Erfahrungsbericht Auswahlverfahren Sachsen

Auswahlverfahren und Ausbildung
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Jimmy Recard
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Erfahrungsbericht Auswahlverfahren Sachsen

Beitragvon Jimmy Recard » Mo 14. Okt 2019, 12:19

Da ich in diesem Unterforum noch nichts der Art gelesen habe, will ich hier mal meine Erfahrung vom Auswahlverfahren niederschreiben. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen.

Angefangen hat das ganze mit einer Email, nachdem ich die Formulare der Onlinebewerbung ausgefüllt und abgeschickt hatte. Man freute sich scheinbar, dass ich mich bewerbe. Tolle Sache. :polizei2:
Ein paar Tage später kam dann die Einladung zum ersten Auswahltag. Die beinhaltete einen Link, auf dem ich mir einen Termin aussuchen durfte. Sehr praktisch. Zu meinem Entsetzen musste ich aber feststellen, dass alle Termine auf 8 Uhr morgens angesetzt waren. Aber wenn alles gut laufen würde, wäre das ja nicht das einzige Mal, an dem ich mit meiner innerer Uhr rangeln müsse, dachte ich mir.

Tag 1

4.00 Uhr morgens. Noch kräht kein Hahn - unter anderem auch, weil ich nicht auf dem Land wohne. Weit genug von Leipzig aber sehr wohl, weswegen ich mich wenig später schon in der Bahn befinde. Eine Unterkunft für Bewerber bietet die Polizei in Leipzig meines Wissens nicht, man muss das mit der Übernachtung also selber regeln oder früh genug anfahren.
Bald ist es dann aber so weit und nach einer nervösen Zugfahrt sitze ich mit gut einem Dutzend Mitbewerbern vor jeweils einem Computer. Der Prüfer ist nett. Er weist uns kurz ein und dann geht es schon los. Der erste Teil: Das Diktat. Die Stimme aus meinen Kopfhörer spricht langsam, ich habe also genug Zeit alles einzutippen. Mein Nebensitzer hämmert teilweise ziemlich in die Tasten. Der ist wohl so nervös wie ich oder vielleicht hat er eine unterschwellige Abneigung gegen Buchstaben.
Die diktierten Wörter waren zwar nicht sehr schwierig, bei der Zeichensetzung war ich aber sehr froh, dass die Computerstimme den Text ein zweites und sogar ein drittes Mal wiederholte und, dass genug Zeit zum Korrigieren blieb.
Daraufhin lehne ich mich erstmal zurück und mache mich mental bereit für die nächste Aufgabe, denn die Zeit darf man sich zwischen den Aufgabenblöcken nehmen. Lediglich die Aufgaben selbst sind einem Zeitlimit unterworfen.
Der zweite Teil: Logikaufgaben. Die Aufgaben bestehen aus einigen Aussagen, à la A>B und B<C, usw. Letzten Endes muss eine logische Verknüpfung gemacht werden, z.B. welches X ist am Größten. Die Zeit ist hier knapp bemessen und ich muss mich mich teils mit vorzeitigen Schlussfolgerungen begnügen. Laut der Anzeige am Bildschirmrand rechne ich mir genau aus, wie viele Minuten mir pro Aufgabe bleiben.
Die Aufgaben selbst sind aber nicht kompliziert, glücklicherweise, weswegen sich da niemand einen Kopf machen sollte. Lediglich die Hälfte der Aufgaben muss für das Bestehen richtig beantwortet werden.
Weiter geht es mit Teil Drei: Ein Persönlichkeitstest! Ungewöhnlich, denn darauf habe ich mich nicht vorbereitet. Tatsächlich war meine Persönlichkeit in den letzten Jahren recht unverändert aber ich hoffe, dass sie sich dennoch als PDT entpuppt. :polizei2:
Der Persönlichkeitstest besteht aus einem ganzen Batzen Fragen, doch letzten Endes spielt er nicht in die Bewertung mit ein. Wie er sonst weiterverarbeitet wird, weiß ich nicht, aber zur Abwechslung einen Test zu machen, bei dem man scheinbar nicht durchfliegen kann, kommt mir gelegen.
Teil Vier widmet sich dem Gedächtnis. Dem Kurzzeitgedächtnis, um genau zu sein. Muster werden abgebildet und sollen daraufhin wiedergegeben werden. Was anfangs noch einfach ist, bedarf bei den letzten Wiederholungen aufgrund der Anzahl der verschiedenen Muster einer extra Portion Hirnschmalz. Zum ersten Mal während des Auswahlverfahrens fühle ich mich ein bisschen überfordert. Hier kommt es vor allem auf die Konzentration an. Grübelnd denke ich mir, dass ich mehr Kaffee hätte zu mir nehmen sollen.
Teil Fünf, oder auch der letzte Teil, sollte jedem bekannt vorkommen, der den freiwilligen Test gemacht hat. Es wird eine Situation aus dem Polizeialltag beschrieben, für die man eine handvoll verschiedene Möglichkeiten hat, sie zu bewältigen. Diese sollen von angebracht bis unpassend sortiert werden.

