Richter verweigert die Blutentnahme

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon Ghostrider1 » Fr 23. Sep 2016, 11:22

poliziotto hat geschrieben: Unsere StPO ist da vielleicht etwas altmodisch, aber gleichzeitig eben auch 100%ig korrekt bzw. sichergehend. Beispiel: Der TV sagt, ein Nachtrunk habe nicht stattgefunden. Der AAK wird mittels Draeger 9110 festgestellt und der TV entlassen. Vor Gericht kommt dann die Auflösung: Der TV will Nachtrunk geltend machen -> Begleitstoffanalyse nicht mehr möglich. Es geht einfach um eine 100%ige Absicherung, sodass im Strafverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss immer wieder auf das Beweismittel zugegriffen werden kann.
Wie willst du bei einer durchgeführten BE, einen Nachtrunk beweisen? Dafür benötigst du zwei Entnahmen, mit einer Zeitdifferenz zwischen 30 - 45 min.

Genau wie beim Blut, kann ich 2x zum Atemtest beten.

Genauso zählt die nachträgliche Angabe von Mischkonsum nicht. Ich muss mich auf der MD80 entscheiden. Kreuze ich nur Alkohol an, wird auch nur auf Alkohol kontrolliert.

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon poliziotto » Fr 23. Sep 2016, 11:51

Ghostrider1 hat geschrieben:
poliziotto hat geschrieben: ...
Wie willst du bei einer durchgeführten BE, einen Nachtrunk beweisen? Dafür benötigst du zwei Entnahmen, mit einer Zeitdifferenz zwischen 30 - 45 min.

Genau wie beim Blut, kann ich 2x zum Atemtest beten.

Genauso zählt die nachträgliche Angabe von Mischkonsum nicht. Ich muss mich auf der MD80 entscheiden. Kreuze ich nur Alkohol an, wird auch nur auf Alkohol kontrolliert.
Die Entnahme von zwei Blutproben ist die eine Möglichkeit. Die Durchführung einer Begleitstoffanalyse die andere (http://www.unimedizin-mainz.de/fileadmi ... mepage.pdf).
Inwiefern zählt die nachträgliche Angabe des Probanden nicht mehr? Also in RLP bleiben die Blutproben bis zum rechtskräftigen Abschluss erhalten und es kann bis dahin jederzeit nochmals darauf zugegriffen werden und evtl. der Untersuchungsauftrag erweitert werden.

Lone Soldier

Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon Lone Soldier » Fr 23. Sep 2016, 12:52

@polizeiotto: Nach deiner Argumentation dürfte man den Dräger-Evidential auch im OWI-Verfahren nicht verwenden. Da wäre ja die gleiche Problematik. Aber es gibt da ja Richtlinien, wie viel Zeit zwischen dem Anhalten auf der Straße und dem Test vergangen sein muss. Ich kann die Logik, dass das selbe Gerät sicher genug ist um eine mehrere hundert Euro teure OWI zu beweisen, gleichzeitig zu schlecht ist, um eine Straftat nachzuweisen nicht verstehen. Denn meinem Verständnis nach muss die Sache im Rechtsstaat auch im OWI-Bereich wasserdicht sein.

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon vladdi » Fr 23. Sep 2016, 14:37

Ich denke, dass es Zeit ist für eine Gesetzesänderung. Entweder die Blutentnahme durch die Polizei anordnen lassen oder, was ich besser fände, Atemalkohol als gerichtsverwertbaren Wert nehmen. Dazu müsste, wie zum Beispiel Österreich, eine gesetzliche Lösung gefunden werden wie damit umzugehen ist, wenn der Betroffene sich weigert zu pusten.

Zur Ahndung von Trunkenheit im Straßenverkehr, auch zur Differenzierung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat, kann man auch mit Atemalkohol arbeiten.

