Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

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Moderator: schutzmann_schneidig

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krisjugo
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Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon krisjugo » Mo 1. Apr 2013, 23:34

Hatte heute folgenden Fall:
Familie beantragt Asyl. Bei der Durchsuchung (Eigensicherung) in der GeSa wurden unterm BH ein Täschchen mit knapp 2000 Euro Ihnalt gefunden. Ich wollte das dann nach §§ 1, 38 ASOG Bln i.V.m. 7a AsylbLG als Sicherheitsleistung sicherstellen (Taschengeld in Höhe von 150 Euro belassen). Das wollte die Betroffene natürlich nicht freiwillig gestatten. Und nun zum Knackpunkt:

Auf meiner Festplatte fest eingebrannt: Sicherstellung gegen den Willen des Betroffenen = Beschlagnahme = Richtervorbehalt

Ich habe also einen Bereitschaftsrichter angerufen und ihm den SV geschildert. Er wollte sich das AsylbLG noch mal anschauen und ich sollte in 10 Min noch mal anrufen. Gesagt getan. Nun sagte mir der Richter, dass er eigentlich alle Vorrausetzungen als erfüllt ansehe, er aber keine Zuständigkeit erkenne, also keinen Richtervorbehalt erkennt.

Ich fiel aus allen Wolken, schlug das ASOG auf uns suchte fieberhaft, aber Tatsache...zum Thema Sicherstellung hatte ich keinen Richtervorbehalt gefunden.

Ein Umschwenken auf die OWig/ StPO- Schiene erschien mit und dem Richter nicht schlüssig, da die Sicherstellung vordergründig für das Decken der Kosten des Asylverfahrens gedacht war.

Auch mein Wachleiter konnte mir auf Anhieb nicht weiterhelfen und die zuständige Fachdienststelle hatte Ostern frei...

Hab das Geld dann trotzdem sichergestellt/ beschlagnahmt, aber möchte nun doch wissen, ob es hierbei wirklich keiner richterlichen Anordnung bedarf. Das wäre mir bisher nämlich nie in den Sinn gekommen...

PS: Thread betrifft auch Ausländerrecht, aber in erster Linie gehts mir um die Sicherstellung nach dem Polizeirecht, daher hier gepostet

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schutzmann_schneidig
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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon schutzmann_schneidig » Di 2. Apr 2013, 00:06

Wenn es nicht im ASOG steht, dann ist es da auch nicht gefordert. Mir ist kein Polizeigesetz bekannt, das bei Sicherstellung oder Beschlagnahme einen Richtervorbehalt vorsieht.
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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon springer » Di 2. Apr 2013, 12:59

krisjugo hat geschrieben:Auf meiner Festplatte fest eingebrannt: Sicherstellung gegen den Willen des Betroffenen = Beschlagnahme = Richtervorbehalt
Im ASOG gibts doch gar keine Beschlagnahme, oder? Also kannst Du auch gar nichts beschlagnahmen, egal ob gegen oder mit dem Willen des Betroffenen.

Du überträgst hier eine Maßnahme aus der StPO einfach ins ASOG, das geht aber nicht.

Eine Beschlagnahme im PolG gibts mW nur in Ba-Wü.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon chrisgs2411 » Di 2. Apr 2013, 14:52

Geht es um einen nach Aufenthaltsgesetz unerlaubt Eingereisten?

Wird in diesem Fall die Sicherheitsleistung nicht auch nach dem AufenthG genommen?

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon zulu » Di 2. Apr 2013, 14:57

Richtig, bei uns wird zwischen Sicherstellung und Beschlagnahme unterschieden. Eine Sicherstellung ist dabei die Ingewahrsamnahme einer Sache zur Sicherung des Eigentums im Sinne des Eigentümers. Dies kann nicht gegen den Willen des Eigentümers geschehen.

Ergibt sich hier die Eingriffsermächtigung nicht allein aus dem § 7a AsylbLG? Ich sehe nämlich die Tatbestandsmerkmale der Beschlagnahme sonst nicht erfüllt.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon Beobachter » Di 2. Apr 2013, 16:00

So ist das.
Eine rechtssystematisch zweifelhafte Konstruktion.
Weil die (anhörungsfreie) Anordnung der Sicherheitsleistung und der Sofortvollzug im Wege des unmittbaren Zwanges in einem Akt zusammenfallen.
"Ich glaube an das Gute im Menschen, rate aber dazu, sich auf das Schlechte in ihm zu verlassen. "
Alfred Polgar

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Di 2. Apr 2013, 18:18

http://openjur.de/u/32222.html

vielleicht kannst du da ja mal erklären.

die meisten polizeigesetze sehen eine richterliche bestätigung von sicherstellungen nicht vor. eine sicherstellung nach polg erfolgt auch gegen den willen des adressaten , ggf. mit uz.
der begriff beschlagnahme ist ein terminus der stpo - ist im fall also nicht zu gebrauchen.

mir jedenfalls fällt es schwer, hier eine polizeiliche zuständigkeit zu konstruieren.
bei uns sind die ausländerämter allerdings immer erreichbar.

als mensch glaube ich allerdings nicht, dass das asylbewerberleistungsgesetz auf die sicherstellung doch recht kleiner beträge abzielt. ich hätte dieser familie das geld gelassen.
ist schon schwer genug.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon zulu » Di 2. Apr 2013, 18:44

