Würger als Zugriffsmittel

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Timmey!
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Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Timmey! » Mo 21. Jul 2014, 18:02

Moin,

anlässlich dieses Vorfalls

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/p ... 82062.html

hätte ich mal die Frage, was ihr von Würgern als Zugriffsmittel haltet.
Insbesondere, ob jemand Unterlagen/Artikel zu diesem Thema hat. Hab im Rahmen des Studiums damals einen Artikel gefunden, in dem mit Zahlen aus Amerika herausgefunden wurde, dass Würger mit die geringste Verletzungsgefahr für Gegenüber/uns selber hat. Finde den Artikel nur leider nicht mehr.

Anmerkung:
Ich rede hier nicht von "ich greif mir mal den Hals und drücke zu" sondern vom gezielten Einsatz von Techniken (Rear Naked Choke, Guillotine), die vorher auch vernünftig gelernt werden müssen. Weiterhin für selbstverständlich halte ich es, dass man am Boden, wenn man auf ihm sitzt, den Würger löst und die Atmung erleichtert (Lagebedingter Erstickungstod)

Grüße!

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon RafaelGomez » Mo 21. Jul 2014, 19:05

Allein die Überschrift legt doch den Gedanken 'Überwältigen durch Einschränken der Luftzufuhr' nahe. Und das geht tatsächlich gar nicht. Allerdings gilt es mMn bei Zwangsanwendung auch darum, weiterführende Verletzungen zu vermeiden. Also kommst Du beim kontrollierten zu Boden bringen gar nicht drum herum, den sensiblen Schädelbereich abzufangen. Wenn Du nur den Kopf greifst, ist die Gefahr einer Wirbelsäulenverletzung v. a. im oberen Bereich allein durch die auftretenden Eigengewichtskräfte ziemlich groß. Daher ist der 'Schwitzkasten' ein recht gutes Mittel, den Probanden im Griff zu haben und gleichzeitig seine Möglichen Verletzungen halbwegs im Zaum zu halten. Zwang ist aber leider nie gefahrfrei. Und wenn ich einen Klienten habe, der wie im Artikel beschrieben, als Widerständler bekannt ist, und körperlich einiges mitbringt, ist es schwierig, das unerlässliche Maß zu halten. Da nützt es dann auch nichts, wenn derjenige betont 'diesmal' nichts gemacht zu haben.

Ich hab' bei solcher Situation einmal gepatzt, im Ergebnis ist der (widerborstige und volltrunkene) Kunde mit dem Kopf ungefedert aufgeschlagen. Das Geräusch habe ich heute noch negativ im Ohr und bin heilfroh, dass keine Schäden verursacht wurden. Dann lieber ein vernünftiger Griff und rechtzeitig wieder atmen lassen.

Gruß

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Aldous » Mo 21. Jul 2014, 20:42

Unsere SV-Leute predigen auch immer, dass Würgen nie polizeilichen Zwang darstellen kann und man sich damit auf das Glatteis begibt.

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Apollo » Di 22. Jul 2014, 00:12

Hmm weiß nicht dann lieber Nasenzug und Kiemengriff......
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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon zulu » Di 22. Jul 2014, 00:47

Also auch bei uns stellt würgen kein Zugriffsmittel dar. Die Gefahren sind viel zu groß.
RafaelGomez hat geschrieben:Allein die Überschrift legt doch den Gedanken 'Überwältigen durch Einschränken der Luftzufuhr' nahe. Und das geht tatsächlich gar nicht. ... Daher ist der 'Schwitzkasten' ein recht gutes Mittel, den Probanden im Griff zu haben und gleichzeitig seine Möglichen Verletzungen halbwegs im Zaum zu halten.
Widersprichst du dir da selbst, oder verstehe ich dich nicht richtig?

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Diag » Di 22. Jul 2014, 06:15

Diskussion hin oder her. In dem gezeigten Fall war das Würgen m. E. nicht ursächlich. Es sieht auch nicht so aus, als ob auf ihm "falsch" gekniet wird. Ich würde mal PAS aufgrund Körperfülle iVm Asthma vermuten.

