Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

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Route66
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Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Fr 2. Dez 2022, 15:37

Geehrte Forengemeinschaft!

Zur Zeit wird bei uns im Enzkreis in Baden-Württemberg die zunehmende Privatisierung der kommunalen öffentlichen Sicherheit und Ordnung kritisch diskutiert. In Heimsheim wurde im Frühjahr dieses Jahres eine Sicherheitsfirma als Citystreife beauftragt um Ordnungswidrigkeiten in der Stadt festzustellen und umgehend zu ahnden, nach wie vor eine hoheitliche Aufgabe.

Laut der beauftragenden Stadtverwaltung, dem kommunalbehördlichen Hauptamt der Stadt Heimsheim, sollen Security-Angestellte dazu auch Personalien feststellen und Platzverweise erteilen. Weigern sich „Ordnungssünder“ den Firmenangestellten ihren Personalausweis vorzuzeigen sollen sie notfalls bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden, scheibt das Hauptamt in einer öffentlichen Stellungnahme hierzu.

Wir, eine Gruppe Heimsheimer Bürger (auch Eltern von Jugendlichen), meinen das diese Praxis zu weit geht und nicht durch das Gesetz gedeckt ist. Denn wie im nachfolgenden Artikel nachvollziehbar beschrieben "haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum nicht mehr Rechte als andere Bürger auch".

Wir haben hierzu, zu den rechtlich ungeklärten Fragen um die Befugnisse der privaten Citystreife in Heimsheim, die Gewerkschaft der Polizei im Landesbezirk Baden-Württemberg per E-Mail angeschrieben. Auch nach über vier Wochen hat uns die GdP nicht geantwortet.

Gerade weil sich die Polizei im Enzkreis (mindest. 8 Enzkreis-Kommunen haben mittlerweile private Citystreifen beauftragt) ihren Zuständigkeitsbereich vermehrt mit öffentlich beauftragten Sicherheitsfirmen teilt und mit diesen auch punktuell zusammenarbeitet, wäre es für uns wichtig zu erfahren ob diese Entwicklung und die beschriebene Praxis rechtmäßig und im Sinne des Berufsstandes der Polizei ist.

Eine hessische Kontroverse: Erst vor kurze Zeit hat die Stadtpolizei der Stadt Frankfurt am Main einem privaten Sicherheitsdienst Streifengänge im öffentlichen Raum untersagt, wie mehrere Medien berichteten. Unter anderen sah die Behörde hierbei das staatliche Gewaltmonopol beeinträchtigt.

Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife (Internetseite der Datenschützer Rhein Main vom 30.11.22)

https://ddrm.de/heimsheim-rechtlicher-b ... y-streife/

Was hat das Forum für eine Meinung zum Thema?

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Kaeptn_Chaos
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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Sa 3. Dez 2022, 07:19

Hast du den link von dir mal selber komplett durchgelesen? Da steht doch viel richtiges drin, mit Ausnahme des Rats, reflexmäßig Widerspruch gegen Bußgelder einzulegen.
:lah:

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Sa 3. Dez 2022, 09:15

Hallo,

ich teile Deine Meinung hierzu und habe den Artikel-Link zu den Datenschützern Rhein Main auch bewusst gelistet. Die Kernfrage, welche sich für mich hierbei stellt: Dürfen Firmenangestellte - im Bundesland Baden-Württemberg - systematisch Ordnungswidrigkeiten feststellen? 
Die Grundaussage der hessischen Urteilsquelle, welche auch anderen Gerichtsentscheidungen zu Grunde liegt: "Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische hoheitliche Aufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns." 

https://verkehrslexikon.de/ModuleB/OWi_ ... Privat.php

Bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs gilt in Hessen: “(…) Die den kommunalen Polizeibehörden gesetzlich zugewiesene Verpflichtung der Überwachung des ruhenden Verkehrs und die Ahndung von Verstößen sind hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürfen sie nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden. (…)“ OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 03.01.2020 – 2 Ss-OWi 963/18)
Zum Beispiel in einigen Enzkreis-Kommunen ist es gängige Praxis, dass die privaten Citystreifen Falschparker aufschreiben.