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon SirJames » Fr 23. Sep 2016, 16:09

Diag hat geschrieben:
vladdi hat geschrieben: Da es keine Rechtsgrundlage gibt den Kontrollierten zur Dienststelle mitzunehmen und dort wegen einer Blutabnahme den Richter zu fragen
Gibt es nicht? Erzähl mal...
Moin,

wenn ich jetzt nicht total auf der Leitung stehe, muss ich aus meiner Praxis vladdi grds. zustimmen. Bei uns ist es gängige Praxis wegen einer BE von draußen über Diensthandy bei der AmtsA. oder StA (24/7/365) anzurufen. Ausnahme wäre lediglich, wenn der Betroffene Späne macht - dann wird wegen Gefahr im Verzug selbst angeordnet. Ein kleines Spannungsfeld stellen möglichweise Fälle dar, bei denen der Betroffene zwecks anderer Maßnahmen ohnehin zur Dienststelle sistiert/verbracht wird. Da gibt es in meinem Kollegenkreis durchaus konträre Ansichten darüber ob bzw. wann und von wo um die Anordnung ersucht wird. Ein (zwangsweises) Verbringen zur Dienststelle, um von dort um die BE zu ersuchen, hielte ich für fragwürdig und hat bei uns schon dazu geführt, dass Staatsanwälte am Telefon sehr ungehalten reagiert haben, wenn sie eine Festnetznummer auf ihrem Handy erblickt haben.

Ich persönlich erachte den Richtervorbehalt bei körperlichen Untersuchungen für richtig. Voraussetzung hierfür ist selbstredend eine Rufbereitschaft 24/7/365. Es ist nicht vermittelbar eine gesetzlich normierten Richtervorbehalt zu haben und diesen aufgrund von Strukturproblemen zu bestimmten Zeiten auszusetzen.

Gruß
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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon Diag » Fr 23. Sep 2016, 16:11

Wieso wundert mich das jetzt nicht (bzgl. Berlin). :polizei3:

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon SirJames » Fr 23. Sep 2016, 16:30

Bei uns ist eben alles ein bisschen anders :pfeif: :polizei2:
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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon vladdi » Fr 23. Sep 2016, 16:39

@sir james

Ich habe zwar eine andere Rechtsauffassung, aber damit ist den Polizeibeamten nicht geholfen in dessen Amtsbezirks so zu handeln ist.

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon Diag » Fr 23. Sep 2016, 17:05

@SirJames: Wiher kommt denn die Regel? Justiz oder Polizei?

Und wonach erfolgt denn der Transport wenn die BE mittels GiV angeordnet wird?

Oder geht es darum, dass ich transportiere und der Richter sich dann gegen die BE entscheidet?

Fragen über Fragen...

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon Controller » Fr 23. Sep 2016, 17:14

naja,

z.B. das OLG Celle, OLG Hamm und OLG Karlsruhe schrieben seinerzeit in verschiedensten Entscheidungen
Sätze wie z.B.

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Ermittlungsbeamten als Annexkompetenz aus § 81 a StPO den Betroffenen oder Beschuldigten bis zur richterlichen Entscheidung nicht nur festhalten, sondern auch zum Ort der Blutentnahme verbringen können.

Von daher also :pfeif:
Regeln sind wie Donuts, sie haben Löcher.
Und darin lebt der Ermessensspielraum. :mrgreen: :zunge:

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon vladdi » Fr 23. Sep 2016, 17:24

Ja, aber es gibt Dienststellen die einfach so handeln müssen. Und dann ist das so.

auch wenn ich eine andere Auffassung habe, beziehungsweise auch wenn ihr eine andere Auffassung habt

Die Argumentation ist, dass es keine Rechtsgrundlage für die Mitnahme zur Dienststelle gibt. Die Rechtsgrundlage zur Mitnahme zur Dienststelle wäre aus 81a StPO, und hier muss erst der Richter anordnen.
Eine andere Rechtsgrundlage, die die Mitnahme zur Dienststelle erlaubt um dort den Richter zu kontaktieren gibt es nicht.

Polizeibeamte, in dessen Amtsgerichtsbezirk diese Auffassung vertreten wird, müssen sich an diese Handlungsanweisung durch die Staatsanwaltschaft, das Gericht, oder die oberste Polizeiführung halten.

