Welche Kampfsportart?

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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon EtOH » So 2. Dez 2012, 17:32

Maure hat geschrieben: Versuche doch mal die Anwendung von Aikido bei einem der abgeht wie ein rotes Mopped. Zum Hebeln musst du mal mindestens einen Arm erwischen. Viel Spass dabei!
Würde es dich wundern, wenn ich dir sage, dass einem ganzen Batzen der Aikidokas relativ egal ist welchen Körperteil oder welches stück Kleidung sie erwischen wenn sie Kontakt aufnehmen wollen?
Trooper hat geschrieben: Ich halte Hebeln im Stand ohnehin für eine etwas fragwürdige Sache. Auch und gerade weil ich selber lange genug dienstlich mit den üblichen "Armstreckhebel zu Boden", "Armbeugehebel" und "Kipphandhebel" bedacht worden bin, die lange Zeit das polizeiliche Training dominiert haben.

Das Problem liegt darin, daß für erfolgreiches Hebeln zwei Dinge notwendig sind: erstens muß ich den Gegner vorher bestmöglich immobilisieren/kontrollieren und zweitens muß ich das gehebelte Körperteil isolieren. Tue ich das nicht, ergeben sich daraus etliche taktische Schwierigkeiten.
Und schon der erste Denkfehler, den leider auch Aikido-Anfänger machen die "Hebel" kommen zustande, weil man die Gelenke blockieren will damit man auf den Körperschwerpunkt des Gegners einwirken kann. Schmerzen und Verletzungen sind trivial.
Erstens ist es relativ schwierig, in einem Gerangel, in dem sich der (stehende) Gegner komplett frei bewegen kann, ein Körperteil so zu fassen zu bekommen, daß ein Einwirken auf ein Gelenk möglich wird.
Ein elementarer Denkfehler man geht die Sache nicht so an, dass man eine Technik durchziehen will. Man macht was man dank Training im Gefühl hat. Da kommen teilweise recht interessante Sachen bei raus.

Zweitens kann mein Gegner möglicherweise durch Verlagerung seines Körpers meine Technik zunichte machen. Die einzige Möglichkeit, dies sicher zu verhindern, wäre, ihm zuvorzukommen und den Hebel mit Maximalgeschwindigkeit durchzuziehen, was ein erhebliches Verletzungsrisiko bedeutet.

Drittens funktionieren Hebeltechniken über Schmerzreize. Wenn die Fähigkeit zum Empfinden von Schmerzen durch körpereigene oder körperfremde Substanzen herabgesetzt ist, wird die Technik kaum funktionieren, Verletzungen hin oder her. Ist der Gegner nicht immobilisiert, befinde ich mich in der blöden Situation, daß ich in einer erfolglosen Technik mit beiden Händen an einem Gegner hänge, der noch ein erhebliches Maß an Handlungs- und Bewegungsfähigkeit und mindestens eine freie Hand hat.
Nein nur der Murx den ein Rahnsich erdacht hat und leider im Wald und Wiesendojo unterrichtet wird "funktioniert" über Schmerz. Aikidokas, BBTler, trad. Judokas und Co werden das Gleichgewicht angreifen. Ob das dabei weh tut ist sowas von trivial.
(Als dieser Kram noch relativ flächendeckend bei unserem Laden unterrichtet wurde, habe ich immer im Sparring einen Heidenspaß mit unseren Praktis gehabt, die ständig nach meiner einen Hand zwecks Kipphandhebel zu haschen versuchten, während sie von der anderen Hand simultan eine gegongt bekamen).

Die logische Folgerung daraus: Hebel sind keine Takedown-, sondern Kontrolltechniken und gehören nicht in den Stand, sondern auf den Boden, wo der Gegner in eine Kontrollposition manövriert wird, aus der heraus ich ihn effizient und mit minimaler Eigengefährdung hebeln kann. Im BJJ/Grappling (das unbestritten das dasjenige System ist, das sich am ausführlichsten mit funktionaler Hebelei beschäftigt) gilt nicht umsonst die Maxime "Position before Submission", und genauso verhält es sich auch.