Ich bin kein Verwaltungsrechtler. Und deshalb frage ich mich, inwieweit die o.a. hessische OLG-Entscheidung auf Baden-Württemberg übertragbar ist und ggf. Berücksichtigung findet. Wenn dies zuträfe ist ein generell eingelegter Widerspruch in Bezug auf festgestellte Ordnungswidrigkeiten durch Firmenangestellte m. E. sinnvoll. Hier wäre eine juristische Klärung sicherlich hilfreich.

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon nano » Sa 3. Dez 2022, 10:18

"Mangels Ermächtigungsgrundlage dürfen sie nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden."

Ich kann hieraus nicht erkennen, ob das OLG bemängelt, dass vom Gesetzgeber keine ordentliche Rechtsgrundlage geschaffen worden ist oder ob das OLG es nicht für möglich hält, hoheitliche Aufgaben auf nicht-staatliche Organisationen zu übertragen. Von Letzterem gehe ich allerdings nicht aus. Bspw. dürfen die Berliner Verkehrsbetriebe Fahrzeuge an Bushaltestellen ohne OA/Polizei umsetzen. Das rechtliche Konstrukt nennt sich "Beleihung".

Ordnungswidrigkeiten feststellen darf jeder. Mancherorts kann man das dann per App an das Ordnungsamt melden oder man muss halt doch anrufen. Was du bemängelst ist das Eingriffsrecht und hier sehe ich keine Probleme. Habe ich einen Verursacher und er gibt seine Daten nicht freiwillig raus, kommt die Polizei, die das feststellt. Bis dahin wird man festgehalten, i.S.v. "sie bleiben jetzt hier, bis die Polizei kommt" (nicht gefesselt, zu Boden gedrückt oder sonstwie Zwang angewendet). ÖPNV-Kontrolleure machen analog zu der City-Streife fast (mit dem Unterschied, dass 127 StPO ein physisches Festhalten unter Beachtung des GdV erlaubt) nichts anderes.

Dass es nicht gut gemacht ist und man doch besser eine ordentliche gesetzliche Grundlage geschaffen hätte, sehe ich allerdings auch so.

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Sa 3. Dez 2022, 11:18

Also, was ich bisher aus dem auf ddrm.de veröffentlichten Artikel herausgelesen habe greift der §127 Abs. 1 StPO ("Jedermannsrecht") nur in Verbindung mit Straftaten, jedoch nicht bei reinen Ordnungswidrikeiten. Bei einer Leistungserschleichung können sich ÖPNV-Kontrolleure auf das sog. Jedermannsrecht berufen, weil es sich dabei um eine Straftat handelt.
Die Drohung mit der Polizei, unter Androhung des Festhaltens wegen einer Ordnungswidrigkeit, mit dem Ziel die "freiwillige" Herausgabe des Personalausweises zu erreichen, ist m. E. weder dem Bürger noch Mitarbeitern kommerzieller Sicherheitsdienste gestattet. Im beziehenden Artikel ist gar von "Nötigung" die Rede, welche hierbei sehr leicht entstehen kann.
Auch im beziehenden Artikel beschrieben: Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste haben - auch in einer öffentlichen Beauftragung - keine Sonderechte; sie haben nicht mehr Rechte als andere Bürger auch. Wenn ich hierbei einen Denkfehler mache, bitte korrigieren.

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon 1957 » Sa 3. Dez 2022, 14:42

"Gerade weil sich die Polizei im Enzkreis (mindest. 8 Enzkreis-Kommunen haben mittlerweile private Citystreifen beauftragt) ihren Zuständigkeitsbereich vermehrt mit öffentlich beauftragten Sicherheitsfirmen teilt und mit diesen auch punktuell zusammenarbeitet, wäre es für uns wichtig zu erfahren ob diese Entwicklung und die beschriebene Praxis rechtmäßig und im Sinne des Berufsstandes der Polizei ist."


Bekanntlich hat die Polizei mit der Kommune weitgehend nichts zu tun. Die Kommunen sind neben der Polizei für die Gerfahrenabwehr zuständig und haben dazu entsprechende gesetzliche Möglichkeiten.

Gleichwohl ist es nicht Sache der Polizei, die Arbeit der Kommunen rechtlich zu bewerten (was im Einzelfall eine Kritik nicht ausschließt) - dass ist Aufgabe der Justiz und in der Folge ggf. des Landesgesetzgebers.
Gleichwohl sind Absprachen zwischen Kommune und der örtlich zuständigen Polizeibehörde durchaus gängig - sie sind aber eher praktischer Natur.

