Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

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Moderator: schutzmann_schneidig

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Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon Controller » Do 8. Aug 2019, 19:57

Regeln sind wie Donuts, sie haben Löcher.
Und darin lebt der Ermessensspielraum. :mrgreen: :zunge:

- Verstorben am 09.08.2021 -

Inspektor_GER

Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon Inspektor_GER » Fr 9. Aug 2019, 18:37

Sogar das Rasen an sich ohne Rennen und ohne Flucht kann ein 315d sein.

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zulu
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Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon zulu » Mo 12. Aug 2019, 21:45

Bloßes "Rasen", im Sinne von einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist aber extra nicht erfasst. Da muss der Fahrer sich schon mehr Mühe geben. Aber ich finde es gut, dass der § auch da anwendbar ist.

Inspektor_GER

Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon Inspektor_GER » Mo 12. Aug 2019, 21:50

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB:
Wer im Straßenverkehr sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen
Das lässt viel Spielraum für Ermittlungsverfahren. Es ist noch nichtmal eine konkrete Gefährdung gefordert. Wir ziehen hier regelmäßig durch und ziehen die Kisten ein.

e42b
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Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon e42b » Mo 26. Aug 2019, 22:04

Klasse, dass das Motiv bei diesem Straftatsbestand nachrangig zu beurteilen ist.
Vielleicht ergibt sich ja auch die Möglichkeit, "Rennen" in anderen Hochgeschwindigkeits-Fahrsituationen zumindest tatmehrheitlich anzuwenden. Mir schweben da z.B. Nötigungssituationen jenseits der 150 km/h vor.

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Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon 1957 » Di 27. Aug 2019, 00:43

Es kommt dabei nicht allein auf die Höhe der Geschwindigkeit an. Es muss also nicht jenseits der 150 sein.

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Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon e42b » Di 27. Aug 2019, 20:27

Umso besser.

Nachdem bei solchen Vorfällen die Beweisführung zumindest bei Alleinfahrern schwierig ist, hoffe ich, dass ein zu erwartender erheblicher Strafrahmen eventuell dazu führt, das bei solchen Fällen nach Anruf künftig zeitnah aktiv ermittelt werden kann.
Ich habe schon sehr Angst, wenn bei > 130 km/h während eines Überholvorgangs ein Fahrzeug mit < 5m Abstand folgt. Man kann ja nicht einmal den Überholvorgang abbrechen, ohne Gefahr zu laufen, einen Unfall herbeizuführen und ich erlebe solche Situationen regelmäßig.

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Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon MICHI » Di 27. Aug 2019, 21:18

e42b hat geschrieben:Umso besser.

Nachdem bei solchen Vorfällen die Beweisführung zumindest bei Alleinfahrern schwierig ist, hoffe ich, dass ein zu erwartender erheblicher Strafrahmen eventuell dazu führt, das bei solchen Fällen nach Anruf künftig zeitnah aktiv ermittelt werden kann.
Ich habe schon sehr Angst, wenn bei > 130 km/h während eines Überholvorgangs ein Fahrzeug mit < 5m Abstand folgt. Man kann ja nicht einmal den Überholvorgang abbrechen, ohne Gefahr zu laufen, einen Unfall herbeizuführen und ich erlebe solche Situationen regelmäßig.
Der 315d ist aber kein Auffangtatbestand für sonst welche Delikte im Straßenverkehr.

Da gehört dann schon ein wenig Spezifizierung und Einzelfallbetrachtung zu.
Gruß
MICHI


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Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon e42b » Di 27. Aug 2019, 22:41

Ja, danke, Michi. Das sehe ich genauso.

Dieser Straftatbestand ist aber recht neu und gibt endlich die Möglichkeit, verkehrsgefährdendes Verhalten, das bei überlasteter Jurisdiktion sonst eben bisweilen nicht genau betrachtet in der OWi-Schublade verschwand, hiermit in das Licht der Betrachtung zu heben, das ihm gebührt. Immerhin ist die Tötungsabsicht evtl. mehr als fahrlässig.
In solchen Situationen habe ich bislang zwei Mal die 110 angerufen. Beide Male wurde mir geraten, auf die nächste Dienststelle zu kommen und dort Anzeige zu erstatten. Wir wussten alle, was dabei herauskommt: Es wird mit meiner Aussage ein Verfahren eröffnet, der Halter verweigert die Aussage zur Angabe des Fahrers und das war's dann.
M.E. kommt es darauf an, solche Leute aus dem Verkehr zu ziehen. Das kann nur gehen, wenn die Polizei den Fahrer ermittelt. Wenn nun eine veritable Straftat statt einer (vermutlich niedergeschlagen werdenden OWi) im Raum steht, hoffe ich einfach, dass der Ermittlungseifer steigt. Die Polizei muss ja den Straftatsbestand nicht beobachten (Dafür hat sie ja meine Aussage.), der Täter muss beweissicher ermittelt werden und das geht auch mit einem Streifenwagen, wenn ich Typ und Kennzeichen angebe.