Damit will ich nicht sagen, daß sämtliche Hebeltechniken im Stand niemals funktionieren können. Ich habe auch schon Leute mit dem o.g. Kram erfolgreich eingesackt. Die waren zumeist berauscht, jämmerlich und nur bedingt von echtem Widerstandswillen getragen. Es sind aber Dinge, die bestenfalls unter "nice to know" laufen sollten und keinesfalls einen Kernbestandteil meines taktischen Konzepts ausmachen dürfen. Bei der Polizei, die mit minimalem Zeitansatz im Training auskommen muß, haben derartige Sachen erst recht nix verloren. Wir können es uns nicht leisten, in erster Linie für das Opfer, den schneckenlangsamen und gleichgewichtsamputierten Bewegungslegastheniker zu trainieren, sondern wir müssen unser Trainingskonzept an dem "worst case" ausrichten, nämlich dem zweikampfgewillten Täter.

Sinnvolle Takedowns sind in diesem Zusammenhang eher ringerische Techniken, bei denen ich aus dem Clinch heraus durch Zufassen den gegnerischen Oberkörper kontrolliere, aus dem Gleichgewicht bringe und durch eigene Bewegung und/oder Beinarbeit den Umkipp-Punkt erreiche. Ringer und Judoka haben hier massive Vorteile... Sicheln, Feger, Ausheber, Beinwürfe, Fallzüge usw. sind das Mittel der Wahl.
Solche Hebel wie du sie beschreibst gibt es im Aikido nicht. Sofern es richtig unterrichtet wird was nicht immer der Fall ist.
Die Dinger sind das Resultat Übungen abzuschauen, diese dann auch noch zu verschlimmbessern ohne den Sinn und Inhalt vorher zu begreifen. Das Ganze nennt man anschließend Technik und funktioniert nur bei kooperativen Dummys.
Egal was du machst es funktioniert nur wenn es richtig Unterrichtet wird.
Und das bedeutet ua wenn einer anfängt ala "Und der Schmerz zwingt ihn zum mitgehen" sollte man sich ein neues Dojo suchen. Bei den Sortaten hat man zum Glück eine Art Qualitätskontrolle, die ein gewisses Niveau sichert.
sailor hat geschrieben:Ob man das Gelernte bei einem sich wehrenden Gegenüber einsetzen kann, kommt natürlich immer auf die Situation an. Das lernt man sicher mit der Zeit einzusetzen. Allerdings ist es beim Aikido doch so, dass man die Angriffe des Gegners praktisch "vorausahnen" muss, damit man die richtige "Aushebeltaktik" einsetzen kann. Das braucht natürlich seine Zeit, bis das möglich ist.
waahhrg!
Der Trick beim Aikido liegt ja darin, die Kraft und die Angriffe des Gegners so umzuhebeln dass sie am Ende gegen ihn verwendet werden können.
Der "Trick" beim Aikido ist ersteinmal Bewegung, Kontrolle und Gleichgewichtsbruch. Und vor allem dem Gegner die Initiative zu rauben. Das man auftretende Kräfte manipuliert bietet sich doch einfach nur an.

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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon Beobachter » So 2. Dez 2012, 17:47

Bis du da dank Training irgendwas derart "im Gefühl" hast, dass du es seeehr spontan und so effektiv wie nötig aus deiner Trickkiste ziehen kannst, braucht's jahrelanges Training an mehreren Tagen der Woche.
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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon theodorant » So 2. Dez 2012, 17:50

Bis jetzt habe ich interessiert mit gelesen, ganz sicher das eine Kampfsportart in den Dienstalltag eines Polizisten passt?

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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon Beobachter » So 2. Dez 2012, 18:19

Nein. Sicher nicht.
Es gibt immer Alternativen: andere Backe hinhalten, Beschwörungsformeln, wenn einer nich freiwillig mitkommen will...oder auch einfach mal nachgeben. :ja:
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Beitragvon MICHI » So 2. Dez 2012, 18:24

Beobachter hat geschrieben:oder auch einfach mal nachgeben. :ja:
Eine angedrohte Maßnahme die Zwang erfordert nicht durchsetzen?

:nein:
Gruß
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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon Beobachter » So 2. Dez 2012, 18:32

Eben.
Ich meinte, die Ironie war deutlich genug.

