Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

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Knaecke77
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Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Knaecke77 » Do 19. Okt 2023, 09:31

In der Suchfunktion habe ich nichts gefunden.

In Zivil- und Strafverfahren vor Gericht können Zeugen online zugeschaltet werden. Dass Zeugen und Beschuldigte online vernommen werden, habe ich bei meinem Brötchengeber noch nicht erlebt.

Die Polizei NRW bietet seit geraumer Zeit diese Option an:
Bis Jahresende: Vernehmungen bei der NRW-Polizei auch online möglich
Minister Reul: Die Online-Vernehmung vereinfacht Verfahren um ein Vielfaches

Als erstes Bundesland bietet die nordrhein-westfälische Polizei Vernehmungen künftig auch online an.

Inneres
Als erstes Bundesland bietet die nordrhein-westfälische Polizei Vernehmungen künftig auch online an. Bis Jahresende soll in allen 47 Kreispolizeibehörden neben dem persönlichen Erscheinen im Kriminalkommissariat auch die Vernehmung per Video möglich sein. Dies bringt Erleichterungen für die kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung und für die Bürgerinnen und Bürger mit sich.

Minister Reul: „An dieser Stelle ist Nordrhein-Westfalen einmal mehr bundesweiter Vorreiter. Wir schaffen hier eine enorme Erleichterung – für die Polizei und für die Bürgerinnen und Bürger: eine Win-Win-Situation. Die Online-Vernehmung vereinfacht Verfahren um ein Vielfaches und sorgt für eine flexible Polizeiarbeit.“

Bislang müssen Zeugen oder Geschädigte persönlich im Kriminalkommissariat erscheinen, um ihre Aussagen aufzugeben. Dies wird häufig zum Problem, da der Wohnort der Beteiligten nicht selten vom Tatort abweicht. In diesen Fällen übernimmt die wohnortsansässige Dienststelle die Vernehmung. Die Sachbearbeitung durch mehrere Ermittlerinnen und Ermittler kann zu längeren Verzögerungen führen. Auch die persönliche Vernehmung von Deutschen, die im Ausland leben, wurde durch bürokratische Verfahren erschwert. Die Online-Vernehmung erspart künftig eine weite Anreise, bürokratische Verfahren und die Bearbeitung durch unterschiedliche Dienststellen.

(....)

https://www.land.nrw/pressemitteilung/b ... e-moeglich
Unklar sind mir folgende Punkte:

- Wie erfolgt die Unterzeichnung der verschriftlichen Vernehmung?
- Weshalb dürfen / können Beschuldigte nicht online vernommen werden?
- Was ist, wenn die Zeugen im Ausland aufhältig sind? Kann / darf die Vernehmung dann trotzdem online erfolgen? (Umgehung der zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfe?)
- Mit welchen Programm erfolgt die Vernehmung von Zeugen und / oder andere Verfahrensbeteiligten bei der Polizei NRW?

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Do 19. Okt 2023, 15:52

Wie erfolgt die Unterzeichnung der verschriftlichen Vernehmung?
Gar nicht. Siehe §§ 168 a und b StPO.
Weshalb dürfen / können Beschuldigte nicht online vernommen werden?
Worauf beruht diese Annahme, die mal wieder als Fakt präsentiert wird?
Was ist, wenn die Zeugen im Ausland aufhältig sind?
Hier bedarf es weiterhin eines entsprechenden Rechtshilfeersuchens. Wie der Artikel auch sagt, sind online Vernehmungen aber auch nur bei geeigneten Ermittlungsverfahren einzusetzen. Man muss also nicht für jede Fallkonstellation online vernehmen.
Mit welchen Programm erfolgt die Vernehmung von Zeugen und / oder andere Verfahrensbeteiligten bei der Polizei NRW?
Mit dem HiPoS Videokonferenzsystem aus dem Hause Cisco
:lah:

Knaecke77
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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Knaecke77 » Do 19. Okt 2023, 17:05

Danke für die Beantwortung der Fragen.