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » So 4. Dez 2022, 12:32

Abschließend von mir noch einen herzlichen Dank an das Forum der Copzone für die Veröffenlichung des Bezugsbeitrags und die Kommentierungen dazu. Nachfolgende kürzlich recherchierte Text-/ Artikelquellen, für am Thema interessierte Foristen, zur Kenntnis:

https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten ... d-35672011

https://www.grin.com/document/351435

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Mi 7. Dez 2022, 18:43

Aus aktuellem Anlaß zum Thema, heute in der Stuttgarter Zeitung erschienen:

Einsatz in Heimsheim und Weil der Stadt/ Citystreifen werfen noch Fragen auf

Die einen sind zufrieden, von anderen gibt es Kritik: Sicherheitsfirmen sind in Heimsheim und Weil der Stadt im Einsatz. Was aber dürfen sie? (Stuttgarter Zeitung, 07.12.22)

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... d76fa.html

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon wolfi71 » Mi 7. Dez 2022, 23:50

Regelt sich die Befugnis der Kommunen nicht nach dem Polizeigesetz? Der Einsatz einer privaten Firma ist da eher nicht vorgesehen. Was aber ginge wäre ein Zweckverband, den die Kommunen zu dem Zweck gründen und dessen Mitarbeiter tätig werden. Die gelten dann als Mitarbeiter der Gemeinde.

Ich meine mich zu erinnern, dass im LK Karlaruhe das ähnlich abläuft. Die kontrollieren auch die Grillplätze, selbst erlebt in Karlsbad. Da steht aber was dazu in der Nutzungsgenehmigung

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Mi 14. Dez 2022, 22:39

Im Norden (Schleswig-Holstein) zeigt die GdP in Sachen private Citystreifen ("public private security") derzeit klare Kante. Im GdP-Landesbezirk Baden-Württemberg scheint der diesbezügliche Befugniswildwuchs der privaten City-Streifen im Enzkreis nach wie vor kein Thema zu sein.

Ein rechtsstaatlicher Irrweg/ GdP Schleswig-Holstein zur privaten Citystreife in Neumünster

Kiel/Neumünster. Der Geschäftsführende Landesvorstand der GdP Schleswig-Holstein befasste sich in dieser Woche mit einer befremdenden Idee zur Steigerung der Sicherheit in der Neumünsteraner Innenstadt. Eine Medienberichterstattung zur Sicherheit in der Neumünsteraner Innenstadt machte dies notwendig. (GdP Schleswig-Holstein, 14.12.22)

https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/de_gd ... eumuenster

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon schutzmann_schneidig » Fr 16. Dez 2022, 17:50

Leider bleibt die GdP hier die Angabe schuldig, welche konkreten Aufgaben von dieser "City-Streife" wahrgenommen werden sollen.
Eine Bewertung insbesondere der rechtlichen Zulässigkeit ist so nicht möglich.
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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Sa 17. Dez 2022, 11:45

@schutzmann_schneidig

Diese Feststellung ist vollkommen richtig. Was mir hierbei noch auffällt:

So wie in vorausgegangenen Pressemeldungen beschrieben soll die private City-Streife in Neumünster ein reiner Präsenzdienst sein. Die City-Streife soll in der Innenstadt von Neumünster die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen erhöhen und sich nicht mit Ordnungsverstößen beschäftigen bzw. diese feststellen, getreu dem Motto: "beobachten, erkennen und melden" (z. B. an die Polizei). Deshalb wurden und werden diesbezüglich auch keine (möglichen) Befugnisse diskutiert, weil klar ist das hierbei höchstens Jedermannsrecht zu Anwendung kommen kann.

In Heimsheim (Enzkreis, Baden-Württemberg) hat die Stadtverwaltung im Frühjahr 2022, auf Grundlage eines Sitzungsbeschlusses der Stadtverordneten, der beauftragten privaten City-Streife hoheitliche Befugnisse zugesprochen um gezielt und systematisch Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Dazu sollen u. a. Personalien durch Firmenmitarbeiter festgestellt werden.