Nachdem ich den Test beendet habe, setze ich mich zu meinen Mitbewerbern vor das Gebäude. Wir genießen die Sonne und die gegenseitige Aufgeregtheit - ihr wisst vielleicht noch, so wie das damals auch nach den Klassenarbeiten immer war. Es dauert nicht lange, da ruft uns der Prüfer auch schon wieder herein. Er liest die Namen derer vor, in nicht-alphabetischer Reihenfolge, die den Computertest erfolgreich bestanden haben. Mein Name ist auch dabei, was mich sehr freut.
Für zwei von uns ist hier leider schon Schluss. Der Rest zieht weiter Richtung Sporthalle.

Zum Sporttest will ich nicht zu viele Worte verlieren. Die Polizei Sachsen hat ein Video auf ihrem Youtube-Kanal, das genau zeigt, was auf einem zukommt. Genau so, wie dort gezeigt, spielt es sich auch bei uns ab. Nach dem Aufwärmen sind wir, einer nach dem anderen, an der Reihe. Der Rest feuert an. Trotz des Teamgeistes schaffen leider drei Leute ihre Liegestützen nicht. Für die ist zwar vorerst Schluss, aber sie bekommen die Chance, zu einem anderen Termin im noch laufenden Auswahl-Jahr die Sporteignungsprüfung zu wiederholen.
Nun ist sprichwörtlich Endspurt angesagt. 2400m müssen unter 12 Minuten gelaufen werden... Ich habe ihn vermisst, den Cooper-Test.
Diesen letzten Teil bestehen wir alle und wenig später schon finden uns in der sogenannten "Bewerber-Lounge" wieder. Es folgt ein persönliches Abschlussgespräch, wir bekommen jeweils unsere aktuelle Punktetendenz und dürfen Fragen stellen, so viel wir wollen. Damit ist Tag 1 beendet.

Tag 2

Am Freitag in der gleichen Woche erhalte ich endlich die Email für die Anmeldung zum zweiten Auswahltag. Alles erfolgt nach bekanntem Schema, der nächste freie Termin liegt aber erst gut einen Monat später. Wieder Leipzig, wieder 8 Uhr, diesmal aber mit mehr Dokumenten, die wir mitbringen müssen. Die Gruppe ist diesmal kleiner, was aber im Sinne des Gruppengesprächs ist und auch zahlenmäßig passt, wenn man bedenkt wie viele Leute es bis hierher geschafft haben.
Damit beginnt das Verfahren auch. Vier verschiedene Prüfer stellen sich uns vor, ihre Aufgabe ist es, uns beim Gespräch zu beobachten und zu bewerten. Wir sitzen unterdessen an einem separaten Tisch. Unsere Aufgabe besteht in einem recht komplexen Sachverhalt, für den uns aber ein Dutzend Lösungsansätze gegeben werden. Jeder sucht für sich die besten Lösungsansätze heraus und macht sich einige Gedanken dazu, welche Argumente für die eigene Wahl sprechen. Dann soll diskutiert werden bis wir uns auf ein paar gemeinsame Lösungsansätze geeinigt haben - allerdings auf Zeit.
Dies gelingt uns recht gut. Schließlich wird hier weniger Augenmerk auf fachliche, sondern mehr auf soziale Kompetenz gelegt. Die Prüfer machen währenddessen unentwegt Notizen, aber wir sind so vertieft in unsere Diskussion, dass das uns nach der ersten Minute gar nicht mehr auffiel. Jeder kommt zu Wort, alle respektieren die Meinung ihrer Mitbewerber, und vor Ablauf der Zeit gelingt uns tatsächlich ein Kompromiss.
Dann heißt es wieder Warten, aber nur kurz, und bald tritt einer der Prüfer vor die Tür um uns hereinzubeten, wo wir darüber informiert werden, dass wir alle bestanden haben. Das richtige Warten beginnt erst jetzt. Einzelgespräche. Manche kommen schon nach einer halben Stunde dran, andere verbringen eine ganze Stunde unruhig in der Bewerberlounge. Was nicht hilft, ist dass die Mitbewerber allesamt sehr unschlüssig aus den Gesprächen wiederkehren. Keiner ist sich so wirklich sicher, ob es jetzt gut oder schlecht lief.
Das Einzelgespräch verläuft ähnlich wie ein Bewerbungsgespräch - außer, dass die Fragen alle aus einem festgelegtem Fragenkatalog stammen und der Prüfer kein unmittelbares Feedback gibt. Man stellt sich vor, erzählt von seiner Motivation, zur Polizei zu gehen, beantwortet Fragen, wie man bestimmte Situationen in seiner Vergangenheit bewältigt hat. Es werden ebenso Situationen aus dem Polizeialltag genannt, für die man Schritt für Schritt erklären soll, wie man hier vorgehen würde. Alles machbar, aber ich kann verstehen, woher die Ungewissheit meiner Mitbewerber stammt, da die Art der Gesprächsführung sehr einseitig ist.
Daraufhin heißt es nochmal warten - wirklich, nehmt euch was zum Lesen mit - bis man sich wieder mit dem Prüfer oder der Prüferin zusammensetzt, von der man die Auswertung bekommt. Die Gelegenheit bietet sich, genau zu erfahren, was gut und was schlecht lief. In meinem Fall lief wohl mehr gut als schlecht. Wie genau meine endgültige Punktzahl aussieht, werde ich gleich erfahren... aber davor, nochmal ein bisschen Herumsitzen und Däumchen drehen.

