PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Moderator: schutzmann_schneidig
PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Hallo Zusammen,
ich würde gerne mit euch über ein Thema philosophierten und diskutieren.
In meinem Wachbezirk gibt es ein Krankenhaus mit angegliederter Psychiatrie (geschlossene und offene Stationen)
Immer wieder kommt es zu der Situation, dass Patienten oder teilweise Personen, welche vorher uns bereits auf den Plan gerufen haben, freiwillig den Transport in das Krankenhaus und in die Psychiatrie anstreben.
Von den Ärzten vor Ort wird teilweise die Eigen- oder Fremdgefährdung bestätigt, eine Ordnungsverfügung wird dennoch nicht angeregt.
Diese Personen sind also auf Station oder teilweise nach nicht mal 2-3h aus der Notaufnahme bereits wieder verschwunden.
Sobald das Krankenhauspersonal bemerkt, dass die Person weg ist, wird sofort eine Ordnungsverfügung angeregt und die Eigen- und Fremdgefährdung ärztlich attestiert (Die Reale Ausstellung der Verfügung erfolgt jedoch erst, wenn die Person gefunden wurde). Dies hat zur Folge, dass mit großem Aufwand gefahndet und gesucht werden darf.
Größtenteils finden wir die Menschen und diese werden *Trommelwirbel* auf freiwilliger Basis erneut im Krankenhaus aufgenommen.
Der O-Ton von den Oberärzten „Geht der Patient freiwillig auf die Station, auch wenn er Eigen-/Fremdgefährdet ist, dann wird keine Ordnungsverfügung (OV) angeregt bzw. ausgestellt – Wir würden jedoch vielleicht OV anregen, sofern der freiwillige Patient gehen möchte“.
Der schlaue Leser unter uns erkennt natürlich die Spirale.
Gespräche mit dem Krankenhaus und den FüSt(en) läuft alles auf hoher Ebene, wie schon seit vielen Jahren.
Ich frage mich, ob das nur ein lokales Problem ist oder ob diese Praxis in anderen Krankenhäusern oder Behörden ebenfalls der Fall ist.
ich würde gerne mit euch über ein Thema philosophierten und diskutieren.
In meinem Wachbezirk gibt es ein Krankenhaus mit angegliederter Psychiatrie (geschlossene und offene Stationen)
Immer wieder kommt es zu der Situation, dass Patienten oder teilweise Personen, welche vorher uns bereits auf den Plan gerufen haben, freiwillig den Transport in das Krankenhaus und in die Psychiatrie anstreben.
Von den Ärzten vor Ort wird teilweise die Eigen- oder Fremdgefährdung bestätigt, eine Ordnungsverfügung wird dennoch nicht angeregt.
Diese Personen sind also auf Station oder teilweise nach nicht mal 2-3h aus der Notaufnahme bereits wieder verschwunden.
Sobald das Krankenhauspersonal bemerkt, dass die Person weg ist, wird sofort eine Ordnungsverfügung angeregt und die Eigen- und Fremdgefährdung ärztlich attestiert (Die Reale Ausstellung der Verfügung erfolgt jedoch erst, wenn die Person gefunden wurde). Dies hat zur Folge, dass mit großem Aufwand gefahndet und gesucht werden darf.
Größtenteils finden wir die Menschen und diese werden *Trommelwirbel* auf freiwilliger Basis erneut im Krankenhaus aufgenommen.
Der O-Ton von den Oberärzten „Geht der Patient freiwillig auf die Station, auch wenn er Eigen-/Fremdgefährdet ist, dann wird keine Ordnungsverfügung (OV) angeregt bzw. ausgestellt – Wir würden jedoch vielleicht OV anregen, sofern der freiwillige Patient gehen möchte“.
Der schlaue Leser unter uns erkennt natürlich die Spirale.
Gespräche mit dem Krankenhaus und den FüSt(en) läuft alles auf hoher Ebene, wie schon seit vielen Jahren.
Ich frage mich, ob das nur ein lokales Problem ist oder ob diese Praxis in anderen Krankenhäusern oder Behörden ebenfalls der Fall ist.
NRW
- Kaeptn_Chaos
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Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Hallo,
magst du mal erläutern, was eine Ordnungsverfügung ist?