"Weshalb dürfen / können Beschuldigte nicht online vernommen werden?"
Worauf beruht diese Annahme, die mal wieder als Fakt präsentiert wird?
Die von mir verlinkte Informationen der Polizei NRW pries lediglich die Vorteile für Zeugen an. Im Umkehrschluss ging ich fälschlicherweise davon aus, dass Beschuldigte von diesem Angebot nicht profitieren können.

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Knaecke77 » Fr 20. Okt 2023, 07:15

Es haben sich noch Fragen ergeben:

- Verfügen nur die Kriminalkommissariate über die Option Onlinevernehmungen durchzuführen?

- Wie kann man sich eine Onlinevernehmung praktisch vorstellen?
Wird die Vernehmung gleich mitgeschrieben oder erst einmal aufgezeichnet und dann verschriftlicht?
Werden die aufgezeichneten digitalen Vernehmungen mit den Ermittlungsakten an die Staatsanwaltschaft übersandt?
Auf welchen Datenträgern werden die Vernehmungen gespeichert?

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon beni » Mo 23. Okt 2023, 07:04

Die Vernehmungen werden durch Verkehrskommissariate und Kriminalkommissariate geführt (nicht durch WWD)
Man lässt sich online einen Vernemungsraum durch das LZPD zuweisen,nachdem man beim Bürger angefragt hat,ob er eine Onlinevernehmung wünscht. Der Bürger erhält dann einen QR Code und kann sich zum Termin in den „Vernehungsraum“ einwählen.
Man schaltet sich dann selber dazu. Im Büro habe ich z.b zwei Monitore
Auf einem läuft die Videokonferenz (Bürger sieht mich, ich sehe Bürger )
Auf dem anderen Bildschirm fertige ich dann die Vernehmung. Im Anschluss kann ich dem Bürger zum lesen der Vernehmung den Bildschirm „freigeben“ und er liest das Verschriftlichte und das war’s dann.
Vernehmungen werden nicht aufgezeichnet.
Gruß Nicole
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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Knaecke77 » Mo 23. Okt 2023, 08:04

@ beni

Vielen Dank für die Info.

Ich habe über das Ideenmanagment angeregt, auch beim Zoll Onlinevernehmungen zu ermöglichen. Mal schauen, ob der Vorschlag aufgegriffen wird. :polizei1:

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon beni » Mo 23. Okt 2023, 11:43

Ich hätte da einen Monitor im Angebot 😂 ich hab die Leute lieber direkt vor mir sitzen
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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon thh » Mo 23. Okt 2023, 21:54

beni hat geschrieben:
Mo 23. Okt 2023, 07:04
Die Vernehmungen werden durch Verkehrskommissariate und Kriminalkommissariate geführt (nicht durch WWD)
Man lässt sich online einen Vernemungsraum durch das LZPD zuweisen,nachdem man beim Bürger angefragt hat,ob er eine Onlinevernehmung wünscht. Der Bürger erhält dann einen QR Code und kann sich zum Termin in den „Vernehungsraum“ einwählen.
Man schaltet sich dann selber dazu. Im Büro habe ich z.b zwei Monitore
Auf einem läuft die Videokonferenz (Bürger sieht mich, ich sehe Bürger )
Bestehen keine Bedenken, dass auf die Angaben des Zeugen durch weitere Personen außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera Einfluss genommen werden könnte?
beni hat geschrieben:
Mo 23. Okt 2023, 07:04
Auf dem anderen Bildschirm fertige ich dann die Vernehmung. Im Anschluss kann ich dem Bürger zum lesen der Vernehmung den Bildschirm „freigeben“ und er liest das Verschriftlichte und das war’s dann.
Wie wird dabei verhindert, dass ein Zeuge durch Screenshots (oder schlicht Fotos) eine Kopie seiner Vernehmung anfertigt?