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon Controller » Fr 23. Sep 2016, 17:28

Die Rechtsgrundlage zur Mitnahme zur Dienststelle wäre aus 81a StPO, und hier muss erst der Richter anordnen.
lies nochmal genau, was da steht.
Polizeibeamte, in dessen Amtsgerichtsbezirk diese Auffassung vertreten wird, müssen sich an diese Handlungsanweisung durch die Staatsanwaltschaft, das Gericht, oder die oberste Polizeiführung halten.
Ach :o

ist das so :gruebel:
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Und darin lebt der Ermessensspielraum. :mrgreen: :zunge:

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon SirJames » Fr 23. Sep 2016, 17:29

Diag hat geschrieben:@SirJames: Wiher kommt denn die Regel? Justiz oder Polizei?

Und wonach erfolgt denn der Transport wenn die BE mittels GiV angeordnet wird?

Oder geht es darum, dass ich transportiere und der Richter sich dann gegen die BE entscheidet?

Fragen über Fragen...
Woher das kommt? Na ich nehme an das ist Ausfluss aus der Normenpyramide: GG, StPO, PDV, GA, Meinung meines Chefs - im Ernst, wie sich dieser konkrete Ablauf entwickelt hat, kann ich nicht sagen. Ich nehme aber an, dass man sich darauf im Zuge der strengeren Umsetzung des Richtervorbehaltes (vor meiner Zeit) geeinigt hat. Ich gebe gerne zu, dass mir das auch sinnig erscheint.

Wenn ich bei GiV anordne, ist die Entscheidung über die Maßnahme ja bereits gefallen. Mithin kann ich den Besch. zum Zwecke der Durchführung natürlich verbringen.

Wenn ich den aber ohne Anordnung verbringe, um dann von der Dienststelle aus eine Anordnung zu holen, habe ich ja streng genommen keine Rechtsgrundlage. Die Entscheidung über die BE ist ja noch nicht gefallen. Wenn das in anderen Bl. so praktiziert wird - vollkommen ok. Bei uns wird das so nicht gemacht und die Staatsanwälte/Amtsanwälte sind da not amused, wenn die das mitkriegen. Im übrigen halte ich das auch aus praktischen Erwägungen heraus für nicht ganz optimal. Ich muss den möglichweise mit Zwang transportieren und am Ende sagt die StA: "Nö, den Aufwand für die BE sparen wir uns - abgelehnt." (schon gehabt nach u.a. gef. Kv.) Dann habe ich mich umsonst aufgeregt und Zeit vertendelt. Abgesehen davon, dass ick mich vor dem Besch. lächerlich mache. Also ruf ick doch gleich von draußen an - so rein praktisch. Oder wo genau liegt jetzt der Vorteil von "drinnen" anzurufen?

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon Controller » Fr 23. Sep 2016, 17:37

James, was macht denn der Betroffene in der Zeit, bis die Entscheidung ( durch den Richter) fällt?

Der zieht mit Sicherheit auch in Berlin nicht frohgemut seines Weges und du stehst da und wartest, bis der Richter sagt ok und du springst ihm dann hinterher :polizei4:

Du hältst ihn ja, so hoffe ich, fest, bis der Richter was sagt ?

Und aus diesem Festhalten ergibt sich auch das Recht des "Verbringens" :ja:
Regeln sind wie Donuts, sie haben Löcher.
Und darin lebt der Ermessensspielraum. :mrgreen: :zunge:

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Re: Richter verweigert die Blutentnahme

Beitragvon vladdi » Fr 23. Sep 2016, 17:47

@controller

Ja und, wir sind ja bei dir.

Wenn es in Berlin, oder woanders wo solche Regelung bestehen, einen Controller gibt der:

Seine Ansicht, meine Meinung nach die richtige, einfach mal durchzieht, das Verfahren wegen Freiheitsberaubung im Amt durch die Instanzen durch steht, dann wäre das ein richtiger Schritt. Und würde möglicherweise die Handlungsanweisung ändern
Außerdem verdient sich der Beamte dann Respekt. Macht aber keiner


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