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... d61b8.html

Ich meine, es steht (rechtlich) weder einem Gremium (Stadtverordneten) noch der Stadtverwaltung/ dem städtischen Hauptamt zu per Dienstleistungsvertrag "Privaten" Befugnisse zu übertragen, welche über die Jedermannsrechte hinaus gehen; zudem ist hierbei Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz sehr eng auszulegen. Laut dem Hauptamt der Stadt Heimsheim hat diesbezüglich auch keine "Beleihung" stattgefunden.

Eine mögliche Kritik der GdP im Landesbezirk Baden-Württemberg könnte i. Z. m. der privaten City-Streife in Heimsheim (und auch in Weil der Stadt, auch dort führt die genannte Sicherheitsfirma Personalienfeststellungen durch und stellt OWI's fest, s. u.) zielgerichteter und präziser ausfallen.

Vor einigen Jahren ließ der damalige GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow verlauten, dass die Gewerkschaft intervenieren würde wenn sich die Sicherheitswirtschaft hoheitlichen Befugnisse anmaßen und dadurch das staatliche Gewaltmonopol gefährden würde.

In Bezug auf die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (sog. "public private security") in einigen Enzkreis-Kommunen darf man diesbezüglich nun fragen:

Auf was wartet die GdP noch?

Weil der Stadt/ Die City-Streife wird wieder patrouillieren (Leonberger Kreiszeitung, 05.12.22)

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... bfa67.html

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Sa 17. Dez 2022, 18:55

Top-Aktuell: In Norddeutschland ist u. a. auch die DPolG, die Landespolizei Schleswig-Holstein und die CDU gegen private City-Streifen:

Privater Wachdienst patrouilliert in Neumünster: Auch ein Modell für Lübeck?

Neumünster/Kiel. Neumünsters SPD-Oberbürgermeister Tobias Bergmann will die Schwale-Stadt sicherer machen. Ein privater Sicherheitsdienst, die „City-Streife“, patrouilliert abends über den Weihnachtsmarkt und durch die umliegenden Straßen.
Die Gastwirte der Stadt würden das begrüßen, sagt Bergmann. Ansonsten aber erntet der Verwaltungschef im Land massive Kritik für sein Vorgehen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft DPolG etwa spricht von „grobem Unfug“ ohne jeden Sicherheitsgewinn.

Polizei zerschlug 40-köpfige Räuberbande

Im August war es in Neumünster tatsächlich zu einer Häufung von Raubdelikten und Diebstählen durch eine Gruppe von rund 40 Straßenkriminellen gekommen. Die Polizei erklärte die Innenstadt zu einem „gefährlichen Ort“, verstärkte ihre Kontrollen und zerschlug die Gruppe schließlich. Die Anordnung des „gefährlichen Ortes“ wurde wieder zurückgenommen.
Die Stadt-CDU wollte die Innenstadt fortan videoüberwachen und das Personal des Kommunalen Ordnungsdienstes aufstocken. Das lehnte eine Mehrheit unter Führung von SPD und Grünen ab, auch Bergmann. Die Lage habe sich wieder beruhigt, hieß es.

Sicherheitsleute sollen auch mit Hunden kommen

Jetzt die Kehrtwende. Er wolle mit der City-Streife „neben der Polizei-Präsenz und dem Einsatz des Kommunalen Ordnungsdienstes die Sicherheit in unserer Stadt weiter stärken“, sagt Bergmann. Bei Bedarf würde die Wache Hunde dabei haben. Gastronomen können sogar eine Begleitung für ihre Gäste zum Bus, Taxi oder Auto ordern.
Dass Menschen überhaupt auf den Gedanken kommen, dass das notwendig sein könnte, zeige, dass es noch deutlich mehr Polizisten geben müsste, sagt DPolG-Chef Torsten Gronau.

GdP: Die Polizei ist für die Sicherheit zuständig

Das sieht man bei der Polizeigewerkschaft GdP genau so. Sicherheit zu gewährleisten sei eine hochprofessionelle staatliche Aufgabe, für die es gut ausgebildeter Polizistinnen und Polizisten bedürfe, sagt GdP-Chef Torsten Jäger. „Alles andere wäre ein rechtsstaatlicher Irrweg und keinesfalls ein Sicherheitsgewinn.“ Und die Arbeit der Polizei und des kommunalen Ordnungsdienstes seien in Neumünster ja offenbar erfolgreich gewesen.
Beim Handelsverband Nord verlässt man sich auf solche Urteile. Zwar stünde der Wunsch nach Sicherheit beim Einkaufen immer ganz weit oben, wenn man Konsumenten befrage. Wie diese Sicherheit am besten gewährleistet werden könne, „darüber müssen aber die Fachleute beraten und entscheiden“, sagt Sprecherin Mareike Petersen.

