Mir persönlich war die o.g. Regelung nicht bekannt. In welcher Bestimmung ist geregelt, dass bei einer Identifizierung (durch Zeugen) die Fotos von 8 verschiedenen Menschen vorgelegt werden muss? Danke.FRIEDRICHSHAFEN
Filmreife Verfolgungsjagd mit Polizei bleibt ohne Konsequenzen
Die filmreife Verfolgungsjagd, die sich der Fahrer eines hochmotorisierten Mercedes-Benz AMG am Abend des 14. April 2021 zwischen Friedrichshafen und Horgenzell-Zogenweiler mit der Polizei geliefert hat, bleibt für selbigen wohl ohne strafrechtliche Konsequenzen.
Obwohl der Sportwagen zum Teil doppelt so schnell unterwegs war wie erlaubt, mehrfach andere Verkehrsteilnehmer massiv gefährdet hat und zwei Streifenwagen der Polizei durch Unfälle beschädigt wurden. Aufgrund der PS-Überlegenheit seines Autos hatte der AMG-Fahrer seine Verfolger nach 28 Kilometern abgehängt.
Angeklagter stimmt Geldauflage zu
Das Verfahren gegen einen 29-Jährigen, den die Polizei damals nach eigener Einschätzung „zweifelsfrei“ als Fahrer identifiziert hatte – so stand es im Polizeibericht – ist am Dienstag am Amtsgericht Tettnang gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden.
Weil sich die Polizei damals offenbar so sicher war, den Richtigen erwischt zu haben, dass sie bei seiner Identifizierung Verfahrensfehler begangen hat. Einen anderen Verdächtigen gibt es nicht, das Fahrzeug ist seit jener Nacht verschollen.
AMG war auf die Schwester zugelassen
Zugelassen war der Sportwagen auf die Schwester des Mannes, der sich nun vor Gericht verantworten musste. Weil dieser im Häfler Polizeirevier bestens bekannt und neben Diebstahl, Sachbeschädigung, Waffenbesitz und Sachbeschädigung auch mehrfach durch zu schnelles Fahren und unzulässiges Fahrzeugtuning aufgefallen war, fiel der Verdacht in jener Nacht schnell auf ihn.
Eine Beamtin und zwei Beamte, die an der Verfolgung beteiligt waren, hatten damals, ganz zu Beginn der Verfolgungsjagd in der Albrechtstraße in Friedrichshafen, kurz Sichtkontakt mit dem Fahrer des AMG. Nach der Rückkehr aufs Revier identifizierten sie diesen anhand von Fotos, die ihnen ihr Dienstgruppenleiter vorgelegt hatte.
Identifizierung anhand von Fotos
Das Problem: Ihnen wurden lediglich Fotos des Verdächtigen gezeigt. Für die Identifizierung eines Straftäters durch Zeugen ist aber eine so genannte Wahllichtbildvorlage erforderlich. Das heißt, dass Fotos von acht verschiedenen Menschen vorgelegt werden und ein Zeuge dann zu jedem Foto gesondert feststellt, ob darauf der Täter zu sehen ist oder nicht.
Hinzu kam in diesem Fall, dass der Verdächtige zwar polizeibekannt war, aber keinem der an der Verfolgungsjagd beteiligten Beamten persönlich. „Was da abging, ist eine Schweinerei. Das geht gar nicht“, polterte Verteidiger Gerd Pokrop am Dienstag im Gerichtssaal – und erhielt vonseiten der Staatsanwaltschaft keinen echten Widerspruch, lediglich den zaghaften Hinweis, dass es ja auch noch andere Indizien gebe, die für den Angeklagten als Fahrer sprächen.
Freund will gegenüber Polizei gelogen haben
Da gab es zum Beispiel dessen Kumpel, der damals gegenüber einem ermittelnden Polizeibeamten ausgesagt hatte, dass sein Freund ihm höchstpersönlich verraten habe, dass er der Fahrer gewesen sei. Eine offizielle, unterschriebene Aussage war das zwar nicht, dennoch bestätigte der Kumpel diese auch vor Gericht. Allerdings mit dem Zusatz, dass er damals gelogen habe.
https://www.schwaebische.de/landkreis/b ... 62671.html
Wahllichtbildvorlage
Moderator: schutzmann_schneidig
-
- Deputy Inspector
- Beiträge: 5776
- Registriert: Mi 13. Sep 2006, 00:00
- Wohnort: Baden-Württemberg
Wahllichtbildvorlage
- Kaeptn_Chaos
- Deputy Inspector
- Beiträge: 27018
- Registriert: Di 22. Feb 2005, 00:00
- Wohnort: Tal der Verdammnis
Re: Wahllichtbildvorlage
Mir hat das mein IM schon 2006 ins Pflichtenheft geschrieben:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_tex ... n=N&menu=0
Genauso, wie wir uns seit den 2000ern nicht mehr den Geschädigten in die Karre setzen und mit ihm den Nahbereich nach Tatverdächtigen absuchen.
