belastungszeugen die hier gegen den Angeklagten gesprochen haben dürften.

Im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung kam dann eben der seltene Freispruch heraus. Das die Verfahrensdauer so lange nicht unüblich ist hat Schutzmann gerade bestätigt. Trotzdem kommen in der Masse der Verfahren eben keine Freisprüche heraus. Obwohl die Zeugen hier die genannten Probleme in der Regel haben dürften.

Wenn es hier ein Fall war bei dem es anders liegt und sogar die StA einen Freispruch gefordert hat, dann muss man das Urteil deshalb nicht abwerten. Es ist im Rahmen eines rechtsstaatlichen Vorganges ergangen und offenbar sogar von der StA getragen. Das mag mancher Meinung nicht entsprechen. Vielleicht sogar nicht einmal meiner :polizei2: Deshalb erkenne ich das Urteil aber eben trotzdem an und nehme zur Kenntnis, dass es wohl so in aller Richtigkeit ergangen ist. Das ist eben ein Unterschied.

Mir fällt nur ein Weg ein, derartige Probleme zu minimieren. Aber das ist wohl illusorisch.

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 12:18
von RafaelGomez
PotionMaster hat geschrieben: Mir fällt nur ein Weg ein, derartige Probleme zu minimieren. Aber das ist wohl illusorisch.
Und der wäre?

Übrigens, mein letzter Termin in Nds vor wenigen Monaten war ziemlich genau 4 Jahre nach der Tat (gef KV usw). Erster Termin vor dem AG...

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 12:28
von PotionMaster
Der von Schutzmann bereits geschilderte. Die Verfahren können seitens der Gerichte nur beschleunigt werden wenn es mehr Personal und die Räumlichkeiten dafür gibt. Das wird aber so nicht passieren. Mehr Polizeibeamte befürworte ich aus eigener Erfahrung ausdrücklich. Das führt aber auch nur zu mehr Arbeit für die Justiz die eben nicht in ähnlicher Weise aufgestockt wird. Was die Lage verschärft und weiter verschärfen wird.

Natürlich gibt es auch andere Wege die von der Politik ja teilweise im Rahmen der Gesetzgebung bereits gegangen werden oder demnächst wohl beschritten werden. Straftatbestände zu Owis degradieren oder zu versuchen den Strafprozess durch Verständigungen zu beschleunigen. Ob so eine Verständigung im Hinterzimmer der Wahrheitsfindung dient mag jeder für sich beurteilen.

Nachtrag: Ich persönlich finde es sehr bedenklich, dass man überlegt Straftatbestände aufgrund der Überlastung abzuschaffen. Man kann der Ansicht sein, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht so hoch ist, dass man daraus eine Straftat machen muss. Aber eigentlich schon der Ansicht zu sein, dass das ein Verhalten ist, dass als Straftat eingeordnet werden soll und es als Owi zu klassifizieren nur um eine Entlastung herbeizuführen ist in meinen Augen eher das Eingeständnis der Ohnmacht.

Das alles hat jetzt aber zugegeben wenig mit dem Thread zu tun. Man sehe mir die Ausschweifungen nach, ich will Anschus angedachte Diskussion nicht mit einer Themenverschiebung verhindern. :ja:

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 13:46
von 1957
:zustimm:

Re: Gewalt gegen Polizeibeamte

Verfasst: So 10. Nov 2019, 09:59
von vladdi
Den Gedanken (z.B Schwarzfahren) herunterzustufen finde ich gar nicht so schlecht.

Schwarzfahren ist und bleibt unrecht. Jedoch ist das meiner Ansicht nach kein Delikt, welches mit Freiheitsstrafe bedroht sein sollte. Ein Unrecht, welches mittels Geldstrafe sanktioniert ist, könnte auch mit Geldbuße geahndet werden.
In der Überlegung müsste man überlegen, ob nicht begleichte Geldbußen auch mit Ersatzfreiheitsbuße belegt werden können.

Diesen Gedanken auf andere niederschwellige Delikte auszuweiten halte ich für sinnvoll.
Unrecht muss geahndet werden, jedoch muss man auch etwas Prozessökonmie betreiben. Die Justiz ist im roten Bereich. Verfahren müssen grundsätzlich schneller abgehalten werden können. Gerade bei einfach gelagerten Fällen. Möglicherweise kann man auch das Verfahren straffen (die Strafe folgt auf dem Fuße).

Irgendwie muss man da mal überlegen.

Dann wären auch Ressourcen da, dass komplizierte Fälle, wie dieser sich nicht so lange strecken.
Hier war der Richter selber unzufrieden. Leider wird es, egal wie man sich aufstellt, immer wieder Fälle geben, wo Schuldigen die Tat nicht nachgewiesen werden kann und die werden freigesprochen.