Ist das eine Einweisung des Amtsarztes/ Sozialpsychiatrischen Dienstes nach PsychKG?
Gruß
magst du mal erläutern, was eine Ordnungsverfügung ist?
Ist das eine Einweisung des Amtsarztes/ Sozialpsychiatrischen Dienstes nach PsychKG?
Gruß
- Kaeptn_Chaos
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Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ordnungsverf%C3%BCgung
Siehe auch § 12 der von mir verlinkten Norm. Sachlich zuständig sind die Kommunen, also zu deren Arbeitszeiten die Ordnungsämter, in deren Abwesenheit in der Regel der B Dienst der BF.

Siehe auch § 12 der von mir verlinkten Norm. Sachlich zuständig sind die Kommunen, also zu deren Arbeitszeiten die Ordnungsämter, in deren Abwesenheit in der Regel der B Dienst der BF.

Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Guten Morgen,langum hat geschrieben:Hallo Zusammen,
ich würde gerne mit euch über ein Thema philosophierten und diskutieren.
In meinem Wachbezirk gibt es ein Krankenhaus mit angegliederter Psychiatrie (geschlossene und offene Stationen)
Immer wieder kommt es zu der Situation, dass Patienten oder teilweise Personen, welche vorher uns bereits auf den Plan gerufen haben, freiwillig den Transport in das Krankenhaus und in die Psychiatrie anstreben.
Von den Ärzten vor Ort wird teilweise die Eigen- oder Fremdgefährdung bestätigt, eine Ordnungsverfügung wird dennoch nicht angeregt.
Diese Personen sind also auf Station oder teilweise nach nicht mal 2-3h aus der Notaufnahme bereits wieder verschwunden.
Sobald das Krankenhauspersonal bemerkt, dass die Person weg ist, wird sofort eine Ordnungsverfügung angeregt und die Eigen- und Fremdgefährdung ärztlich attestiert (Die Reale Ausstellung der Verfügung erfolgt jedoch erst, wenn die Person gefunden wurde). Dies hat zur Folge, dass mit großem Aufwand gefahndet und gesucht werden darf.
Größtenteils finden wir die Menschen und diese werden *Trommelwirbel* auf freiwilliger Basis erneut im Krankenhaus aufgenommen.
Der O-Ton von den Oberärzten „Geht der Patient freiwillig auf die Station, auch wenn er Eigen-/Fremdgefährdet ist, dann wird keine Ordnungsverfügung (OV) angeregt bzw. ausgestellt – Wir würden jedoch vielleicht OV anregen, sofern der freiwillige Patient gehen möchte“.
Der schlaue Leser unter uns erkennt natürlich die Spirale.
Gespräche mit dem Krankenhaus und den FüSt(en) läuft alles auf hoher Ebene, wie schon seit vielen Jahren.
Ich frage mich, ob das nur ein lokales Problem ist oder ob diese Praxis in anderen Krankenhäusern oder Behörden ebenfalls der Fall ist.
auch wenn die Rechtslage in Berlin scheinbar eine etwas andere ist - so besteht das von dir beschriebene Problem zu unserem Leidwesen hier ebenfalls. Ohne jetzt lange ausholen zu wollen, ist das Kernproblem aus meiner Sicht, dass die Kapazitäten der Akutaufnahmen der Psychiatrien (bei uns nach meiner Kts. in jedem Bezirk ein zuständiges Krankenhaus) erschöpft sind, ähnlich wie im Maßregelvollzug. Das führt wiederum dazu, dass nach meiner Erfahrung die Krankenhäuser alles versuchen Leute gar nicht aufnehmen zu müssen (gelegentlich hanebüchene Einschätzungen zu Fremd-/und Eigengefährdung) & wenn sie Doch aufgenommen werden, dann meist "freiwillig", damit sie vor Ablauf von 24h (danach muss das Krankenhaus einen richterlichen Bedchluss holen) wieder entlassen werden "muss". An dieser Stelle sehe ich schon den Begriff "freiwillig" kritisch, bei Betroffenen die offensichtlich fremd- und eigengefährdend aufgrund eines psych. Leidens sind.