Dieser Anwalt
https://aktuell.breuer.legal/identifizi ... lage-4156/
verweist zudem auf einen BGH Entscheid aus 2011:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_tex ... n=N&menu=0
Genauso, wie wir uns seit den 2000ern nicht mehr den Geschädigten in die Karre setzen und mit ihm den Nahbereich nach Tatverdächtigen absuchen.
Dieser Anwalt
https://aktuell.breuer.legal/identifizi ... lage-4156/
verweist zudem auf einen BGH Entscheid aus 2011:
Bei der Wahllichtbildvorlage werden dem Zeugen acht Bilder vorgelegt, darunter das Bild des Verdächtigen, mit der Aufforderung, zu jedem Bild mitzuteilen, ob er den Täter wiedererkennt. Die Anzahl der Vergleichsbilder muss ausreichend groß sein, um das Risiko einer zufälligen Identifikation zu senken (BGH, Beschluss vom 09. November 2011 – 1 StR 524/11 –, juris Rn. 8).
Re: Wahllichtbildvorlage
"Genauso, wie wir uns seit den 2000ern nicht mehr den Geschädigten in die Karre setzen und mit ihm den Nahbereich nach Tatverdächtigen absuchen"
Ja, das ist so richtig, es gibt aber Möglichkeiten, wenn du mehr als einen Zeugen hast, zumindest haben wir das so gemacht bis zu meiner Pensionierung.
Ja, das ist so richtig, es gibt aber Möglichkeiten, wenn du mehr als einen Zeugen hast, zumindest haben wir das so gemacht bis zu meiner Pensionierung.
-
- Deputy Inspector
- Beiträge: 5776
- Registriert: Mi 13. Sep 2006, 00:00
- Wohnort: Baden-Württemberg
Re: Wahllichtbildvorlage
Danke für die Aufklärung.
Re: Wahllichtbildvorlage
Gab es da eine Anordnung / Anweisung? Wenn ja, was steckt dahiner?Kaeptn_Chaos hat geschrieben: ↑Mi 26. Jan 2022, 12:52
Genauso, wie wir uns seit den 2000ern nicht mehr den Geschädigten in die Karre setzen und mit ihm den Nahbereich nach Tatverdächtigen absuchen.
In meinem ehem. Bundesland und meinem aktuellen BL wird noch so verfahren.
- Kaeptn_Chaos
- Deputy Inspector
- Beiträge: 27018
- Registriert: Di 22. Feb 2005, 00:00
- Wohnort: Tal der Verdammnis
Re: Wahllichtbildvorlage
Das war gelebtes Wissen, weil uns damit ein Verfahren kaputt ging genau mit der Argumentation des BGH Entschlusses.
Re: Wahllichtbildvorlage
Hast du die Links des Käptn`s nicht gesichtet?
Dahinter steckt das Problem der Beweisführung. Eine Gegenüberstellung ( z.B. mit dem Geschädigten im Fusktkw fahnden) ist nur dann beweiserheblich, wenn die Vorschriften für die Gegenüberstellung penibel eingehalten werden. Geschieht das nicht, kann u.U. der Täter nicht verurteilt werden, die Gegenüberstellung ist nicht verwertbar.
Dahinter steckt das Problem der Beweisführung. Eine Gegenüberstellung ( z.B. mit dem Geschädigten im Fusktkw fahnden) ist nur dann beweiserheblich, wenn die Vorschriften für die Gegenüberstellung penibel eingehalten werden. Geschieht das nicht, kann u.U. der Täter nicht verurteilt werden, die Gegenüberstellung ist nicht verwertbar.
Re: Wahllichtbildvorlage
Tatsächlich hatte ich nicht nachgelesen. Muss jetzt sagen, dass die Argumentation durchaus einleuchtet.
Ich denke aber, es gibt auch hier ein Für und Wider. Mir ist es in meiner Zeit auf der K-Wache, was jetzt noch nicht so ewig lange her ist, einmal gelungen mittels
Mitnahme des Geschädigten den Täter zu einem Raubgeschehen festzustellen. Das Verfahren ist dadurch nicht kaputtgegangen.
Es stellt sich daher die Frage, ist es zum Zeitpunkt der Sachverhaltsaufnahme absehbar, ob der Täter anderweitig ermittelt kann oder nicht. Sicherlich kann man das nicht immer sofort abschätzen. Führen die weitere Ermittlungen mit dem so bekanntgewordenen Beschuldigten zu weiteren Beweisen sehe ich da grds. keine Probleme.
Aber ich muss auch sagen, nachdem ich das Urteil gelesen habe, würde ich es mir in Zukunft, sofern ich noch einmal in die Situation komme, genauer überlegen.
Ich denke aber, es gibt auch hier ein Für und Wider. Mir ist es in meiner Zeit auf der K-Wache, was jetzt noch nicht so ewig lange her ist, einmal gelungen mittels
Mitnahme des Geschädigten den Täter zu einem Raubgeschehen festzustellen. Das Verfahren ist dadurch nicht kaputtgegangen.
Es stellt sich daher die Frage, ist es zum Zeitpunkt der Sachverhaltsaufnahme absehbar, ob der Täter anderweitig ermittelt kann oder nicht. Sicherlich kann man das nicht immer sofort abschätzen. Führen die weitere Ermittlungen mit dem so bekanntgewordenen Beschuldigten zu weiteren Beweisen sehe ich da grds. keine Probleme.
