§ 113 StGB
1) Wer einem
Amtsträger [...] bei der Vornahme einer solchen
Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
aus einem Urteil: (OLG Düsseldorf 5 Ss 160/96-49/96 I)
a) Eine Vollstreckungshandlung i.S. des § 113 I StGB liegt vor, wenn ein Amtsträger mit seiner Tätigkeit den konkretisierten, also auf einen bestimmten Fall anzuwendenden und nach Umfang und Inhalt durch das Gesetz oder die in § 113 StGB bezeichneten Staatsorgane begrenzten staatlichen Willen notfalls zwangsweise durchzusetzen bezweckt (BGHSt 25, 313 (314); OLG Celle, NJW 1973, 2215; von Bubnoff, in: LK, 4. Band, 10. Aufl., § 113 Rdnr. 11; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., § 113 Rdnrn. 10 und 13).
Auch die unmittelbare Vollstreckung des in einem Gesetz zum Ausdruck gekommenen Staatswillens durch den hierzu berufenen Amtsträger ohne vorausgegangene gerichtliche oder behördliche Anordnung genießt den Schutz des § 113 StGB (RGSt 41, 82 (85ff.); BGHSt 25, 313 (315); Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 113 Rdnr. 3).
§ 36 V 1 StVO ermächtigt die Polizeibeamten, Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle anzuhalten. Der Vollstreckung dieser gesetzlichen Ermächtigung im Einzelfall dient das Haltegebot, das nach § 36 V 2 StVO in der zur Tatzeit gültigen Fassung der Neunten Verordnung zur Änderung der StVO vom 22. 3. 1988 (BGBl I, 405; nach der Neufassung durch die Elfte Verordnung zur Änderung der StVO vom 19. 3. 1992 (BGBl I, 678) jetzt S. 4) von jedem Verkehrsteilnehmer zu befolgen ist (BGHSt 25, 313 (315); Jagusch/Hentschel, StraßenverkehrsR, 33. Aufl., § 36 StVO Rdnr. 24; Mühlhaus/Janiszewski, StVO, 14. Aufl., § 36 Rdnr. 12). Ein Polizeibeamter, der einen Verkehrsteilnehmer bei einer Verkehrskontrolle i.S. des § 36 V 5 StVO anhält, nimmt deshalb eine Vollstreckungshandlung i.S. des § 113 StGB vor (BGH, aaO; OLC Celle, NJW 1973, 2215; von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 11; Dreher/Tröndle, § 113 Rdnr. 4; Eser, in: Schönke/Schröder § 113 Rdnr. 11 und 13; Jagusch/Hentschel, § 36 StVO Rdnr. 25; Mühlhaus/Janiszewski, § 36 Rdnr. 14). Die Zivilkleidung des Beamten ist für seine Befugnisse als Amtsträger oder den Charakter seiner Tätigkeit als Diensthandlung ohne Bedeutung (OLG Hamburg, VRS 24, 193 (195); Dreher/Tröndle, § 113 Rdnr. 16; Eser, in: Schönke/Schröder, § 113 Rdnr. 13).
b) Der Angekl. war nach § 36 V 2 StVO a.F. verpflichtet, der Aufforderung der Polizeibeamten zum Anhalten und Aussteigen zu folgen. Diese Anweisungen waren nach Inhalt und Zweck durch jene Bestimmung gedeckt und deshalb rechtmäßig i. S. des § 113 III 1 StGB.
§ 36 V StVO ermächtigt die Polizeibeamten zur Durchführung allgemeiner Verkehrskontrollen, d.h. zur Prüfung der Fahrtüchtigkeit der Fahrzeugführer, der nach den Verkehrsvorschriften mitzuführenden Papiere sowie des Zustandes, der Ausrüstung und der Beladung des Fahrzeugs (BGHSt 32, 248 (254f.); Senat, Beschl. v. 29. 1. 1981 - 5 Ss (OWi) 733/80 - 34/81 I; Jagusch/Hentschel, § 36 StVO Rdnr. 24). Diese Bestimmung ist vorliegend nicht etwa deshalb unanwendbar, weil sich die Polizeibeamten nach den Feststellungen des LG wegen der zeitweilig ausgeschalteten Beleuchtung des Fahrzeugs und damit wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 17 I 1, 49 I Nr. 17 StVO, § 24 I StVG zum Anhalten des Pkw entschlossen haben. Abs. 5 des § 36 StVO gestattet - anders als Abs. 1 dieser Vorschrift (BGHSt 32, 248 (251ff.); Senat, DAR 1994, 330 = NZV 1994, 408 L = JMBlNRW 1994, 238 = VerkMitt 1994, 76; jew. m.w.Nachw.) - auch Anhalteweisungen wegen Zielen, die über die konkrete Verkehrsregelung und die Beseitigung aktueller Verkehrsbeeinträchtigungen hinausgehen (BGHSt 32, 248 (253); Senat, Beschl. v. 29. 1. 1981 - 5 Ss (OWi) 733/80 - 34/81 I). Nicht erfaßt sind lediglich Weisungen, die ausschließlich zum Zwecke der Verfolgung des Betroffenen wegen einer Straftat oder Verkehrsordnungswidrigkeit dienen (BGHSt 32, 248 (255); Mühlhaus/Janiszewski, § 36 Rdnr. 12; Jagusch/Hentschel, § 36 StVO Rdnr. 24 m.w.Nachw.). Es ist jedoch gerichtsbekannt, daß Polizeibeamte in solchen Fällen auch prüfen, ob der betroffene Verkehrsteilnehmer im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist. Die Aufforderung zum Anhalten sollte damit zugleich eine Kontrollmaßnahme i.S. des § 36 V StVO ermöglichen; es handelte sich deshalb um eine von dem Angekl. zu befolgende Weisung (Senat, Beschl. v. 29. 1. 1981 - 5 Ss (OWi) 733/80 - 34/81 I; OLG Düsseldorf, 3. StS, VRS 73, 387 (388); Jagusch/Hentschel, § 36 StVO Rdnr. 24 m.w.Nachw.; Mühlhaus/Janiszewski, aaO).