@theodorant
Was schlägst du denn vor, wenn das "Gegenüber" nicht nur nicht tut, was man ihm sagt, sondern sich auch noch entziehen bzw. wehren oder einfach irgendwen angreifen möchte?
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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon theodorant » So 2. Dez 2012, 18:43

Beobachter hat geschrieben: @theodorant
Was schlägst du denn vor, wenn das "Gegenüber" nicht nur nicht tut, was man ihm sagt, sondern sich auch noch entziehen bzw. wehren oder einfach irgendwen angreifen möchte?
Ich denke da an ein reines SV-System. Bei An/Übergriffen auf der Straße gibt es keine Regeln, keine Ringrichter, keine Gewichtsklassen, keine Schutzausrüstung, Zeitpunkt Tat und Anzahl der "Gegner" ist völlig überraschend usw. All diese Dinge und noch viel mehr unterscheiden doch Kampfsport vom Straßenkampf.

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Welche Kampfsportart?

Beitragvon MICHI » So 2. Dez 2012, 18:49

Deswegen gibt es ja das ETR, wo auch das Zusammenspiel der Beamten untereinander beinhaltet.
Was nützt dir eine Kampfsportart, wenn du z. B. jemandem aus dem Auto holen willst, der nicht möchte?
Gruß
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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon theodorant » So 2. Dez 2012, 18:52

MICHI hat geschrieben: ETR
Was ist das?

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Welche Kampfsportart?

Beitragvon MICHI » So 2. Dez 2012, 18:54

Einsatztraining!
SV-Techniken, taktisches Vorgehen usw.
Gruß
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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon theodorant » So 2. Dez 2012, 18:56

Danke, heißt ja überall anders. Bei der Justiz aktuell DST.

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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon Trooper » So 2. Dez 2012, 19:49

Und schon der erste Denkfehler, den leider auch Aikido-Anfänger machen die "Hebel" kommen zustande, weil man die Gelenke blockieren will damit man auf den Körperschwerpunkt des Gegners einwirken kann. Schmerzen und Verletzungen sind trivial.
Sämtliche Erfahrungen, auf die ich nach einem halben Leben mit Kampfsport und mehr als einer Dekade auf dem Streifenwagen zurückgreifen kann, sind da anderer Meinung. Auf den Körperschwerpunkt wirke ich ein, indem ich mir den besagten Körperschwerpunkt (nämlich den Oberkörper) greife, umschubse, umreiße oder die Beine wegbolze (um es mal umgangssprachlich auszudrücken). Nicht indem ich an seinem Arm rumdrehe.
Ein elementarer Denkfehler man geht die Sache nicht so an, dass man eine Technik durchziehen will. Man macht was man dank Training im Gefühl hat. Da kommen teilweise recht interessante Sachen bei raus.
Praktischerweise erlernt man in verschiedenen Schritten technische Handlungskomplexe, die an die taktischen Erfordernissen von bestimmten typischen Kampfsituationen angepaßt sind. Sie werden zunächst drillmäßig verfestigt und dann durch stetige Wiederholung in immer freier werdenden Sparringsformen zur Anwendungsreife gebracht. Interessant ist lediglich, was dauerhaft und reproduzierbar funktioniert, und was das in welcher Situation meistens ist, kann man empirisch ermitteln. Erfolgreiche (Wett-)Kämpfer gewinnen ihre Auseinandersetzungen in aller Regel mit relativ wenigen Techniken.
Nein nur der Murx den ein Rahnsich erdacht hat und leider im Wald und Wiesendojo unterrichtet wird "funktioniert" über Schmerz. Aikidokas, BBTler, trad. Judokas und Co werden das Gleichgewicht angreifen. Ob das dabei weh tut ist sowas von trivial.
Du übersiehst den "Murx", der nicht von irgendwem erdacht wurde, sondern der sich über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte an den verschiedensten Orten in der ganzen Welt in unzähligen mehr oder weniger regulierten Kämpfen und Sparringsrunden evolutionär entwickelt hat und der irgendwann mal in der Form des heutigen MMA mit seinen Sub- bzw. Quelldisziplinen kodifiziert worden ist.

Gemäß diesem "Murx" ist ein Hebel eine Submission, nämlich eine Möglichkeit, durch Schmerz ein Tun, Unterlassen oder eine Aufgabe zu erzwingen (oder bei Nichtbefolgen durch mechanische Körperschäden einen KO zu bewirken), und der unter den von mir weiter oben genannten Umständen bewirkt wird.