Aber ich muss auch sagen, nachdem ich das Urteil gelesen habe, würde ich es mir in Zukunft, sofern ich noch einmal in die Situation komme, genauer überlegen.
- Kaeptn_Chaos
- Deputy Inspector
- Beiträge: 27018
- Registriert: Di 22. Feb 2005, 00:00
- Wohnort: Tal der Verdammnis
Re: Wahllichtbildvorlage
Der erste Teil deines zweiten Absatzes klingt ein bisschen nach 'der Zweck heiligt die Mittel".
Re: Wahllichtbildvorlage
Das lasse ich einmal so stehen.
Re: Wahllichtbildvorlage
Ist immer eine "Risiko" Abwägung. Manchmal geht es einfach nicht anders. Schnelle Entscheidungen sind zwar meist richtig, mitunter aber auch nicht. Wichtig ist, die entscheidungserheblichen Faktoren zu kennen.
-
- Constable
- Beiträge: 41
- Registriert: Do 31. Mär 2011, 12:32
Re: Wahllichtbildvorlage
Meine Meinung zur Fahndung mit Zeugen/ Geschädigten:
Es sollte eine Abwägung im Einzelfall sein dazwischen, ob die Ermittlung eines TV's durch andere Ansätze möglich erscheint oder ob es vermutlich die einzige Chance ist, mit dem Zeugen direkt zu fahnden. Dabei muss ich mir dann zwar im Klaren sein, dass der Wiedererkennung kein Beweiswert zukommen kann, dies sollte bei der Erwartung andere Beweismittel (bspw. Beute, Tatmittel, DNA etc.) am TV feststellen zu können, aber verschmerzbar sein.
Zudem gebe ich zu bedenken, dass es keine höchstrichterlichen Urteile für diese Situation gibt. Bezieht sich meiner Meinung nach alles auf geplante Gegenüberstellungen/ wahlvorlagen im Nachgang. Oder hat dazu einer was?
Könnte mir daher gut vorstellen, dass der BGH hier andere Maßstäbe anlegen könnte. Zwar kann man durchaus eine Beeinflussung des Zeugen erwarten, auf Grund der zeitlichen/ räumlichen Nähe ähnliche Personen als TV zu identifizieren, allerdings gibt es je nach Örtlichkeit auch eine Vielzahl an Personen aus denen gewählt werden kann.
Es sollte eine Abwägung im Einzelfall sein dazwischen, ob die Ermittlung eines TV's durch andere Ansätze möglich erscheint oder ob es vermutlich die einzige Chance ist, mit dem Zeugen direkt zu fahnden. Dabei muss ich mir dann zwar im Klaren sein, dass der Wiedererkennung kein Beweiswert zukommen kann, dies sollte bei der Erwartung andere Beweismittel (bspw. Beute, Tatmittel, DNA etc.) am TV feststellen zu können, aber verschmerzbar sein.
Zudem gebe ich zu bedenken, dass es keine höchstrichterlichen Urteile für diese Situation gibt. Bezieht sich meiner Meinung nach alles auf geplante Gegenüberstellungen/ wahlvorlagen im Nachgang. Oder hat dazu einer was?
Könnte mir daher gut vorstellen, dass der BGH hier andere Maßstäbe anlegen könnte. Zwar kann man durchaus eine Beeinflussung des Zeugen erwarten, auf Grund der zeitlichen/ räumlichen Nähe ähnliche Personen als TV zu identifizieren, allerdings gibt es je nach Örtlichkeit auch eine Vielzahl an Personen aus denen gewählt werden kann.
HUBA HUBA
- Kaeptn_Chaos
- Deputy Inspector
- Beiträge: 27018
- Registriert: Di 22. Feb 2005, 00:00
- Wohnort: Tal der Verdammnis
Re: Wahllichtbildvorlage
Der Himmel ist blau, das Wasser ist nass und Frauen haben Geheimnisse.
Re: Wahllichtbildvorlage
Konkret geht es im Sachverhalt um eine nicht den Verfahrensvorschriften entsprechende Wahllichtbildggu. Der Täter konnte deshalb nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Regeln gelten allerdings für jede Gegenüberstellung, als auch diese, die auf der Straße, im Einsatz etc. vorgenommen werden. Geschieht das nicht, kann das immer zu einem Verfahrensfehler führen. Jeder, der so etwas macht, muss das mit in seine Entscheidung einbeziehen. Ansonsten er womöglich dafür sorgt, das Täter nicht bestraft werden können. Das Urteil des BGH lässt sich gleichwohl auf vis a vis Ggu übertragen, weil gleicher Zweck, gleiche Regeln.
Wer ist online?
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast
- Menü
- Neue Mitglieder
- Benutzername Registriert
Lena S. 29 Mär
AdventuresInHiFi 29 Mär
BerndKuster 28 Mär
frenzY 24 Mär
vivienbmn 22 Mär
RalphWerner 22 Mär
Stellatimberlake4 21 Mär
burgwächter 19 Mär
- Top Poster
- CopZone Spende