Gleiches gilt - entgegen der Auffassung der Revisionsbegründung - für die Anweisung zum Verlassen des Fahrzeugs. Die sich aus § 36 V StVO ergebende Weisungsbefugnis des Polizeibeamten deckt alle mit der Verkehrskontrolle verbundenen und ihrer Durchführung dienenden Anweisungen (Mühlhaus/Janiszewski, § 36 Rdnr. 12). Hierzu gehört auch die Aufforderung zum Aussteigen (Jagusch/Hentschel, § 36 StVO Rdnr. 25).
2. Der Angekl. hat den Polizeibeamten bei dieser Diensthandlung durch das Verriegeln der Türen i.S. des § 113 I StGB mit Gewalt Widerstand geleistet.
a) Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte setzt eine aktive Tätigkeit voraus, die nach der Vorstellung des Täters geeignet ist, die Vollziehung der Diensthandlung zu verhindern oder zu erschweren; rein passives Verhalten oder bloßer Ungehorsam genügen nicht (BGHSt 18, 133 (134); OLG Karlsruhe, NJW 1974, 2142f.; Eser, in: Schönke/Schröder, Rdnrn. 40 und 42; Dreher/Tröndle, § 113 Rdnrn. 18 und 19; von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 15). Durch das Verriegeln der Türen hat der Angekl. eine aktive Tätigkeit in diesem Sinne entfaltet, die bestimmt und geeignet war, die Polizeibeamten an einer Verkehrskontrolle zu hindern (vgl. OLG Celle, NStE § 113 StGB Nr. 6 = OLGSt StGB § 113 Nr. 8).
b) Das Verriegeln der Türen stellt sich auch als Ausübung von Gewalt i.S. des § 113 StGB dar.
aa) Der Begriff der Gewalt wird im StGB nicht einheitlich gebraucht; sein Inhalt ist deshalb nach Struktur und Ziel des jeweiligen Tatbestandes gesondert zu ermitteln (BGHSt 23, 46 (49f.)). § 113 I Alt. 1 StGB verlangt als Gewalt weder einen tätlichen Angriff (Alt. 2) im Sinne einer unmittelbar auf den Körper des Beamten zielenden feindseligen Einwirkung (Dreher/Tröndle, § 113 Rdnr. 21 m.w.Nachw.), noch eine durch ein aggressives Verhalten gekennzeichnete (BGHSt 23, 46 (51ff.)) Gewalttätigkeit i.S. von Abs. 2 Nr. 2 dieser Vorschrift (von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 14); auch die zu § 240 I StGB entwickelten Kriterien (vgl. dazu Senat, NZV 1996, 288 = JMBlNRW 1996, 130 m.w.Nachw.) sind nicht übertragbar (Eser, in: Schönke/Schröder, § 113 Rdnr. 42). Gewalt i.S. des § 113 I StGB ist vielmehr eine durch tätiges Handeln (oben a) unmittelbar oder mittelbar gegen die Person des Vollstreckungsbeamten gerichtete Kraftäußerung, für die bei einer gegen Sachen gerichteten Einwirkung erforderlich ist, daß sie von dem Beamten körperlich empfunden wird und er seine Amtshandlung nicht ausführen kann, ohne seinerseits eine nicht ganz unerhebliche Kraft aufwenden zu müssen (BGHSt 18, 133 (134f.); OLG Karlsruhe, NJW 1974, 2142f.; von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 14; Dreher/Tröndle, § 113 Rdnr. 19; Eser, in: Schönke/Schröder, § 113 Rdnr. 42).