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Timmey! » Di 22. Jul 2014, 06:29

Zumindest hab ich grad den einen Artikel gefunden, den ich meinte:

http://blaulichtmilieu.blogspot.de/

@Aldous: Genau darum geht es mir ja. Warum wird das als Tabuthema angesehen?


Ich habe bisher im Einsatz sehr gute Erfahrungen mit Würgern gemacht. Insbesondere bei vollgedröhnten Kunden kann ein gezielter Würger von hinten Wunder wirken, da er nicht auf Schmerzreizen beruht.
Vorteil meines Erachtens hierbei ist, dass man bei einem richtig ausgeführten Würger (Mata Leon/Rear Naked Choke) den Kopf unter Kontrolle hat. Bei den angesetzten Würgern (tatsächlich ca. 3-4 bisher) war die Würgezeit innerhalb von ca 2 Sekunden beendet, da die Person auf dem Bauch lag und man von dort "altmodisch" mit Hebeln/Greifen weiterarbeiten konnte.

@Rafael: Ich wollte eigentlich nicht auf die sogenannten Luftwürger hinaus. Diese funktionieren vermutlich tatsächlich nicht und tragen eher zum Erstickungstod bei, als dass sie helfen.

Was ich oftmals nicht verstehe, ist, dass viele Kollegen Würger verteufeln. Gleichzeitig sieht man aber, wenn Rangelei hitziger wird und man am Probanten herumzerrt, genau diese Kollegen, wie sie ihn in den Schwitzkasten nehmen, der faktisch nichts anderes ist.

Daher würde mich mal interessieren, ob Kollegen noch weitergehende Literatur haben, da insgesamt die Ausbeute sehr mau ist.

@Diag: Denke ich persönlich auch. Die Diskussion beruht auch eher auf den "verbotenen Würgetechniken" aus dem Artikel.

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Roscoe » Di 22. Jul 2014, 06:49

Hallo,

nach einigen Veranstaltungen mit einem renommiertem Gerichtsmediziner, sehe ich das auch mit anderen Augen. Da wurde durch seine Ausführungen deutlich , das egal welche Kompression auf den Hals ausgeübt wird, dies schwere Folgen haben kann.
Aber es war ja bisher immer gut gegangen.. :polizei10:
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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon DerLima » Di 22. Jul 2014, 08:04

Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen, dass der Kopf Steuerungsfunktion hat. Habe ich den Kopf unter Kontrolle, so habe ich auch MEIST die Person unter Kontrolle.
Dies funktioniert mit den diversen Griffen an und um den Hals oftmals am besten. Insbesondere wenn ich den Hals mittels Arm umgreife.
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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Roscoe » Di 22. Jul 2014, 08:06

Ja ,so sieht' s aus :zustimm:
" lieber zwölfmal Ärger, als von sechsen getragen werden "

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon vladdi » Di 22. Jul 2014, 09:43

Aldous hat geschrieben:Unsere SV-Leute predigen auch immer, dass Würgen nie polizeilichen Zwang darstellen kann und man sich damit auf das Glatteis begibt.
So sehe und so kenne ich das auch.
  • Würgetechniken sind für Polizeibeamte verboten.
  • Das ist kein legitimes Zwangsmittel.
  • Das ist in jedem Fall nie Verhältnismäßig im engeren Sinne.
  • Wenn wir schon die Problematik lagebdingter Erstickungstod kennen, wie kann man dann an würgen denken?


DerLima hat geschrieben:Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen, dass der Kopf Steuerungsfunktion hat. Habe ich den Kopf unter Kontrolle, so habe ich auch MEIST die Person unter Kontrolle.
Stimmt.
Dies funktioniert mit den diversen Griffen an und um den Hals oftmals am besten. Insbesondere wenn ich den Hals mittels Arm umgreife.
Stimmt auch, das mag am Hals am besten funktionieren, da das jedoch eine Würgetechnik darstellt ist es nicht zulässig (siehe oben) und du musst dir was anderes überlegen. Normalerweise gibt es ein "Handbuch" in dem deine Behörde ihre Techniken, die vermittelt werden, aufgelistet hat. Halte dich an die. Ergänze sie, wenn du trainiert bist, um weitere Techniken - aber bleibe auf der selben Linie, wie die Techniken, die deine Behörde freigegeben hat.