1957 hat geschrieben: die meisten polizeigesetze sehen eine richterliche bestätigung von sicherstellungen nicht vor. eine sicherstellung nach polg erfolgt auch gegen den willen des adressaten , ggf. mit uz.
der begriff beschlagnahme ist ein terminus der stpo - ist im fall also nicht zu gebrauchen.
Es bietet sich an auf das jeweilige Land hinzuweisen. In BaWü bekommst du eine Sicherstellung nicht mit Zwang durch. Macht auch mit dem Zweck der Norm absolut keinen Sinn.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon Controller » Di 2. Apr 2013, 18:48

als mensch glaube ich allerdings nicht, dass das asylbewerberleistungsgesetz auf die sicherstellung doch recht kleiner beträge abzielt.
ich hätte dieser familie das geld gelassen.
ist schon schwer genug.
:applaus:

ich auch :zustimm:
Regeln sind wie Donuts, sie haben Löcher.
Und darin lebt der Ermessensspielraum. :mrgreen: :zunge:

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon RafaelGomez » Mi 3. Apr 2013, 08:51

krisjugo hat geschrieben:Hatte heute folgenden Fall:
Familie beantragt Asyl. Bei der Durchsuchung (Eigensicherung) in der GeSa wurden unterm BH ein Täschchen mit knapp 2000 Euro Ihnalt gefunden. Ich wollte das dann nach §§ 1, 38 ASOG Bln i.V.m. 7a AsylbLG als Sicherheitsleistung sicherstellen...
Wenn Dein PolG keinen Richtervorbehalt kennt, brauchst Du darauf nicht einzugehen.

Dein SV ist zu dünn, um ihn auf den 7a AsvlbLG beschränken zu können, Nationalität, Umstände des Antreffens bzw der Einreise, Herkunftsstaaten etc. oder der Fortschritt des Asylverfahrens (Mitwirkungspflichten) könnten auch andere rechtliche Normen einschlägig erscheinen lassen.

Für alles gilt aber doch, dass Du dem Antragsteller nicht das Eigentum nimmst, sondern lediglich die Verfügbarkeit, und durch das Belassen eines Teilbetrages ihn nicht mittellos machst. Die zuständigen Stellen können dann -rechtsmittelfähig- entscheiden, ob das Vermögen wieder ausgehändigt oder anderweitig verwertet wird. Daher wird m. E. eine richterliche Entscheidung nur zeitlich nach hinten verlagert und dem Adressaten entsteht kein gravierender Nachteil.
als mensch glaube ich allerdings nicht, dass das asylbewerberleistungsgesetz auf die sicherstellung doch recht kleiner beträge abzielt.
Das ist sicher Ansichtssache, meine Ansicht ist eine andere ;-). Und welcher Betrag ist nicht mehr 'klein'? Aber ab hier wird's politisch.

und es steigt die Gefahr in die rechte Ecke gedrängt zu werden

Gruß

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Mi 3. Apr 2013, 12:06

"Und welcher Betrag ist nicht mehr 'klein'?"

nun, das kommt sicher auf den einzelfall an.
2000,€ für eine familie sind wirklich nicht viel , 150, - sind in jedem fall zu wenig.
die 2000 geben den betroffenen aber ein gefühl der sicherheit und den glauben an eine großzügiges handeln der polizei - sowas schafft vertrauen.
87.000 ,wie in dem oben angefügten urteil, sind ganz sicher viel.

die ausländerbehörde wird das schon entscheiden.

sicher ist das natürlich auch abhängig von der situation "gebiet" des entscheiders. trotzdem: mensch bleiben.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon RafaelGomez » Mi 3. Apr 2013, 12:23

Richtig, und daneben gibts eben noch weitere Kriterien. Z. B. hattest Du -begründet auf Deinen Erfahrungswerten-vor Deinem geistigen Auge vmtl. eine andere Konstellation von 'Familie' als ich. Im Zuge der Gleichbehandlung ist es also richtig, bis auf einen existenziellen Grundbetrag die Barmittel der zuständigen Behörde (hier wohl eher BAMF) zur weiteren Entscheidung zukommen zu lassen.

Gruß

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon Babbsack » Mi 3. Apr 2013, 13:44

1957 hat geschrieben: als mensch glaube ich allerdings nicht, dass das asylbewerberleistungsgesetz auf die sicherstellung doch recht kleiner beträge abzielt. ich hätte dieser familie das geld gelassen.
ist schon schwer genug.
Das denke ich mir auch immer, wenn ich lese, dass das ALG-2-Amt die Bezüge kürzt, weil man einen "doch recht kleinen Betrag" geschenkt bekommen hat o.ä.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Mi 3. Apr 2013, 14:04

das, was die zuständigen ämter machen, ist deren sache.
das, was ich mache, ist meine sache: meine entscheidung - meine konsequenzen.

Babbsack
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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon Babbsack » Mi 3. Apr 2013, 15:46

1957 hat geschrieben:das, was die zuständigen ämter machen, ist deren sache.
das, was ich mache, ist meine sache: meine entscheidung - meine konsequenzen.
Natürlich. Ich wollte nur meinen Missmut darüber zum Ausdruck bringen, dass du meinst, Menschlichkeit sei eine taugliche Ausrede für mangelnde Konsequenz. Ich habs dann doch eher mit der Gleichbehandlung.


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