bb) Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Täter durch das Verschließen von Türen den Austritt (RGSt 27, 405 (406)) oder Eintritt des Amtsträgers verhindert und damit die Amtshandlung zumindest erschwert (BGHSt 18, 133 (134f.); von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 15; Dreher/Tröndle, § 113 Rdnr. 19). Dem steht das Verriegeln eines Kfz zur Verhinderung einer Verkehrskontrolle gleich (OLG Celle, NStE § 113 StGB Nr. 6 = OLGSt StGB § 113 Nr. 8). Dem Polizeibeamten wird hierdurch ein körperlich wirkendes Hindernis bereitet, durch das ihm die Ausführung der Diensthandlung ganz oder jedenfalls ohne erheblichen Kraftaufwand unmöglich gemacht wird. Insoweit besteht zwischen dem Ein- und dem Aussperren eines Vollstreckungsbeamten kein Unterschied (a.A. Eser, in: Schönke/Schröder, § 113 Rdnr. 42), da sich dieser auch im letzteren Fall der physischen Zwangswirkung nur dadurch entziehen kann, daß er von der Amtshandlung absieht. Ein solches Verlangen wäre aber mit dem Zweck des § 113 StGB unvereinbar, den in Gesetz, Rechtsverordnung, Urteil, Gerichtsbeschluß oder Verfügung zum Ausdruck gebrachten Staatswillen und die zu seiner Ausführung berufenen Organe zu schützen (RGSt 41, 82 (85); OLG Karlsruhe, NJW 1974, 2142 (2143); Eser, in: Schönke/Schröder, § 113 Rdnr. 2; von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 2).
c) Der Angekl. hat den Polizeibeamten bei ihrer Diensthandlung Widerstand geleistet.
Voraussetzung hierfür ist, daß sich der Täter einer bereits begonnenen oder unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht beendeten Vollstreckungshandlung widersetzt (RGSt 41, 181 (183); BGHSt 25, 313 (314); Dreher/Tröndle, § 113 Rdnr. 9 m.w.Nachw.; von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 12; Eser, in: Schönke/Schröder, § 113 Rdnr. 15). Dies war vorliegend der Fall, da die Polizeibeamten den Angekl. zur Durchführung der Verkehrskontrolle nach § 36 V StVO schon vor der Verriegelung der Fahrzeugtüren zum Anhalten und Aussteigen aufgefordert hatten und bereits das Haltegebot den Beginn der Amts- und Vollstreckungshandlung darstellte, zu deren Zweck die Anweisung erteilt wurde (BGHSt 25, 313 (315); OLG Köln, VRS 35, 344 (345f.) m.w.Nachw.; von Bubnoff, in: LK, § 113 Rdnr. 11; Eser, in: Schönke/Schröder, § 113 Rdnr. 16).
Quelle:
http://www.kanzlei-prof-schweizer.de/gu ... l?id=12020
aus einem Kommentar:
"In der tatrichterlichen Praxis hat sich ein eher großzügiges Verständnis des Gewaltbegriffs herausgebildet. So wird es beispielsweise als Anwendung von Gewalt angesehen, wenn der Täter durch das Verschließen von Türen den Zugang von Amtsträgern verhindert. Den Polizeibeamten werde hierdurch ein körperlich wirkendes Hindernis bereitet, durch das ihnen die Ausführung ihrer Diensthandlung ohne erheblichen Kraftaufwand unmöglich gemacht wird. Diese Auffassung ist aber im Schrifttum zu Recht auf Kritik gestoßen. Mit dem bloßen Aussperren ist – anders als im Falle des Einsperrens – kein körperlich spürbarer Angriff oder Zwang verbunden. Es wird lediglich ein körperliches Hindernis bereitet, das den Vollstreckungsbeamten in seiner körperlichen Integrität oder Bewegungsfreiheit überhaupt nicht beeinträchtigt. Hier von Gewalt auszugehen würde daher die Wortlautgrenze überschreiten und einen Verstoß gegen Art. 103 II GG darstellen. Die großzügige Handhabung des Tatbestandsmerkmals »Gewalt« in der Rechtsprechung führt zudem dazu, dass dieses letztlich völlig bedeutungs- und konturenlos und fast jede Form des Sich-Widersetzens gegen Vollstreckungsbeamte strafbar wird. Dies kann kaum dem historischen Willen des Gesetzgebers entsprechen, der auf den Begriff der Gewalt im Rahmen von § 113 StGB auch hätte gänzlich verzichten können. Führt man die skizzierte Rechtsprechung konsequent fort, so müsste man von einer Drohung mit Gewalt schon dann ausgehen, wenn die Person nur ernsthaft angekündigt hätte, sein Auto zu verriegeln, sofern die Beamten nicht von der Kontrolle absehen. Daher ist hier – entgegen der Auffassung der Rechtsprechung – das Vorliegen von Gewalt abzulehnen. Gewalt ist erst dann gegeben, wenn die mit Körperkraft vorgenommene Handlung von dem Vollstreckenden auch körperlich empfunden wird.1K hat sich nach der hier vertretenen Auffassung somit auch in der Abwandlung zu Fall 4 nicht nach § 113 StGB strafbar gemacht. "
Quelle:
http://www.ja-aktuell.de/cms/website.ph ... obleme.htm
Fazit: Trotz der Auffassung des Kommentars (s.o.) würde ich vom Anfangsverdacht eines § 113 StGB ausgehen...