Kurzum - diese Umstände & der aus meiner Sicht fehlende Wille/fehlende Kapazitäten Betroffene wirklich ernsthaft zu behandeln/behandeln zu können - führt am Ende zu der von dir beschriebenen Spirale aus Vorführung/Flucht oder Entlassung/Fahndung usw. Das treibt manchmal Stilblüten, dass wir manche Betroffene täglich/wöchentlich vorstellen, nur damit die dann wieder entlassen werden und gleich wieder "Scheisse bauen".
Hinzu kommt bei uns ein unsägliches Zuständigkeitspingpong (zwischen den Krankenhäusern, zwischen den Bezirken, zwischen sozialpsychiatrischem Dienst und Krankenhaus, zwischen Krankenhaus und Polizei usw) was dazu führt, dass das Arbeitsverhältnis zumindest zwischen uns und unser Akutaufnahme stark belastet ist. Dazu könnte ich jetzt dutzende Geschichten erzählen, aber das würde mir nur den Sonntag verderben.
Insgesamt aus meiner Sicht ein Problem wie es vernutlich so oft in Deutschland zu finden ist: Die Problemlösung geht in einem Mix aus Zuständigkeitsdschungel, Bürokratie, fehlenden Kapazitäten, Überlastung, aber auch mangelndem Willen mal "durchzuziehen" usw. verloren. Und am Ende ist irgendwer tot und niemand will es gewesen sein.
All in all, ich denke das ist kein lokales Problem.
Grüße
Gesendet von meinem SM-M336B mit Tapatalk
“No, I don’t wonder Marty. The world needs bad men. We keep the other bad men from the door.”
(true detective)
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Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Ich denke, das ist kein Problem, das sich durch Absprachen zwischen Polizei und Krankenhaus lösen lässt. Wenn, wäre der Gesetzgeber gefragt.
Gleichwohl, jeder Fall ist anders, was insbesondere die jeweiligen "Lagebeurteilungen" betrifft.
Das System NRW halte ich für angemessen.
Gleichwohl, jeder Fall ist anders, was insbesondere die jeweiligen "Lagebeurteilungen" betrifft.
Das System NRW halte ich für angemessen.
Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Hallo zusammen,
ich würde abseits bisher diskutierter Topics auch einmal die Frage in den Raum stellen wollen, inwiefern solche Abläufe wie hier beschrieben nicht auch ein unserer Rechtsordnung immanenter "Spielraum" sind. Wobei man mit dem eventuell daraus resultierenden Arbeitsdruck von Fall zu Fall dann halt hoheitlich oder medizinisch eben umzugehen hat.
Viele Grüße
Kulinka
ich würde abseits bisher diskutierter Topics auch einmal die Frage in den Raum stellen wollen, inwiefern solche Abläufe wie hier beschrieben nicht auch ein unserer Rechtsordnung immanenter "Spielraum" sind. Wobei man mit dem eventuell daraus resultierenden Arbeitsdruck von Fall zu Fall dann halt hoheitlich oder medizinisch eben umzugehen hat.
Viele Grüße
Kulinka
Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Das ist klar ein Umstand. Ein anderer dürfte sein, dass die Mediziner In den aufnehmenden Einrichtungen eine erfolgreiche Behandlung eher bei freiwilliger Aufnahme sehen. Entscheidend ist insgesamt die "Gefährdungsanalyse", bei der es nicht darum geht, den Institutionen weniger Arbeit zu bescheren.
-
- Cadet
- Beiträge: 1
- Registriert: Fr 12. Mai 2023, 20:43
Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Ich melde mich mal aus der Sicht der Behörde (Betreuungsbehörde). Zwar bin ich eher im Betreuungsrecht unterwegs, dennoch kennen wir das Problem im gleichen Ausmaß. Wir arbeiten regelmäßig mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, Psychiatrien und weiteren Institutionen zusammen. Ich habe verschiedene Erfahrungen damit gemacht. Die erfolgreichsten Fälle waren die, welche mit viel Engagement und vor allem durch eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren vonstatten gegangen sind. Leider zählen diese oft zu den Ausnahmen und die Regel bleibt die "Freiwilligkeit", die zu nichts führt. Mit dabei sind Fälle, die durchaus mit einer enormen Fremdgefährdung einhergehen. Nicht selten kommt es vor, dass psychisch Kranke in wahnhaften Bewusstseinszuständen mit Waffen unterwegs sind.