Ich war nie in einem "Wald- und Wiesendojo" (sofern du damit - wie ich vermute - die DJJV-Sparte im Sportverein an der Ecke meinst), aber der von mir genannte "Murx", den ich in einem sportlich orientierten Wettkampfgym für einschlägige Kontaktsportarten gelernt habe, hat sich in der Praxis immer am besten bewährt (und ich habe weiß Gott eine ganze Anzahl Trainingssysteme betrieben und verglichen). Dieser "Murx" ist übrigens auch die einzige Lösung, die empirische Beweisführung für ihre Qualitäten für sich reklamieren kann. Im Gegensatz zu dem anderen "Murx", den ein Hatsumi sich erdacht hat und von dem ich nach hinreichendem Ausprobieren wieder schnellstens Abstand genommen habe. The proof is in the pudding...

Vor guten Judokas habe ich übrigens den größten Respekt (ebenso wie vor guten Ringern), und zwar, weil dort hart und athletisch trainiert, in jeder Trainingseinheit umfangreich frei gekämpft und jegliche Technik (und jeder Anwender) im unbarmherzigen Labor des Randori und Shiai auf Herz und Nieren getestet wird.
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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon Trooper » So 2. Dez 2012, 20:07

theodorant hat geschrieben:
Beobachter hat geschrieben: @theodorant
Was schlägst du denn vor, wenn das "Gegenüber" nicht nur nicht tut, was man ihm sagt, sondern sich auch noch entziehen bzw. wehren oder einfach irgendwen angreifen möchte?
Ich denke da an ein reines SV-System. Bei An/Übergriffen auf der Straße gibt es keine Regeln, keine Ringrichter, keine Gewichtsklassen, keine Schutzausrüstung, Zeitpunkt Tat und Anzahl der "Gegner" ist völlig überraschend usw. All diese Dinge und noch viel mehr unterscheiden doch Kampfsport vom Straßenkampf.
Und ich denke, daß du den tatsächlichen Anwendungsbereich polizeilichen Einsatztrainings verkennst. Auch wenn das mediale Echo ungleich größer ist, stellen Angriffe gegen Polizeibeamte nur einen relativ kleinen Teil polizeilicher Zwangsanwendung dar. Die Masse der Fälle entfällt auf Konstellationen, in denen die Polizei technisch gesehen der "Aggressor" ist, weil eine polizeiliche Maßnahme gegen Widerstand mit Zwang durchgesetzt wird.

Im übrigen verbessert man seine Kompetenz in Sachen physische Konfliktbewältigung meiner Erfahrung nach nicht damit, daß man krasse Killer-Special-Forces-Straßenkampftechniken ohne Gewichtsklassen, Schutzausstattung etc. lernt, sondern indem man erprobte, nachgewiesenermaßen brauchbare Konzepte erarbeitet, parallel regelmäßig gegen kompetente Gegnern kämpft und das vermittelte Material kontinuierlich gegen solche testet.

Und damit ist man zwangsläufig bei Kontaktsportarten mit Zweikampfcharakter gelandet. Alternativ auch womöglich bei Systemen ohne sportlichen Anspruch, die sich aber bei den aus den Zweikampfsportarten entnommenen Trainingsmethodiken bedienen; dann hängt die Brauchbarkeit des Systems allerdings komplett davon ab, ob der fragliche Ausbilder einen umfangreichen Background in sportlichem Kämpfen hat und in der Lage ist, sportwissenschaftliche Methodik auf SV-Training zu übertragen. Behaupten tun das viele, können tun das bei weitem nicht alle.
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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon EtOH » Mo 3. Dez 2012, 00:37