Lübeck Management: Privater Wachdienst überflüssig

In Lübeck sei ein zusätzlicher privater Wachdienst völlig überflüssig, sagt Olivia Kempke vom Lübeck Management. „Wir haben einen sehr gut ausgestatteten kommunalen Ordnungsdienst.“ Der sei extra aufgestockt worden und in der Innenstadt sehr präsent. Man könne kaum die Straße auf oder ab gehen, ohne einen seiner Mitarbeiter zu treffen. Die Kaufleute würden mit ihm in engem Austausch stehen.
„Die öffentlich gewidmeten Flächen werden in der Hansestadt durch den Kommunalen Ordnungsdienst in guter Kooperation mit der Polizei bestreift“, bestätigt Lübecks SPD-Bürgermeister Jan Lindenau. Man habe den Ordnungsdienst tatsächlich kontinuierlich ausgebaut, „weil wir feststellen müssen, dass die Landespolizei grundsätzlich personell unzureichend ausgestattet ist“.

Landespolizei gegen „City-Streife“

Allerdings lehnt man auch im Landespolizeiamt Bergmanns Initiative ab. Die Gefahrenabwehr, die vorbeugende Bekämpfung und die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten seien Aufgaben der Polizei, sagt Sprecher Dennis Schneider. Und diese Aufgaben könne sie auch wahrnehmen. Damit entbehre der Einsatz privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum jeder Grundlage.

CDU ist sauer: „Ein starkes Stück“

Im Landtag klingt das nicht viel anders. Die Initiative Bergmanns sei „schon ein starkes Stück“, sagt der CDU-Abgeordnete Tim Brockmann. Erst werde der CDU-Antrag zur Stärkung des Kommunalen Ordnungsdienstes abgelehnt, um sich danach eines privaten Wachdienstes zu bedienen. Die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum sei aber zentrale Aufgabe des Staates. „Eine Privatisierung kann und darf es nicht geben.“

Selbst die Nord-SPD rückt von Bergmann ab

Man sei „grundsätzlich gegen den Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten“, sagt auch der Grüne Jan Kürschner. „Ich halte nichts davon, private Sicherheitsdienste auf den Straßen der Innenstädte patrouillieren zu lassen“, erklärt FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Wenn es nach wie vor Sicherheitsprobleme in der Innenstadt geben sollte, müsse Neumünsters OB dringend mit der Innenministerin sprechen, um das Problem gemeinsam zu lösen.
Nicht einmal von Bergmanns SPD kommt Unterstützung. „Private Sicherheitsdienste können und dürfen kein Ersatz für ausreichende Polizeipräsenz sein“, sagt deren Abgeordneter Niclas Dürbrook. Und für die müsse die schwarz-grüne Landesregierung sorgen. „Ich wünsche mir nicht, dass weitere Städte auf eine private Lösung setzen müssen.“
(Artikel zeitlich begrenzt frei lesbar, Lübecker Nachrichten, 17.12.22)

https://www.ln-online.de/der-norden/sic ... PN4HA.html

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Old Bill » So 18. Dez 2022, 08:28

Offenbar haben gewisse politische Strömungen mehr vertrauen zu Privatunternehmen, die Mindestlohn zahlen als zu staatlichen oder kommunalen Einrichtungen die Fachpersonal zur Verfügung stellen…
Der Horizont vieler Menschen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Das nennen sie dann ihren Standpunkt.

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Re: Artikel: "Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife"

Beitragvon Route66 » Do 16. Feb 2023, 20:07

Es gibt aktuelle Nachrichten zu den privaten City-Streifen (public private security) in Heimsheim und Weil der Stadt. Zu Befugnissen wird Stellung genommen:

Sicherheitsfirma in Heimsheim/ Die Citystreife wird weiter patrouillieren (Stuttgarter Zeitung, 16.02.23)

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... 8ff90.html


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