http://www.ndr.de/nachrichten/niedersac ... ay136.html
Ich persönlich finde empfinde diesen Vorstoß als absolut schwachsinnig. Was bringt es, auf das Milligramm genau die Masse des in einem Einsatz versprühten Pfeffersprays zu ermitteln?Polizei, Pfefferspray und Präzisionswaagen
Bei Niedersachsens Polizei spielen Präzisionswaagen künftig eine wichtige Rolle: Gewogen wird der Verbrauch von Pfefferspray. Der Grund: In Zukunft will man genau wissen, wie viel von diesem Reizstoff bei Einsätzen auf mutmaßlich widerspenstige Demonstranten niedergegangen ist.
Die Angelegenheit hat einen ernsten Hintergrund: Im Juni kam es in Göttingen bei einer Demonstration gegen Rechtsextremisten zu einem Einsatz von Pfefferspray. Dabei war auch Landtagsvizepräsidentin Gabriele Andretta (SPD) mit dem Reizstoff in Berührung gekommen und verletzt worden. Pfefferspray reizt die Augen und Schleimhäute. Die Angelegenheit ist in der Regel zwar ungefährlich, aber doch ziemlich schmerzhaft. Seitdem wird in Niedersachsen über die Frage diskutiert, wie der Einsatz des Reizstoffes besser dokumentiert werden kann.
Zum Einsatz kommen bei Niedersachsens Bereitschaftspolizei Pfefferspray-Geräte des Typs "RSG8" - das bedeutet "Reizstoffsprühgerät 8". Versprüht wird es aus Geräten, die einem kleinen Feuerlöscher ähneln und die rund 400 Milliliter fassen, also etwa einen halben Liter. Der Hersteller rühmt sich mit "höchster Sprühleistung und Reichweite".
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen, Dietmar Schilff, sagte, er persönlich sei kein Freund dieser Entscheidung. Aus Gesprächen mit Personalräten und Gewerkschaftsmitgliedern habe er aber erfahren, dass es in der Praxis mit diesem "Wiegebeschluss" keine Probleme gebe.
Einen anderen Akzent setzt Alexander Zimbehl, stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Er sieht politische Implikationen: "Das ist das Ergebnis des ständigen Misstrauens der Landesregierung, insbesondere der Grünen, gegenüber der Polizei", sagt Zimbehl. Die Polizeiführung, so der DPolG-Vize, könne gar nicht anders, als solche Maßnahmen zum Schutze der Kollegen umzusetzen.
Der Erkenntnisgewinn aus einer solchen Erfassung dürfte sich allerdings juristisch in Grenzen halten: Denn nicht die Menge des versprühten Pfeffersprays entscheidet über die Rechtmäßigkeit der Anwendung des Pfeffersprays, sondern die konkrete Art des Einsatzes vor Ort.
Sicher ist: Der Verwaltungsaufwand und die bürokratische Arbeitsbelastung für die Beamten wird größer. Schließlich müssen alle Flaschen vor und nach dem Einsatz gewogen, die Daten erfasst und einzelnen Beamten zugeordnet werden. Mancher in der Polizeiorganisation wird sich bedanken - schließlich ächzt die Behörde in Niedersachsen seit Monaten unter dem Mehraufwand, die eine geänderte Bedrohungslage und der bürokratische Aufwand des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Landtag mit sich bringen.
In der Polizeidirektion Göttingen ist die Entscheidung, die Pfefferspray-Flaschen vor und nach dem Einsatz zu wiegen, bereits seit Juni gültige Erlasslage. Auch in anderen Direktionen wird das Modell bereits seit Längerem in Einzelfällen praktiziert. Mit eindeutiger Wirkung, wie Polizeiführer im vertraulichen Gespräch berichten: Seit die Flaschen gewogen werden, ist der Verbrauch von Reizstoffen dort rückläufig. Bürokratie sorgt offenbar für Mäßigung beim Pfefferspray-Gebrauch.
Nicht ganz ausgegoren scheint das Konzept allerdings hinsichtlich der zu erwartenden Kosten: Die Polizeivizepräsidenten fordern in ihrem Beschluss "geeichte Waagen". Die Polizeidirektion Braunschweig hat nach NDR Informationen ein Gerät für wohl rund 500 Euro im Auge. Woanders sind solch gepfefferte Preise tabu, dort kommt man mit einem Zehntel dieser Summe aus.
Dieses Wissen sorgt auch nicht dafür, über die Rechtmäßigkeit eines RSG-Einsatzes an sich zu urteilen.