Die schwierige medizinische Beurteilung einer fehlenden Willensbildung, bringt eine hohe Verantwortung mit sich und kann gar nicht so einfach gestellt werden. In der Praxis wollen viele Mediziner diese Aufgabe überhaupt nicht übernehmen. Man findet so gut wie keine Gutachter, bei uns kann es durchaus bis zu einem Jahr dauern, bis ein Gutachten erstellt wird. Häufig sind Patienten nicht auffindbar oder wirken nicht mit (sind ja krankheitsuneinsichtig). Dann dauert es wiederum bis das Gericht tätig wird und einen Vorführungsbeschluss erlässt, damit überhaupt ein Gutachten zustande kommt. Die Kliniken leiden an dauerhafter Unterbesetzung, mangelnden Behandlungskapazitäten und fehlenden Fachkräften. Wie oft erlebe ich im Berufsalltag, dass viele Ärzte den umfassenden Bürokratieablauf überhaupt nicht kennen. Auch das spielt oft eine Rolle.
Traurigerweise sind viele Betroffene langjährig krankheitsuneinsichtig und sehen eine Mitarbeit nicht ein. Gleichzeitig wissen sie, dass bei einer "Freiwilligkeit" und Mitwirkung in der Klinik sehr schnell eine Entlassung angestrebt wird. Entsprechend erfolgt keine adäquate Behandlung, quasi vergleichbar miteiner ausbleibenden Behandlung. Das Ganze Procedere beginnt erneut. Der wichtigste Faktor, der dabei verloren geht, ist die Zeit. Je länger eine Erkrankung unbehandelt bleibt, umso schlechter ist die Prognose bzw. die Heilungschance. Von den Betroffenen ganz abgesehen, für die es enorme Folgen hinsichtlich der psychosozialen Ebene mit sich bringt.
Da sehe ich die Bürokratie als großes Hindernis. Es dauert oft lange, bis eine Erforderlichkeit erkannt wird und schließlich gehandelt werden kann. Nun gibt es seit diesem Jahr eine Rechtsreform des Betreuungsrechts. Das PsychKHG wurde ebenfalls reformiert. Die Neuerungen bringen den Willen noch mehr zur Geltung als vorher. Im Sinne der Ethik, gar nicht mal verkehrt. Dennoch wird es noch schwieriger Unterbringungen durchzuführen. Das "Recht auf Krankheit" ist ja schön und gut. Aber ohne freiheitsentziehende Maßnahmen, die es nun mal braucht (im Falle einer fehlenden Einsichtsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen), können infolgedessen keine Behandlungen erfolgen.
Ich kenne Fälle, da laufen Kranke (mit Fremdgefährdungspotential) jahrelang umher und die Erkrankung manifestiert sich. Bis diese irgendwann gem. PsychKHG auffällig werden oder betreuungsrechtlich ein Beschluss erwirkt wurde. Bis dann überhaupt irgendwann einmal zur Diagnosestellung ein Klinikaufenthalt erfolgt. Dies ist teilweise stark abhängig von den Gerichten. Manche Richter erlassen Verfügungen ohne Weiteres, andere lehnen dies grundsätzlich ab. Klar eine "Freiheitsberaubung" ist ein großer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und teilweise traumatisierend für Patienten, aber langfristig hilft es den Patienten eher, ordentlich behandelt zu werden.
Ein sehr komplexes Thema, das sehr umfassend und nicht so einfach zu lösen ist. Effektiv wäre es, wenn alle gleichermaßen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches, bzw. mit einem guten Austausch, mitwirken würden. Aber das ist in der Praxis völlig anders. Die dauerhafte Diskussion über akribische Zuständigkeiten und all die weiteren Faktoren, die meine Vorredner bereits erwähnten, machen das nicht immer möglich.
