hoschi101 hat geschrieben:Etwas defizitär, mit welcher Gleichgültigkeit im Stil von
"Unwichtig, ich schreibe einfach vorläufige Festnahme" hier zum großen Teil an die Thematik gegangen wird.
Ein Blick in den Gesetzestext erleichtert die Rechtsfindung (relevante materielle Voraussetzungen markiert):
Abs. 1
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
Erläuterung:
frischer Tat betroffen oder verfolgt - enger räumlicher und zeitlicher Tatzusammenhang
Flucht verdächtig - liegt vor, wenn - nach den erkennbaren Umständen des Falles unter Berück-
sichtigung allgemeiner Erfahrungen - vernünftigerweise die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene werde sich der Verantwortung durch die Flucht entziehen, wenn er nicht alsbald festgenommen wird.
Abs. 2
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die
Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
Voraussetzungen eines Haftbefehls - § 112 StPO: dringender Tatverdacht + Haftgründe insb.
Fluchtgefahr: besteht, wenn bei umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalles es aufgrund bestimmter Tatsachen wahrscheinlicher erscheint, daß der Beschul- digte, statt sich dem Strafverfahren zu stellen, sich diesem entziehen werde
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Grundlegende Differenz:
Abs. 1: Auf frische Tat - Abs. 2: dringender Tatverdacht
Abs. 1: Fluchtverdacht - Abs. 2: Fluchtgefahr
Unterm Strich in einfachen Worten:
- Abs. 1 fällt bereits flach, sollte der Täter in der Sachbearbeitung nachermittelt worden sein. Der Verdachtsgrad muss sich folglich vor Ort zwischen "bei der Tat beobachtet" und mind. dringendem Tatverdacht bewegen, alles Sonstige fällt bereits raus und muss über Abs. 2 bearbeitet werden.
- Fluchtgefahr ist restriktiver auszulegen als der Verdacht. Zur Annahme des Fluchtverdachtes reichen subjektiv wahrgenommene Umstände.
Angewendet auf's Fallbeispiel der Feststellung eines Täters, welcher sich z.b. noch mit Beute vom Tatort entfernt, bedeute das, dass vor Ort in den seltensten Fällen bereits eindeutige Tatsachen vorliegen, welche einen Haftbefehl begründen. Da dies aber zwingende Voraussetzung nach Abs.2 ist, wäre eine Festnahme nach selbiger Norm in diesem Stadium rechtswidrig. "Auffangtatbestand" bildet dann Abs. 1, da sich der Verdacht, der Täter entziehe sich der weiteren Strafverfolgung, subjektiv betrachtet in den meisten Fällen ergibt.
Gar nicht mal so rechtstheoretisch! Täter vor Ort -> Abs.1 -> Ermittlung etwaiger Haftgründe -> Abs.2 -> Vorführung
Tolles Thema, diese Flagranzfestnahme!