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Mo 23. Okt 2023, 22:14

1. Doch
2. Gar nicht.
:lah:

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon beni » Di 24. Okt 2023, 05:36

Man weißt den Zeugen explizit darauf hin,dass niemand bei ihm sein darf und Mitschnitte und Screenshots verboten sind
Verhindern kann man es nicht
Kannst du abschließend bei einer persönlichen Vernehmung auch nicht (vielleicht nimmt er die Vernehmung auf)
Gruß
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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon beni » Di 24. Okt 2023, 05:36

Man weißt den Zeugen explizit darauf hin,dass niemand bei ihm sein darf und Mitschnitte und Screenshots verboten sind
Verhindern kann man es nicht
Kannst du abschließend bei einer persönlichen Vernehmung auch nicht (vielleicht nimmt er die Vernehmung auf)
Gruß
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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon thh » Di 24. Okt 2023, 07:29

beni hat geschrieben:
Di 24. Okt 2023, 05:36
Man weißt den Zeugen explizit darauf hin,dass niemand bei ihm sein darf und Mitschnitte und Screenshots verboten sind
Verhindern kann man es nicht
Hm. Dann mag das für manche Fälle geeignet sein, für viele andere eher nicht.
beni hat geschrieben:
Di 24. Okt 2023, 05:36
Kannst du abschließend bei einer persönlichen Vernehmung auch nicht (vielleicht nimmt er die Vernehmung auf)
Das Risikopotential scheint mir allerdings völlig anders zu sein.

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Di 24. Okt 2023, 08:19

thh hat geschrieben:
Di 24. Okt 2023, 07:29
beni hat geschrieben:
Di 24. Okt 2023, 05:36
Man weißt den Zeugen explizit darauf hin,dass niemand bei ihm sein darf und Mitschnitte und Screenshots verboten sind
Verhindern kann man es nicht
Hm. Dann mag das für manche Fälle geeignet sein, für viele andere eher nicht.
Ja, genau so steht es ja weiter oben und im Bezugserlass geschrieben.

Nochmal: Man muss nicht online vernehmen.

Für viele denkbare und unproblematische Fälle ist es aber sowohl für die sachbearbeitende Person als auch den Bürger eine erleichternde Serviceleistung
:lah:

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon Knaecke77 » Di 24. Okt 2023, 10:35

beni hat geschrieben:
Di 24. Okt 2023, 05:36

Verhindern kann man es nicht
Kannst du abschließend bei einer persönlichen Vernehmung auch nicht (vielleicht nimmt er die Vernehmung auf)
Gruß
Korrekt. Fast jeder Besitz heutzutage ein Smartphone. Die Aufnahme der Vernehmung ist somit problemlos möglich.
Eine Möglichkeit dies zu unterbinden könnte sein, die zu vernehmende Personen zu bitten, das Handy auszuschalten. Erzwungen werden kann das jedoch nicht.

Was in der Zeugenvernehmung ausgesagt wurde, sieht der Beschuldigte eh, wenn Akteneinsicht beantragt wurde.

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Re: Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen Online

Beitragvon thh » Mi 25. Okt 2023, 21:19

Knaecke77 hat geschrieben:
Di 24. Okt 2023, 10:35
Eine Möglichkeit dies zu unterbinden könnte sein, die zu vernehmende Personen zu bitten, das Handy auszuschalten. Erzwungen werden kann das jedoch nicht.
Das sehe ich anders, aber nun gut.
Knaecke77 hat geschrieben:
Di 24. Okt 2023, 10:35
Was in der Zeugenvernehmung ausgesagt wurde, sieht der Beschuldigte eh, wenn Akteneinsicht beantragt wurde.
Natürlich; der hat ja auch ein Akteneinsichtsrecht. Der Zeuge aber nicht - mit Grund. Der Punkt ist ja, dass der Zeuge keine Kopie seiner polizeilichen Aussage haben soll, weil sonst die Überprüfung der Aussagekonstanz (Angaben in der Hauptverhandlung ggü. Angaben in ggf. verschiedenen polizeilichen Vernehmungen mit zeitlichem Abstand) nicht möglich ist.


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