Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

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Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Gast » Fr 12. Mär 2010, 18:21

Hallo Freunde,

ich hatte vor einigen Tagen eine rege Diskussion mit einem Freund bzgl. des Art. 103 Abs.3 GG. im folgenden mal zitiert:

"Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden."

Es drehte sich um folgenden fiktiven Fall:

Ein potentieller Mörder wurde vom Gericht freigesprochen, da die Beweislast nicht ausreichend war. Jahre Später tauchen in dem selben Fall allerdings erdrückende Beweise auf, die den Täter so gut wie sicher überführen.

So ich meine das hier die Wiederaufnahme des Verfahrens gerechtfertigt ist.

Mein Freund war allerdings der Ansicht, dass dieser Fall nicht wieder aufgenommen werden kann und der Täter nicht bestraft werden kann, da er ja in der selben Sache bereits freigesprochen wurde.

Im Internet konnte ich nicht allzuviel hierzu finden, da dort viele Laien unterwegs sind. Allerdings hoffe ich hier auf eure Kompetenz.

MFG Benny

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very
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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon very » Fr 12. Mär 2010, 18:24

BennyNBG hat geschrieben:

Mein Freund war allerdings der Ansicht, dass dieser Fall nicht wieder aufgenommen werden kann und der Täter nicht bestraft werden kann, da er ja in der selben Sache bereits freigesprochen wurde.

und wie beißt sich das nach meinung deines freundes mit

"Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden."
"In den Krimis wird aber nicht gezeigt, dass man vielen Schutzpolizisten die Arbeit bei der Kripo als Sanktion androhen könnte.
Für weitere Fragen diesbezüglich bitte auch die Suchfunktion nutzen."

Kaeptn_Chaos, Juli 2008

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Gast » Fr 12. Mär 2010, 18:27

Ja diesen Umstand habe ich ihm eine Stunde lang versucht zu erläutern. Aus seiner Sicht (die ich für absolut falsch halte) ist ein Freispruch in dem Begriff "Bestrafung" mit inbegriffen. So zumindest sein Rechtsverständnis.

Desweiteren beruft er sich auf einen Fall, in dem ein Täter freigesprochen wurde und im nachhinein gegenüber der Polizei den Mord in sämtlichen Details geschildert hat und dafür nicht belangt wurde. Klingt für mich zwar sehr nach Hollywood aber ich lies ihn in seinem Glauben.

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon UllaDieTrulla » Fr 12. Mär 2010, 18:34

Desweiteren beruft er sich auf einen Fall, in dem ein Täter freigesprochen wurde und im nachhinein gegenüber der Polizei den Mord in sämtlichen Details geschildert hat und dafür nicht belangt wurde. Klingt für mich zwar sehr nach Hollywood aber ich lies ihn in seinem Glauben.
In der Tat Hollywood...

Das amerikanische Justiz-System hat da ein paar feine Pointen... Dort gibt es in manchen Bundesländern in der Tat obige Regel.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ne_bis_in_idem

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Gast » Fr 12. Mär 2010, 18:40

Vielen Dank,

dann muss ich mich wohl ein bisschen in die StPo einlesen, mich würde sehr interessieren unter welchen Umständen ein Verfahren wieder aufgenommen werden darf.

Danke soweit.

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Vito » Fr 12. Mär 2010, 19:08

Vielleicht hilft das ein wenig

http://de.wikipedia.org/wiki/Ne_bis_in_idem

http://de.wikipedia.org/wiki/Strafklageverbrauch

Wenn mich ned alles täuscht war es mal in der Diskussion diesen Grundsatz etwas zu ändern.

Da ging es wohl auch um Fälle wie Mord wo sich später eindeutig die Schuld des Täters ergeben hat und dieser aber wegen besagtem Grundsatz nicht nochmals angeklagt werden konnte.
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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon UllaDieTrulla » Fr 12. Mär 2010, 20:09

A wird dabei beobachtet, wie er im Wald mehrere Schüsse abgibt. Als er gestellt wird, erklärt er, er habe auf ein Reh gezielt, es aber nicht getroffen. Er wird vom AG wegen Jagdwilderei (§ 292) zu einer mäßig hohen Geldstrafe verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils wird die halbverweste Leiche des in Wirklichkeit von A erschossenen Ehemannes seiner Geliebten gefunden. Hier ist der Strafklageverbrauch eingetreten, A kann wegen Mordes nicht mehr belangt werden.[1]
:gaga:

