Als fertiger Wachtmeister kann man schließlich auch entscheiden: Laufen, Schwimmen, Radeln.
Lehrjahre sind keine Herrenjahre. In der Ausbildung (in der die Grundlagen für ein ganzes Berufsleben gelegt werden) müssen nunmal andere (Sport-)Leistungen erbracht werden als später im "normalen" Dienst.
Überall ließt man von den fertigen Kollegen, wie scheiße wir doch wären. Dem ist sicher nicht so.
Du liest wohl etwas selektiv. Ich erlebe die Sache wie folgt: es gibt unter den Anwärtern Überflieger, gute Leute, einige, die etwas Hilfestellung benötigen und auch etliche Totalausfälle. Gauss'sche Normalverteilungskurve und so. Was ich (und zwar beileibe nicht als einziger) an der Angelegenheit kritisiere, sind schlicht und einfach folgende Punkte:
- durch abgesenkte Einstellungsstandards wird der (zu allen Zeiten vorhandene) Anteil derer, die eigentlich nicht geeignet sind und im Grunde eine Fehlbesetzung darstellen, erhöht
- aufgrund der Ausrichtung auf ein pseudoakademisches Alibistudium und der Verabschiedung von bewährten Methoden der polizeilichen Grundausbildung (kasernierte Unterbringung, drillmäßige Ausbildung im Rahmen von geschlossenen Einheiten, Einordnung in eine klare Hierarchie, Konfrontierung der Anwärter mit unangenehmen Bedingungen) entsteht bei manchen Anwärtern die Vorstellung, Polizei sei eine spaßige Wünsch-dir-was-Veranstaltung
- da diejenigen Ausbilder, die durch entsprechende Gestaltung ihrer Ausbildungsveranstaltungen eine entsprechende polizeiliche Sozialisierung fördern wollen, ausgebremst werden, fehlt das Korrektiv, das früher dafür gesorgt hat, daß "Wackelkandidaten" (die es wie gesagt immer gegeben hat und auch weiterhin geben wird) in ihrem eigenen Interesse mit fester Hand in geordnete Bahnen gesteuert werden
Und das ist die tatsächliche Krux an der ganzen Geschichte. Wer zumindest mal einige Monate 24/7 in der Gesellschaft seiner Kollegen zugebracht hat, als Teil der Gruppe für den Erfolg derselben gegenüber den Ausbildern verantwortlich war, sich mit seinen Mitstreitern immer wieder durch Unbilden (auch und gerade körperlicher Natur) hindurchkämpfen mußte und für Regelverstöße mit klaren, sofortigen Sanktionen (wiederum: auch gerne physische) belohnt wurde, der hat es wesentlich einfacher, sich anschließend in die große Hierarchie der Polizei korrekt (nämlich am untersten Ende) einzuordnen und entsprechend zu benehmen.
Es gibt Leute, die von Anfang an hinreichendes Taktgefühl, Selbsteinschätzung und soziales Gespür haben, um das von alleine hinzukriegen. Und es gibt auch welche, die trotz sinkender Einstellungshürden und Sportprüfungsanforderungen aus eigenem Antrieb dafür sorgen, daß sie für die körperlichen Anforderungen des Berufs gerüstet sind. Ob du dazugehörst, kann ich von hier aus nicht beurteilen und es betrifft mich auch gar nicht. Aber diejenigen, die das nicht können, werden heute nicht mehr mitgenommen, eingenordet und auf den richtigen Weg geschleust.
Du willst das jetzt nicht hören, und ich erinnere mich deutlich daran, daß ich die Dinge gar nicht soviel anders gesehen habe, als ich in deinem Alter war. Ich bin damals direkt nach dem Abi mit 19 Jahren in die Uniform geschlüpft... ich war völlig grün, noch lange nicht trocken hinter den Ohren, aber fest davon überzeugt, daß die Welt mir gehört.
Ja, ich habe das damals gehaßt... frühmorgens antreten, als Zugdienst für jeden einzelnen Fehler deines Zugs den fälligen Einlauf kassieren, ständig angeraunzt zu werden, wenn der Schuhputz nicht stimmte, die Uniformjacke offen war oder ich meinen Block mal eine Minute ohne Kopfbedeckung verlassen hatte. Die Liegestütze, wenn wir Mist gebaut hatten, der Stubendurchgang mit den auf A4 gefalteten Hemden... das war für mich, der ich direkt von der Schule kam und keinen Wehrdienst geleistet hatte, alles völlig neu und ich mochte es zuerst gar nicht.
Ich hatte einen Heidenrespekt vor meinen Ausbildern... nicht weil es solche beeindruckenden Übermenschen gewesen wären, sondern weil Fehler und Unachtsamkeiten nicht mit einer schlechten Note, sondern mit einer sofortigen und deutlichen Einschränkung des persönlichen Wohlbefindens quittiert wurden - sei es nun mit einer weiteren Runde Waldlauf oder mit einem Referat oder ähnlichen Aufgabe, bei der man vor dem ganzen Zug alleine für seine Sünden geradestehen mußte.
Im Nachhinein betrachtet hat es mir - und vielen anderen Kollegen - aber sehr gutgetan. Für mich war es damals das Beste, was mir passieren konnte, und es hat mir viele Dinge in meinem späteren Berufsleben erleichtert. Und ich sehe immer wieder junge Leute unter unseren Nachwuchskräften, die eine Dosis dieser Medizin eigentlich mehr als dringend benötigen.
Aber heute, wo bei jedem Gruppenanschiß sofort jemand "Kollektivbestrafung" brüllt, wo bei jedem Liegestütz haarklein zu begründen ist, warum das zum Aufwärmen nötig ist, in einer Welt, in der dem Anwärter vermittelt wird, daß er eine wunderschöne, einzigartige, auf eine glänzende akademische Karriere wartende Blume ist, und in der kein Ausbilder soviel Macht und Einfluß hat wie die Jugendauszubildendenvertretung hat, ist das anscheinend weder gewünscht noch möglich.
Und damit hat sich die gesamte Behörde einen miserablen Bärendienst erwiesen.