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon DerLima » Di 22. Jul 2014, 09:49

Eine der vermittelten Techniken ist es, den Kiefer von unten zu greifen. Sieht nach würgen aus, ist es aber nicht, komme mit dem Hals dabei nicht in Berührung.
Aber auch der umklammernde Griff von hinten (Blutentnahme unter Zwang) wird gelehrt. Mit deutlichem Hinweis (und auch dem einstudieren und üben) NICHT an den Hals zu gehen. Trotz allem geht mein Arm um den Hals.
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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Habakuk » Di 22. Jul 2014, 10:18

Eigentlich halte ich einen kurzzeitigen, kontrollierten Würger ( nicht bloßen Luftwürger) für ein gutes Mittel und gerade auch schmerzunempfindliche Personen schnell fixieren zu können, aber nachdem ich hierfür ein Verfahren bekommen hatte, habe ich mich von diesen Techniken schnell verabschiedet.

Ich halte den Kiemengriff und andere Kopfkontrolltechniken bei denen die Atmung nicht beeinträchtigt wird auch für die beste Methode. Natürlich beeinträchtigt oft das Gegenüber durch seine Widerstandshandlungen selber seine Atmung, gerade in einer dynamischen Situation ist eine kurzzeitige Atmungsbeeinträchtigung möglich.

Da gerade unbeteiligte Zeugen und oder die Presse oft keine Ahnung von den Techniken hat, hab ich mich schon in einer Zeitung sehen können, die meinte ich würde jmd. in einen "Schwitzkasten" nehmen, dann muss ich halt schriftlich meine Zwangsmaßnahme ausführlicher erläutern.

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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Beobachter » Di 22. Jul 2014, 10:28

Ich komme mal mit meiner "unmaßgeblichen Außensicht"...so als Denkanstoß:
Der Deutsche Judobund hat 2013 seine Regeln dahingehend geändert, dass Würgegriffe im Wettkampf in den Altersklassen U15 und jünger nunmehr verboten sind.
Warum? Weil es immer wieder zu unerwünschten Zwischenfällen gekommen ist und man das Zeug für die Anwendung unter Wettkampfbedingungen (Stress!) für zu gefährlich hält.
Die technisch saubere Ausführung (auch gegen dosierten Widerstand und aus einer Wettkampfsituation heraus) kann man bereits ab einem Alter von 13 Jahren in der Prüfung zum 2. Kyu (blauer Gürtel) demonstrieren.
Diese Prüfung besteht man nur, wenn man das vorher intensiv geübt hat.

Was ich damit sagen will: Jedenfalls der Deutsche Judobund geht davon aus, dass diese Techniken Training und Erfahrung erfordern, um sie gefahrfrei anwenden zu können.
Das wird auch der Grund sein, weshalb sie im polizeilichen Einsatztraining offenbar nicht gelehrt werden.

Meine Meinung: Wer am Hals rummacht, sollte ziemlich genau wissen, was er da tut.
Zuletzt geändert von Beobachter am Di 22. Jul 2014, 14:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Würger als Zugriffsmittel

Beitragvon Luk91 » Di 22. Jul 2014, 10:38

Bei uns sind "Würger" (off. "Kopf-Kontroll-Griff") ein ganz off. gelehrtes Mittel für Situationen bei Zugriffen.
Sie werden entsprechend bis zum Erbrechen trainiert.

Bei diesen Techniken, hat man nach meiner Einschätzung die höchste Kontrolle über das Gegenüber.
Lässt man die Kehlkopfzone, wie gelehrt, frei so ist das Risiko auch nicht unmäßig hoch. :lupe:

In den Jahren in denen ich jetzt dabei bin, ist bei uns im Land dadurch zumindets noch kein Kunde übermäßig zu Schaden gekommen.

Bei vielen anderen Techniken hat man dieses Maß an Kontrolle NICHT! (So zumindest meine Erfahrungen)
Zuletzt geändert von Luk91 am Di 22. Jul 2014, 10:47, insgesamt 1-mal geändert.
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