Ähnlich wie am ersten Auswahltag wird mir im Abschlussgespräch eine Punktzahl genannt, allerdings wird die sich jetzt nicht mehr verändern und legt meinen späteren Platz auf der Rangliste fest. Der Prüfer erklärt, wo die Punktegrenze für die Einstellung der letzten Jahre verlief (bei 111 Punkten für den gD), betont aber nochmals, dass eine höhere persönliche Punktzahl keine Garantie bedeutet, eingestellt zu werden. Der Grenzwert kann sich schließlich noch ändern.
Ende des zweiten Auswahltages. Nun muss ich nur noch die polizeiärztliche Untersuchung überstehen.

Tag 3

Der polizeiärztliche Untersuchung findet wahlweise in Chemnitz oder wieder in Leipzig statt. Bei mir ist es knapp einen Monat nach dem zweiten Auswahlverfahren so weit, die letzte Etappe steht an. Und um das einfach vorweg zu nehmen, die Leute dort sind wirklich sehr nett. :polizei1:
Zuerst wird mir Blut abgenommen, und ich muss eine Urinprobe abgeben. Kein Problem, der morgendliche Kaffee schwabbert noch irgendwie durchs System und wirkt dementsprechend motivierend. Im Anschluss wird ein EKG durchgeführt. Ich bin dann etwas überrascht, als mir danach erklärt wird, dass wir jetzt kein Belastungs-EKG machen. Scheinbar gehört das neuerdings nicht mehr zur Untersuchung dazu. Enttäuscht denke ich an die Sportkleidung, die ich mitgebracht habe. Dabei hätte ich doch so gerne bei minütlich steigender Wattzahl gestrampelt. Aber sei es drum.
Der nächste Test gilt meinen Augen. Ein sogenannter Landolt-Sehtest, sowohl im Hellen, als auch im Dunklen. Letzteres bedarf Konzentration, besonders als noch zusätzlich das Abblendlicht eingeschalten wird, um etwa entgegenkommende Autoscheinwerfer zu simulieren. Einmal urteile ich zu rasch und die Ärztin fragt mich, ob ich mir da sicher sei. Tatsächlich bin ich mir da nicht sicher.
Gleich danach werden die Ohren auf Taub- entschuldige -Tauglichkeit geprüft. Mit rasantem Tempo rattert die Dame durch die Frequenzen und regelt diese individuell lauter, bis ich über einen Drücker aus meiner schalldichten Kammer Bescheid gebe, dass ich den jeweiligen Ton auch gehört habe. Und wenn ich lauter sage, dann meine ich etwas weniger leise, es sollte also nicht auf den Ohren weh tun.
Zu guter letzt gehen wir meine Unterlagen durch, die ich schon zum Termin ausgefüllt mitbringen musste. Krankheitsgeschichte etc. Der Arzt klopft mich am ganzen Körper ab, lässt mich Husten, auf den Zehenspitzen und den Fersen stehen, drückt mir auf dem Bauch herum und hört mich mit dem Stethoskop ab. Dann soll ich noch eine Rumpfbeuge machen und ich bin plötzlich dankbar, im Monat davor, nach jahrelanger Vernachlässigung diesbezüglich, Dehnungsübungen gemacht zu haben. Was soll ich sagen, da war ich noch nie Fan vom Dehnen. Bis zum Boden reicht es aber. Der Arzt checkt währenddessen, ob mein Becken und meine Wirbelsäule gerade sind, zumindest glaube ich das, mit meinem limitierten medizinischen Wissen.
Damit ist die Untersuchung beendet. (Meine Unterhose durfte ich übrigens die ganze Zeit anlassen.) Man bestätigt mir die Diensttauglichkeit, natürlich unter Vorbehalt des ausstehenden Laborbefundes meines Blutes, welcher am Ende der Woche bereits zur Verfügung steht.

Mein Auswahlverfahren hat damit ganze zwei Monate gedauert. Ein Lob auf jeden Fall an das Bewerbungsteam und den ärztlichen Dienst, allesamt freundliche Leute. Die Terminbuchung ist auch sehr komfortabel geregelt. Ich hoffe, der ein oder andere Bewerber findet meinen Erfahrungsbericht hilfreich, interessant oder gut um die Nerven zu beruhigen. Wenn diese Socke hier das schaffen kann, dann schafft ihr das auch. :polizei2:

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