Trooper hat geschrieben:
Und schon der erste Denkfehler, den leider auch Aikido-Anfänger machen die "Hebel" kommen zustande, weil man die Gelenke blockieren will damit man auf den Körperschwerpunkt des Gegners einwirken kann. Schmerzen und Verletzungen sind trivial.
Sämtliche Erfahrungen, auf die ich nach einem halben Leben mit Kampfsport und mehr als einer Dekade auf dem Streifenwagen zurückgreifen kann, sind da anderer Meinung. Auf den Körperschwerpunkt wirke ich ein, indem ich mir den besagten Körperschwerpunkt (nämlich den Oberkörper) greife, umschubse, umreiße oder die Beine wegbolze (um es mal umgangssprachlich auszudrücken). Nicht indem ich an seinem Arm rumdrehe.
Macht der Aikidoka doch auch. Und auch wenn der andere einen umklammert^^.
Oder über den Kopf bzw das Genick usw.
Der Körperschwehrpunk liegt übrigens nicht im Oberkörper sondern im abdominalen Bereich.
Ich wollt nur erklären, dass die Hebelei im Stand dann nicht funktioniert, wenn sie fundamental falsch gemacht wird. Nicht über den Schmerz wirkt es, sondern dadurch dass das Gleichgewicht manipuliert wird.
Ein elementarer Denkfehler man geht die Sache nicht so an, dass man eine Technik durchziehen will. Man macht was man dank Training im Gefühl hat. Da kommen teilweise recht interessante Sachen bei raus.
Praktischerweise erlernt man in verschiedenen Schritten technische Handlungskomplexe, die an die taktischen Erfordernissen von bestimmten typischen Kampfsituationen angepaßt sind. Sie werden zunächst drillmäßig verfestigt und dann durch stetige Wiederholung in immer freier werdenden Sparringsformen zur Anwendungsreife gebracht. Interessant ist lediglich, was dauerhaft und reproduzierbar funktioniert, und was das in welcher Situation meistens ist, kann man empirisch ermitteln. Erfolgreiche (Wett-)Kämpfer gewinnen ihre Auseinandersetzungen in aller Regel mit relativ wenigen Techniken.
Was wunderbar geht, wenn man ein Regelwerk hat, und ähnliche körperliche Voraussetzungen. Und was zugegebener Weise bei dem Großteil der Gewaltanwendung reicht.
Was in den trad. Kata (Bewegungsaufgaben) eingeschliffen wird sind übrigens Bewegungsmuster und ein Gefühl für Biomachanik. Was dann im Randori (Sammelbezeichnung für die freihen Übungsformen) zur Anwendungsreife gebracht wird. Selbe Methode nur eine Ebene abstrakter.
Nein nur der Murx den ein Rahnsich erdacht hat und leider im Wald und Wiesendojo unterrichtet wird "funktioniert" über Schmerz. Aikidokas, BBTler, trad. Judokas und Co werden das Gleichgewicht angreifen. Ob das dabei weh tut ist sowas von trivial.
Du übersiehst den "Murx", der nicht von irgendwem erdacht wurde, sondern der sich über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte an den verschiedensten Orten in der ganzen Welt in unzähligen mehr oder weniger regulierten Kämpfen und Sparringsrunden evolutionär entwickelt hat und der irgendwann mal in der Form des heutigen MMA mit seinen Sub- bzw. Quelldisziplinen kodifiziert worden ist.

Gemäß diesem "Murx" ist ein Hebel eine Submission, nämlich eine Möglichkeit, durch Schmerz ein Tun, Unterlassen oder eine Aufgabe zu erzwingen (oder bei Nichtbefolgen durch mechanische Körperschäden einen KO zu bewirken), und der unter den von mir weiter oben genannten Umständen bewirkt wird.
Eine Submission wird idR erst angewendet wenn der Gegner schon dominiert wird.
Die BJJ'ler sagen nicht umsonst "first position then submission".

Die Hebelei im Stand ist eine ganz andere Geschichte und sind mir so über den Schmerz "wirkend" nur in "modernen" Stilen wie Rahnsches JiuJitsu,dt. JuJutsu und SV-Quatsch begegnet. Beim Aikido und BBT begegnetet mit Kote gaeshi und Konsorten in der von mir beschriebenen praktischen Anwendung. Das ist die Basisform. Wird die beherrscht, ist es kein Problem diese abzuwandeln und das Gelenk zu brechen oder Schmezen zuzuführen. Das sind dann aber die Gimicks.

Gerade die trad. Varianten im Aikido und BBT funktionieren oft auch, wenn der Gegner plötzlich bockt und den Arm anspannt, sich also zB gegen das Beugen wehrt. Dann fällt er sogar schneller.

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Re: Welche Kampfsportart?

Beitragvon The-Funky-Beast » Mo 3. Dez 2012, 06:21

Also ohne mich jetzt hier auf ein Podest stellen zu wollen oder Aikido schlecht reden zu wollen...

Nach meinem ersten Jahr Freefight hatten wir mal einen Aikido-Lehrgang an meiner KK-Schule. Ich wollts dann einfach mal etwas genauer wissen und hatte vorgeschlagen mal eine reelle Situation nachzustellen (natürlich mit Kopf-, Mund- & Schienbeinschutz sowie Grappling-Handschuhen :verweis: ), gegen einen anwesenden Aikido-Schüler der das ganze zu dem Zeitpunkt seit knapp 6 Jahren gemacht hat.