Die schwierige medizinische Beurteilung einer fehlenden Willensbildung, bringt eine hohe Verantwortung mit sich und kann gar nicht so einfach gestellt werden. In der Praxis wollen viele Mediziner diese Aufgabe überhaupt nicht übernehmen. Man findet so gut wie keine Gutachter, bei uns kann es durchaus bis zu einem Jahr dauern, bis ein Gutachten erstellt wird. Häufig sind Patienten nicht auffindbar oder wirken nicht mit (sind ja krankheitsuneinsichtig). Dann dauert es wiederum bis das Gericht tätig wird und einen Vorführungsbeschluss erlässt, damit überhaupt ein Gutachten zustande kommt. Die Kliniken leiden an dauerhafter Unterbesetzung, mangelnden Behandlungskapazitäten und fehlenden Fachkräften. Wie oft erlebe ich im Berufsalltag, dass viele Ärzte den umfassenden Bürokratieablauf überhaupt nicht kennen. Auch das spielt oft eine Rolle.
Traurigerweise sind viele Betroffene langjährig krankheitsuneinsichtig und sehen eine Mitarbeit nicht ein. Gleichzeitig wissen sie, dass bei einer "Freiwilligkeit" und Mitwirkung in der Klinik sehr schnell eine Entlassung angestrebt wird. Entsprechend erfolgt keine adäquate Behandlung, quasi vergleichbar miteiner ausbleibenden Behandlung. Das Ganze Procedere beginnt erneut. Der wichtigste Faktor, der dabei verloren geht, ist die Zeit. Je länger eine Erkrankung unbehandelt bleibt, umso schlechter ist die Prognose bzw. die Heilungschance. Von den Betroffenen ganz abgesehen, für die es enorme Folgen hinsichtlich der psychosozialen Ebene mit sich bringt.
Da sehe ich die Bürokratie als großes Hindernis. Es dauert oft lange, bis eine Erforderlichkeit erkannt wird und schließlich gehandelt werden kann. Nun gibt es seit diesem Jahr eine Rechtsreform des Betreuungsrechts. Das PsychKHG wurde ebenfalls reformiert. Die Neuerungen bringen den Willen noch mehr zur Geltung als vorher. Im Sinne der Ethik, gar nicht mal verkehrt. Dennoch wird es noch schwieriger Unterbringungen durchzuführen. Das "Recht auf Krankheit" ist ja schön und gut. Aber ohne freiheitsentziehende Maßnahmen, die es nun mal braucht (im Falle einer fehlenden Einsichtsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen), können infolgedessen keine Behandlungen erfolgen.
Ich kenne Fälle, da laufen Kranke (mit Fremdgefährdungspotential) jahrelang umher und die Erkrankung manifestiert sich. Bis diese irgendwann gem. PsychKHG auffällig werden oder betreuungsrechtlich ein Beschluss erwirkt wurde. Bis dann überhaupt irgendwann einmal zur Diagnosestellung ein Klinikaufenthalt erfolgt. Dies ist teilweise stark abhängig von den Gerichten. Manche Richter erlassen Verfügungen ohne Weiteres, andere lehnen dies grundsätzlich ab. Klar eine "Freiheitsberaubung" ist ein großer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und teilweise traumatisierend für Patienten, aber langfristig hilft es den Patienten eher, ordentlich behandelt zu werden.
Ein sehr komplexes Thema, das sehr umfassend und nicht so einfach zu lösen ist. Effektiv wäre es, wenn alle gleichermaßen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches, bzw. mit einem guten Austausch, mitwirken würden. Aber das ist in der Praxis völlig anders. Die dauerhafte Diskussion über akribische Zuständigkeiten und all die weiteren Faktoren, die meine Vorredner bereits erwähnten, machen das nicht immer möglich.
Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Moin,WalkingOnTheMoon hat geschrieben:Ich melde mich mal aus der Sicht der Behörde (Betreuungsbehörde). Zwar bin ich eher im Betreuungsrecht unterwegs, dennoch kennen wir das Problem im gleichen Ausmaß. Wir arbeiten regelmäßig mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, Psychiatrien und weiteren Institutionen zusammen. Ich habe verschiedene Erfahrungen damit gemacht. Die erfolgreichsten Fälle waren die, welche mit viel Engagement und vor allem durch eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren vonstatten gegangen sind. Leider zählen diese oft zu den Ausnahmen und die Regel bleibt die "Freiwilligkeit", die zu nichts führt. Mit dabei sind Fälle, die durchaus mit einer enormen Fremdgefährdung einhergehen. Nicht selten kommt es vor, dass psychisch Kranke in wahnhaften Bewusstseinszuständen mit Waffen unterwegs sind.
