Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Fachliche Diskussionen zum Themenbereich Polizeirecht

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RafaelGomez
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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon RafaelGomez » Fr 5. Apr 2013, 15:45

Beobachter hat geschrieben:
Na, 7a schon vergessen? ;-)
Nee, nicht vergessen.
Ich bin nur - wie noch andere hier - anderer Ansicht.
Klingt moderat, andere Ansicht heißt ja auch 'offen für weitere'.

Meine Meinung, kurz ausgedrückt: Polizei in Teilen des Asylverfahrens zuständig (sonst wohl nicht als verpflichtende Anlaufstelle, z. B. 13 AsylVfG explizit erwähnt), AsylbLG basiert auf dem AsylVfG, 7a AsylbLG gibt keine Einschränkung auf die anordnungsbevollmächtigte Behörde her.

Einschränkend füge ich hinzu, dass ich mit Aufgriffen im Inland nur am Rande befasst bin und daher lediglich meine Meinung wiedergebe. Lasse mich gerne überzeugen.

Gruß

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon JoeArmstrong » Fr 5. Apr 2013, 16:55

Servus,

die Zuständigkeitsregelung findet sich in § 10 AsylbLG.
In den mir bekannten Fällen sind die Landratsämter und die jeweilige Landespolizei als (eil-)zuständige Behörden bestimmt.

Die mir bekannten Absprachen lauteten, jeder Person 50 Euro zu belassen und den Rest sicherzustellen.

Und ja, es kommt auch schon mal vor, dass der Asylsuchende eine größere Menge (auch mal ein paar tausend Euro) an Barmitteln mit sich führt. In der Regel ist dieser aber mittellos, was ja in der Natur der Sache liegt. (ausgehend von einem "echten" Asylsuchenden; die "Balkan-Missbrauchswelle" außen vor)

Gruß

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon RafaelGomez » Fr 5. Apr 2013, 17:26

Danke, Joe.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon Beobachter » Fr 5. Apr 2013, 17:40

Jetzt wissen wir immer noch nicht ganz genau, wie das in Berlin ist.
Aber vermutlich so ähnlich.

Und dann wäre es immerhin eine Antwort auf meine mehrfach gestellte Frage. Diese Konstruktion "behebt" den Fehler, den man mit einem schwammigen Rückgriff auf sowas wie § 1 ASOG...."Gefahr für die Rechtsordnung" oder sowas Ähnlichem macht.
Rechtlich wär ich damit halbwegs zufriedengestellt.
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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Fr 5. Apr 2013, 18:31

das ist wenigstens eine antwort, mit der man was anfangen kann. allerdings sprich 10 asyblg nur von der örtlichen zuständigkeit, nicht von der sachlichen.
rechtlich halt. bereits beim überfliegen der bisher genannten §§§ kommen mir immer noch zweifel zur polizeilichen zuständigkeit bei der durchführung des asylblg.
diese §§ hin und herwerferei bringt doch rein gar nix.

ich will damit nur sagen: wer sich über seine zuständigkeit in einer angelegenheit nicht wirklich sicher ist und auch keine möglichkeit hat, diese sicherheit herzustellen ( z.b. durch entscheidung des vorgesetzten) , der lässt besser die finger davon.

wahrscheinlich lässt sich eine zuständigkeit konstruieren. für mich ist der sinn dieses gesetzes jedoch nicht die wegnahme von barem in geringer höhe. bei unsicherer zuständigkeit und da im polizeirecht eine ermessensausübung spielraum gibt, hätte ich diese 2000
den leuten belassen, sollte es sich wirklich um eine familie gehandelt haben.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon Babbsack » Fr 5. Apr 2013, 20:18

1957 hat geschrieben:für mich ist der sinn dieses gesetzes jedoch nicht die wegnahme von barem in geringer höhe.
Ok, ich kann dir nicht so Recht folgen. Wo siehst du da die Möglichkeit der Ermessensausübung bei dieser Norm im Asylbewerberleistungsgesetz? Für mich ist der Gesetzestext eindeutig. So eindeutig, dass ich mich frage, wie ein Polizist, also eine Exekutivbeamter auf die Idee kommen kann, sich anzumaßen wie ein Mitglied der Judikative eine Norm entgegen dem Wortlaut, also contra legem zu interpretieren. Das Verhalten kenne ich bisher nur von Amtsrichtern unterhalb der 600 EUR-Schwelle und obersten Bundesrichtern, wie BAG und Co. Insofern wäre ich für etwas Nachhilfe sehr dankbar.
mensch bleiben!
Eben deswegen bist du mir ob meiner Nachfrage ja auch nicht böse, was? :polizei10:

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon JoeArmstrong » Sa 6. Apr 2013, 14:32

Servus,

@1957, ich denke, Du hast Dich verklickt. In meinem AsylbLG geht es im § 10 um die Durchführung des Gesetzes und im § 10a um die örtliche Zuständigkeit.