Der Straftatbestand "Rennen" erfasst ein Verhalten, das im Straßenverkehr nicht auch nur an einer Ecke geduldet werden kann. Die Sanktion dazu sollte durchgesetzt werden mit allen möglichen Mitteln. Zwar darf auf deutschen Straßen hier und da sehr schnell gefahren werden, man sollte das aber so tun, dass man niemand anderen in Gefahr bringt. Letzteres muss einen mindestens genau so großen Wert haben wie das Recht auf freie Fahrt. Man kann das den Rennern nur beibringen, indem man ihr Fehlverhalten so verfolgt, dass es auch entsprechend sanktioniert werden kann. (ich wiederhole mich.)

Säße ich als Polizist in einem Streifenwagen, würde ich mir bei einer während der Fahrt eingehenden Anzeige auch überlegen, ob ich auf die Bahn knallen soll, um jemanden da runter zu holen, dem ich höchstens mit sehr viel Mühe eine Nötigung nachweisen kann. "Rennen" geht schon deutlich mehr in die Richtung eines Kapitalverbrechens, was die Tat deutlich besser würdigt.

Wie auch immer: Das nächste Mal, wenn ich mich in einer solchen Situation befinden werde, werde ich 110 anrufen, die Situation schildern und das Stichwort "Rennen" fallen lassen. Vielleicht führt das ja zu aktiv ermittelndem Verhalten.

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Re: Auch Polizeiflucht kann ein Rennen sein

Beitragvon Syzygy » Mi 28. Aug 2019, 02:28

Das wird so nicht funktionieren. Lies Dir mal die laufende Rechtssprechung zur Definition von "grob verkehrswidrigem Verhalten" durch. Da gelten wesentlich höhere Maßstäbe, als unterschrittener Mindestabstand oder Dein "Gefühl", genötigt worden zu sein. Ausserdem wie schon genannt: Es ist vom Gesetzgeber auch gar nicht gewollt, dass man gefühlsmäßig alles als "Rennen" deklariert um dann "endlich mal irgendwas tun zu können". Nötigung und unterschrittener Mindestabstand sind das Eine, ein wesentlich höher zu ahndendes Rennen ist was Anderes. Eine "Tötungsabsicht" zu unterstellen weil Dir jemand zu dicht im Rückspiegel erscheint, sorry, das hat vor keinem Gericht Bestand.

https://verkehrslexikon.de/Texte/Text0044.php


Abgesehen davon, auch wenn Du die 110 anrufst und was von "Rennen" erzählst, bleibts Aussage gegen Aussage und im Zweifel ein nicht zu ermittelnder Fahrer. Meinst Du, da rückt deswegen die Kavallerie aus und man richtet 'ne Mordkommission ein? :gaga:

Der neue Tatbestand wird dann relevant, wenn Beamte vor Ort auf Grund objektiver Fakten ein Geschehnis als "Rennen" einstufen und 'ne dementsprechende Anzeige fertigen. Aber nicht ob Du da jetzt gefühlt ein Rennen oder eine Tötungsabsicht erkennst. Stell Dir einfach mal vor, der Nächste unterstellt dann bei 40 in der 30er Zone auch 'ne Tötungsabsicht, weil er sich so arg gefährdet fühlt. Sowas will der Gesetzgeber überhaupt nicht.

ProTip: Drängler ignorieren, sich auf sein eigenes Fahrverhalten konzentrieren, bei nächster Gelegenheit rechts rüber fahren und sie eben vorbei lassen. Wenn Du schlaflose Nächte deswegen hast, mach 'ne Anzeige für Deinen Seelenfrieden fertig. Alles Weitere liegt dann bei der Justiz und was da raus kommt (oder auch nicht), muss man dann einfach so akzeptieren. "Leute aus dem Verkehr zu ziehen" ist 'ne rechtlich ziemlich komplexe Angelegenheit und nicht alles was Dir im Rückspiegel nervig oder bedrohlich vorkommt, ist da ein rechtlich auch ausreichender Grund für.
Safety first!


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