Die schwierige medizinische Beurteilung einer fehlenden Willensbildung, bringt eine hohe Verantwortung mit sich und kann gar nicht so einfach gestellt werden. In der Praxis wollen viele Mediziner diese Aufgabe überhaupt nicht übernehmen. Man findet so gut wie keine Gutachter, bei uns kann es durchaus bis zu einem Jahr dauern, bis ein Gutachten erstellt wird. Häufig sind Patienten nicht auffindbar oder wirken nicht mit (sind ja krankheitsuneinsichtig). Dann dauert es wiederum bis das Gericht tätig wird und einen Vorführungsbeschluss erlässt, damit überhaupt ein Gutachten zustande kommt. Die Kliniken leiden an dauerhafter Unterbesetzung, mangelnden Behandlungskapazitäten und fehlenden Fachkräften. Wie oft erlebe ich im Berufsalltag, dass viele Ärzte den umfassenden Bürokratieablauf überhaupt nicht kennen. Auch das spielt oft eine Rolle.
Traurigerweise sind viele Betroffene langjährig krankheitsuneinsichtig und sehen eine Mitarbeit nicht ein. Gleichzeitig wissen sie, dass bei einer "Freiwilligkeit" und Mitwirkung in der Klinik sehr schnell eine Entlassung angestrebt wird. Entsprechend erfolgt keine adäquate Behandlung, quasi vergleichbar miteiner ausbleibenden Behandlung. Das Ganze Procedere beginnt erneut. Der wichtigste Faktor, der dabei verloren geht, ist die Zeit. Je länger eine Erkrankung unbehandelt bleibt, umso schlechter ist die Prognose bzw. die Heilungschance. Von den Betroffenen ganz abgesehen, für die es enorme Folgen hinsichtlich der psychosozialen Ebene mit sich bringt.
Da sehe ich die Bürokratie als großes Hindernis. Es dauert oft lange, bis eine Erforderlichkeit erkannt wird und schließlich gehandelt werden kann. Nun gibt es seit diesem Jahr eine Rechtsreform des Betreuungsrechts. Das PsychKHG wurde ebenfalls reformiert. Die Neuerungen bringen den Willen noch mehr zur Geltung als vorher. Im Sinne der Ethik, gar nicht mal verkehrt. Dennoch wird es noch schwieriger Unterbringungen durchzuführen. Das "Recht auf Krankheit" ist ja schön und gut. Aber ohne freiheitsentziehende Maßnahmen, die es nun mal braucht (im Falle einer fehlenden Einsichtsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen), können infolgedessen keine Behandlungen erfolgen.
Ich kenne Fälle, da laufen Kranke (mit Fremdgefährdungspotential) jahrelang umher und die Erkrankung manifestiert sich. Bis diese irgendwann gem. PsychKHG auffällig werden oder betreuungsrechtlich ein Beschluss erwirkt wurde. Bis dann überhaupt irgendwann einmal zur Diagnosestellung ein Klinikaufenthalt erfolgt. Dies ist teilweise stark abhängig von den Gerichten. Manche Richter erlassen Verfügungen ohne Weiteres, andere lehnen dies grundsätzlich ab. Klar eine "Freiheitsberaubung" ist ein großer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und teilweise traumatisierend für Patienten, aber langfristig hilft es den Patienten eher, ordentlich behandelt zu werden.
Ein sehr komplexes Thema, das sehr umfassend und nicht so einfach zu lösen ist. Effektiv wäre es, wenn alle gleichermaßen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches, bzw. mit einem guten Austausch, mitwirken würden. Aber das ist in der Praxis völlig anders. Die dauerhafte Diskussion über akribische Zuständigkeiten und all die weiteren Faktoren, die meine Vorredner bereits erwähnten, machen das nicht immer möglich.
danke für diesen ausführlichen Beitrag & auch wenn ich das Thema wie oben dargestellt nur aus meinem dienstlichen Alltag beurteilen kann - so deckt sich das von Dir Geschilderte hundertprozentig mit meiner Wahrnehmung. Ich habe leider mehrfach erleben müssen, dass offensichtlich akut und erheblich fremdgefährdende Betroffene frühzeitig entlassen wurden und anschließend schwere Straftaten zum Nachteil Anderer begangen haben. Das ist für mich immer wieder insofern besonders bitter, als dass es eben auch anders gegangen wäre, wenn der Wille & die Ressourcen vorhanden gewesen wären. Vom Leid der Opfer will ich gar nicht anfangen.