Die polizeiliche Zuständigkeit muss durch den Landesfürsten übertragen werden/worden sein. Ich denke, das wird auch überall passiert sein.

Deinem Abschlussstatement ist nichts mehr hinzuzufügen! :zustimm:

Gruß

edit: @babbsack: Eine solche Diskussion macht nur auf der Sachebene Sinn.
Im § 7a steht, dass die Sicherheit verlangt werden kann. Dies eröffnet einen Ermessensspielraum, den der Beamte ermessensfehlerfrei ausüben muss. Dadurch kann es im Einzalfall zu dem Ergebnis führen, dass Geldmittel sichergestellt oder aber auch belassen werden.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Sa 6. Apr 2013, 15:43

danke joearmstrong,

ja offensichtlich habe ich mich verklickt.

mit deinem beitrag ist für mich alles gesagt.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon krisjugo » Mo 8. Apr 2013, 14:30

also können wir nun zusammenfassend sagen, dass die Sicherstellung von Bargeld bei Asylbewerbern nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Polizeibeamten (nicht Richter) rechtmäßig ist.

Befugnisnorm bleibt dabei weiterhin (in Berlin) §§ 1, 38 ASOG Bln i.V.m. 7a AsylbLG unter Einbeziehung des § 10 AsylbLG (aus diesem geht die Zuständogkeit hervor)

so richtig hoffe ich

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Mi 10. Apr 2013, 12:04

für nrw komme ich zu dem ergebnis, dass sich eine zuständigkeit der polizei für die durchführung des aylbewerberleistungsgesetzes nicht ergibt, denn das asylverfahrensgesetz des bundes legt in § 19 die Aufgaben der polizei fest, eine andere zuständigkeitsregel ist nicht ersichtlich.

eine sicherstellung im rahmen der amtshilfe wäre allerdings möglich.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon JoeArmstrong » Mi 10. Apr 2013, 18:50

Servus 1957,

Deiner Argumentation kann ich nicht folgen. Weil in Gesetz A eine Aufgabe A übertragen wird, ist ein anderes Gesetz B, aus dem eine andere Aufgabe B hervorgeht nicht anwendbar, weil diese andere Aufgabe B nicht bereits in Gesetz A genannt wird?
Um es mal auf die Spitze zu treiben: Weil in § 18 bzw. 19 AsylVfG nicht steht, dass wir die Straftat der unerlaubten Einreise des Asylsuchenden verfolgen müssen, lassen wir das bleiben?

Kannst Du das noch etwas erläutern? Oder steh ich gerade auf dem Schlauch?

Das AsylbLG ist ein eigenständiges Gesetz, aus dem sich Aufgaben und Befugnisse ergeben. Die Zuständigkeit für diese findet sich darin und muss gemäß § 10 AsylbLG übertragen werden (s. o.).

Wenn diese Zuständigkeit nicht übertragen wurde, so kann die Sicherheitsleistung natürlich nur im Rahmen der Amtshilfe erhoben werden.

Gruß

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Do 11. Apr 2013, 07:20

hi Joe,

in nrw gibt es ein zuständigkeitsverordung i.s. des § 10 AsylbLG , eine zuständigkeit der polizei für das asylbewerverleistunggesetz ist nicht dabei.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon RafaelGomez » Do 11. Apr 2013, 08:13

1957 hat geschrieben:...bei uns sind die ausländerämter allerdings immer erreichbar....
Ist damit '365 Tage im Jahr 24 Std. täglich' gemeint? Dann ist eine Zuständigkeit tatsächlich entbehrlich. Rufbereitschaft einer Ala war mir bisher allerdings unbekannt. Man lernt halt nie aus...

Gruß

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon 1957 » Do 11. Apr 2013, 09:46

mit kleinen zeitlichen einschränkungen - ja. Täglich 8 - 19 uhr rufbereitschaft.
das kann örtlich unterschiedlich sein.

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Re: Gefahrenabwehr-Sicherstellung-kein Richtervorbehalt?

Beitragvon RafaelGomez » Do 11. Apr 2013, 10:31

1957 hat geschrieben:mit kleinen zeitlichen einschränkungen - ja. Täglich 8 - 19 uhr rufbereitschaft.
das kann örtlich unterschiedlich sein.
Na ja, damit wäre der Zeitraum 1900 - 0800 nicht abgedeckt, 'immer erreichbar' ist wohl was anderes.

Wenn Du dann von Deinem Ermessen Gebrauch machst und -wie in diesem Fall- 2000 EUR als kleine Summe ansiehst und die belässt, ist es ja auch OK. Ich würd's nicht so machen.

Gruß


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