Wir Freefighter/MMAler trainieren zwar im Training durchaus auch Haltegriffe und Hebel, welche aber nicht solche sind, die die Kraft des Gegners gegen ihn nutzen oder sein Gewicht oder was auch immer. Wettkampfbedingt zielt das ganze bei uns nunmal in dem Fall auf Kraft und (beim Gegner verursachten) Schmerz ab.
Hab also in dieser nachgestellten Situation hauptsächlich Schläge, Tritte, Kniestöße etc. ausgeteilt, weil das wohl auch die Dinge sind, die in einer Auseinandersetzung außerhalb von irgendwelchen Trainigseinrichtungen am meisten auf einen zukommen.

Und trotz allem hat der gute mir dann wenig bis gar nichts entgegen zu setzen gehabt. Er hat zwar immer versucht entsprechende Griffe bei mir anzusetzen oder durch wegdrehen/ausweichen, plus anschließendem Griff, der Lage Herr zu werden... aber am Ende haben wir das ganze dann auch abgebrochen, weil er trotz Schutzausrüstung schon recht lädiert war und auch schon so ziemlich aus dem letzten Loch gepfiffen hat.
Mal abgesehen davon, dass es eh unpraktisch wäre in eine Auseinandersetzung zu geraten, die so lange geht das es stark an die Kondition geht (schließlich ist man ja dazu angehalten solche Dinge schnell in den Griff zu kriegen), frag ich mich doch... trifft ein Aikido-Schüler mal auf einen der zwar keine Kampfkunst/-sport betreibt, sich aber regelmäßig da mit anderen Deppen die Birne einschlägt und dementsprechend körperlich schon ein bisschen was drauf hat, kann er dem dort wirklich Paroli bieten und die Situation dann sogar beruhigen/entschärfen (was ja die vorrangige Aufgabe eines PVB bei einer handfesten Auseinandersetzung sein sollte)?

Ist schon dolle merkwürdig, wenn eine Aikido-Braungurt (nochmal zu betonen: seit 6 Jahren im Training) gegen einen Freefighter (zu dem Zeitpunkt seit 1 Jahr im Training), der wirklich bloß schlägt und tritt, so sang- und klanglos untergeht. (Training findet auf beiden Seiten jeweils 2mal die Woche statt)
Man muss sich schließlich vor Augen halten, dass dann die nächste Stufe bei ihm schon der Schwarzgurt, respektive der erste Meistergrad, wäre.

Meiner bescheidenen Meinung nach eignet sich reines Aikido für einen Gegner der auf Gewalt gebürstet ist und "abgeht wie ein rotes Mopped" nur bedingt.

Eine danach gestellte Situation zwischen meinem Trainer und dem anwesenden Aikido-Meister ging dann noch schneller zu ende, weil mein Trainer dann auch Hebel und Haltegriffe angewandt hat.
Damit will ich nicht sagen, dass Aikido aus Sicht einer Kampfkunst nichts bringt. Was ich sagen will ist:
Gegen einer Gegner der einigermaßen gute Kontrolle über seinen Körper hat, weiß was er damit anstellen kann und vor allem keine traditionelle Kampfkunst anwendet (am gefährlichsten sind die ganzen Straßenschläger immer noch, weil man nie weiß oder auch nur erahnen kann was sie als nächstes anstellen) ist Aikido unter Aspekten der SV und wohl auch des polizeilichen Eingreifen eher weniger zweckdienlich.

Sinnvoller wäre hier wohl Judo, Krav Maga oder Jiu Jutsu... weil dort, meiner bescheidenen Meinung nach, körperlich einfach viel mehr wert drauf legen auch selbst Kraft in Angriff/Abwehr zu legen, anstatt sich vorrangig darauf zu verlassen, die Kraft des Gegners gegen ihn selbst nutzen können (auch wenn so mancher Judoka gern mal was anderes behauptet, als 60kg-Hemd einen 100kg-Berg umzuwerfen ist zwar sicherlich möglich... aber nicht sehr wahrscheinlich^^).

Und subjektiv (!!!) gesehen finde ich dort die Technicken auch einfach etwas zweckdienlicherund schnörkelloser. Je weniger Technik und Schnick-Schnack, umso weniger kann man in der Hitze des Eingreifens falsch machen.
"Nur auf das Ziel zu sehen, verdirbt die Lust am Reisen."


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