Und bevor ein falscher Eindruck entsteht - nein, ich sehe nicht jeden psychisch kranken Menschen als Gefahr für die Allgemeinheit. Aber es gibt Krankheitsbilder, welche sich dann auch in schweren Straftaten manifestieren, da muss im Zweifel der Schutz der Allgemeinheit schwerer wiegen als die Freiheit des Erkrankten.
Gruß
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Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
@SJ: Da gehe ich voll mit 

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Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Thematisch dann hier vielleicht gut eingebettet, was haltet ihr denn davon:
https://polizei.nrw/presse/projekt-peri ... um-einsatz
https://polizei.nrw/presse/projekt-peri ... um-einsatz

Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Moin,Kaeptn_Chaos hat geschrieben:Thematisch dann hier vielleicht gut eingebettet, was haltet ihr denn davon:
https://polizei.nrw/presse/projekt-peri ... um-einsatz
bewerte ich dem ersten Lesen nach als positiv - wenngleich es dabei nach meinem Verständnis vor allem um den (Spezial-)fall "Amokrisiko" geht?
Darunter & darum ging es mir zumindest, gibt es ja noch viele andere Themen (u.a. massives Stalking, Nachstellungen, Bedrohungen, Körperverletzungsdelikte bis hin zu Tötungsdelikten) wo man klar eine Steigerung erkennen konnte, trotz fortdauernder Vorstellung nach PsychKG (mit regelmäßig zeitnaher Entlassung). Es gab Momente wo ich kurz davor stand gegen die jeweils entlassenden Ärzte Starfanzeigen zu Pinseln, aber am Ende sind das auch nur arme Schweine, die aus der Not heraus handeln, weil die Stationen aus allen Nähten platzen. Es ist aus meiner Sicht, zumindest in meinem Bundesland zu einem erheblichen Teil, ein System/Ressourcenproblem. Gab dazu auch letztens eine sehr gute und schonungslose Reportage im RBB (Thema überlasteter Maßregelvollzug), in der die hiesige Thematik auch beleuchtet wurde. Ausfluss: Akutaufnahmen überlastet, daher zu frühe Entlassung, daher Begehung schwerer Straftaten, dadurch Überlastung Maßregelvollzug.
Leider kein Land in Sicht. Solange ich (polizeilich) denken kann ist dieser Umstand unverändert.
Gruß
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Re: PsychKG und die "Freiwilligkeit"
Geht mir persönlich längst nicht weit genug, ist ein aber ein Anfang.
In jedem Wachbereich kennt man seine tickenden Zeitbomben. Erneut ein Thema, das die Polizei nicht lösen kann. Wir hohlen nur die Kohlen aus dem Feuer. Die Kapazitäten und auch der Umgang mit psychischen Erkrankungen, gehört grundsätzlich gesellschaftlich und politisch ganz neu überdacht. Zumal sich die Lage, in den letzten 8 Jahren, verschärft hat. Nicht nur im Hinblick auf die Kapazitäten.
Ich persönlich, fand es schon immer absurd Personen mit akuten Schüben und Halluzinationen allein in ihrer Wohnung zu belassen.
In jedem Wachbereich kennt man seine tickenden Zeitbomben. Erneut ein Thema, das die Polizei nicht lösen kann. Wir hohlen nur die Kohlen aus dem Feuer. Die Kapazitäten und auch der Umgang mit psychischen Erkrankungen, gehört grundsätzlich gesellschaftlich und politisch ganz neu überdacht. Zumal sich die Lage, in den letzten 8 Jahren, verschärft hat. Nicht nur im Hinblick auf die Kapazitäten.
Ich persönlich, fand es schon immer absurd Personen mit akuten Schüben und Halluzinationen allein in ihrer Wohnung zu belassen.
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