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Vito » Fr 12. Mär 2010, 20:20

UllaDieTrulla hat geschrieben:
A wird dabei beobachtet, wie er im Wald mehrere Schüsse abgibt. Als er gestellt wird, erklärt er, er habe auf ein Reh gezielt, es aber nicht getroffen. Er wird vom AG wegen Jagdwilderei (§ 292) zu einer mäßig hohen Geldstrafe verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils wird die halbverweste Leiche des in Wirklichkeit von A erschossenen Ehemannes seiner Geliebten gefunden. Hier ist der Strafklageverbrauch eingetreten, A kann wegen Mordes nicht mehr belangt werden.[1]
:gaga:
Wasn ? Blödes Beispiel ?

Wie gesagt - es gibt schon einige Beispiele. Einen Fall den ich im TV gesehen habe - da ging es um den Mord an einem Mädchen. Und 20 Jahre nach der Tat dappelt der Mörder dem Vater ständig über den Weg und grinst sich einen ab - weil er vor 20 Jahren deswegen freigesprochen wurde. Und da ist es egal dass es mittlerweile genügend Beweise für die Schuld des Täters gibt. Ätzend für die Angehörigen oder :gruebel:
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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon powle » Mo 15. Mär 2010, 12:20

komige regelung

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Vito » Mo 15. Mär 2010, 13:40

powle hat geschrieben:komige regelung
Na ja, an sich ist die Regelung ja vollkommen ok.

Es kann ja nicht sein dass man ständig wieder angeklagt werden kann obwohl man bereits freigesprochen wurde.

Allerdings könnte man m.M.n. durchaus darüber diskutieren, ob man dies zumindest für Verbrechen wie Mord/Totschlag ändert.

Ob dies auf Grund der EMRK, dem SDÜ oder sonstwas überhaupt möglich wäre :polizei13:

Wobei ich gerade sehe - nach der EMRK ist die Todesstrafe möglich und die Tötung ist zur Fluchtverhinderung oder um einen Aufstand/Aufruhr niederzuschlagen zulässig :o
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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Mainzelmann2001 » Fr 9. Jul 2010, 14:47

Vito hat geschrieben: Wobei ich gerade sehe - nach der EMRK ist die Todesstrafe möglich und die Tötung ist zur Fluchtverhinderung oder um einen Aufstand/Aufruhr niederzuschlagen zulässig :o
:zustimm:
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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Ballsrider » Fr 9. Jul 2010, 15:52

Eine erneute Anklage geht nicht. Sobald die Tat vor Gericht verhandelt wird, tritt der Strafklageverbrauch ein.
Eine Wiederaufnahme ist immer nur dann möglich, wenn es nicht zu einer Hauptverhandlung kam und die Tat nach § 170 II StPO eingestellt wurde.
Bei Urteil, Strafbefehl oder Einstellung nach § 153 StPO ist die "Tat" verbraucht.

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Jurist » Do 16. Sep 2010, 20:10

Nein, Ballsrider, das ist nicht richtig. Zunächst einmal zur Einstellung des Verfahrens:

- § 153 I StPO: kein Strafklageverbrauch (str.; a.A.: § 153 a I S. 5 StPO analog).

- § 153 II StPO: bedingte Rechtskraft; aus §§ 174 II, 211 StPO sowie § 47 III JGG ergibt sich, dass beim Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel ein neues Verfahren zulässig ist.

§ - 153 a I StPO: s. S. 5 ("...nicht mehr als Vergehen...", also durchaus als Verbrechen).

§ - 153 a II StPO: s. S. 2

Für den Strafbefehl lohnt sich ein Blick in § 373 a StPO.

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Do 16. Sep 2010, 22:20

Milker-Alarm, Stufe gelb.
:lah:

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Re: Ein Fallbeispiel zu Art.103 Abs.3 GG.

Beitragvon DerLima » Do 16. Sep 2010, 22:45

StPO hat geschrieben:§ 362

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig,
1.
wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2.
wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;
4.
wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird
StPO hat geschrieben:§ 373a

(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Verurteilten ist auch zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu begründen.
(2) Im übrigen gelten für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens die §§ 359 bis 373 entsprechend.
Noch klarer geht es kaum...
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