Der tägliche Dienst

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Kaeptn_Chaos
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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Sa 24. Mai 2014, 22:50

Samstag Nacht. Yeah! Großes wird passieren.

Mit zweitliebster Spannfrau (Ette) und dem Praktikanten (erste Woche, erste Nachtschicht am Wochenende, nennen wir ihn Ötti) geht es auf die große Fahrt. Die Spannfrau fährt, der Praktikant sitzt rechts und funkt, Chaos sitzt hinten und betet um seine Gesundheit. :polizei3:

Zunächst fahren wir gegen 21.30 h mal zu der Tanke mit dem Supermarktpreis-Shopangebot. Die Spannfrau kauft Kippen (büäh), Chaos Cherry Coke (die Spannfrau denkt sich: "büäh") und Ötti sitzt folgsam am Funk und ist aufgeregt.

Wir wollen von der Tankstelle starten und ein roter Pkw mit auswärtigem Kennzeichen kriecht über die zweispurig ausgebaute Bundesstraße. Als er den damals noch silber-grünen Funkwagen erblickt, scheint er noch langsamer zu werden...besinnt sich aber und fährt weiter. In der Vorbeifahrt erkennen wir drei männliche Personen, die sichtlich nervös sind und scheinbar um jeden Preis Blickkontakt vermeiden wollen. Damit haben sie die erste Anhaltung des Abends gewonnen. Nach einer schnellen Absprache sind Ötti und ich Einschreitende, Ette sichert.

Der Fahrer ist ein Paradebeispiel für Menschen, die unter Drogeneinfluss Kraftfahrzeuge führen. Scheinbar ist er auch völlig drauf und lässt bereitwillig alles mit sich geschehen. Auch die Frage, ob er etwas Zeit hat, damit ich meinem Azubi die Parameter eines Drogen-Checkups erläutern kann, bescheidet er positiv. Ötti ist begeistert. Die Mitfahrer weniger. Über einen Urintest reden wir drei (also der Fahrer, Ötti und ich) mal kurz, sind aber alle einer Meinung: Brauchen wir nicht, es steht fest, dass frisch konsumiert und dann gefahren wurde.

Irgendwann fällt mir auf, dass Ette mich nahezu hypnotisch fixiert. Ihrem Blick folgend schaue ich auf den Mitfahrer hinten rechts. Ette raunt "Fußmatte". Und siehe da...eher schlecht als recht lugt ein Stück Plastikbeutel mit Alufolie unter der Matte hervor. Da Ötti seine Nahkampffähigkeiten noch nicht unter Beweis stellen konnte und ich ja auch Eigensicherung lehren will, fordern wir mal eine zweite Streife an, die prompt da ist. Die sind unmittelbar nach uns rausgefahren und wollten auch eben fix an der Tanke mit dem Shopangebot...naja...ihr wisst schon.

Die beiden anderen Mitfahrer werden aus dem Fahrzeug gebeten und zunächst mal getrennt voneinander aufgestellt und durchsucht. Beim Beifahrer findet sich ein größerer Bargeldbetrag, dessen Stückelung entweder nahelegt, dass er ein Eisverkäufer mit Wucherpreisen oder aber Dealer ist. Derweil hat Ette bereits den verdächtigen Beutel spurenschonend gesichert, geöffnet, einen BTM Fund vermeldet und zur weiteren Fahrzeugdurchsuchung einen BTM Hund angefordert.

Unabhängig voneinander voneinander befragt, geben alle drei an, von dem Beutel nichts zu wissen. Allerdings hätten sie einen "Igor" mitgenommen. Den kennen sie aber nicht weiter. Sie sind ja auch nicht von hier. Gut möglich, dass der den schlicht vergessen oder verloren hat. Natürlich. Und Ette will nicht meinen Körper, Ötti vergöttert mich nicht und ich trinke nur ungern Pilsbier.

Der BTM Hund trifft ein - gefahren von seinem treuen Gefährten, dem Hundeführer - und stürzt sich ins Abenteuer. In der kleinen Serviceheftklappe unter dem Lenkrad schlägt er das erste Mal an...Gras. Wie fein. Unpraktisch jedoch: Diese 40 kleinen Beutel in einem großen Beutel. Man muss doch auch an die Umwelt denken. Mutmaßend, dass auch dieser Beutel "Igor" gehören wird, spüren wir weiter ab...in der Reserveradmulde schlägt der Hund nochmal an. Da ist aber nix. Eventuell hat "Igor" da auch Sachen gelagert, die sind jetzt aber weg. Nun ja. Ötti, Ette und ich sehen uns mittlerweile eigentlich in einer Haftsache und würden mit drei vorläufigen Festnahmen beginnen. Kollegial, wie wir sind, rufen wir vorab die K Wache an. Da sitzt einer, der was kann und ist ganz bei uns. Also fordern wir eine dritte Streife an und fahren dann getrennt mit unseren Gästen ins PG.

Nun ist der Schreibkram recht vielfältig geworden. Ette steht auf K Sachbearbeitung, ich auf Verkehrsdelikte. Ötti ist hin- und her gerissen. Einerseits will er bei Tutorlein glänzen, andererseits will er ja auch Fahnder sein. Da er Blutproben noch öfter als BTM Funde größeren Ausmaßes erleben wird, darf er Ette begleiten und unterstützen. Bei der Blutprobe des Fahrers nehme ich ihn kurz mit.

Mittlerweile haben Schnelltests und die Waage einen Fund von ca. 100 g Gras und 20 g Koks ergeben. Gar nicht schlecht, für Funkwagenkutscher aus der Stadt - als Beifang.

Danach feile ich an einem Gesamtsachverhalt und unterstütze die beiden anderen beim Papierkram. Um sich davon mal ein Bild zu machen:

eine Owi-Anzeige gem. § 24 a StVG.
ein Antrag auf Blutprobenentnahme
ärztlicher Untersuchungsbericht
Liquidation (Arztabrechnung)
"Torkelbogen" -> Formular über Ausfallerscheinungen des Fahrers
Vermerk über die Freiwilligkeit der Blutprobenentnahme
Vermerk über die Sicherstellung des Fahrzeugschlüssels (Halter war nicht vor Ort)
====
eine Strafanzeige gem. § 29 BtmG
drei Festnahmeanzeigen
eine Sicherstellungsanzeige (BTM und Bargeld)
drei Anträge auf ED Behandlung (wird durch K Wache durchgeführt)
ein Durchsuchungsbericht PKW (durch den Hundeführer)
ein Vermerk über Schnelltest und Wägung des Stoffes
====
Einträge ins Asservatenbuch, ins Schlüsselbuch, in die Blutprobenmappe, etc.

Gegen 01.00 h sind wir mit dem Rotz fertig und übergeben das feierlich der K Wache. Der K Wachen Kollege findet das alles geil und hat durch Büroermittlungen schon rausgefunden, dass die drei in ihrer Heimatstadt in Hintertupfingen einen Namen haben. Ich bin mir sicher, dass die Dienststelle dort keinen Bock hat, dennoch wurde sie ersucht, doch mal Wohnungsdurchsuchungen zu veranlassen. Ob direkt in der Nacht oder nach richterlicher Anordnung am nächsten Tag, bleibt ihnen überlassen. (Wetten, wie die sich entscheiden? :polizei3: )

Meinem Chef drücken wir die Doppel für den Wachleiter in die Hand. Der soll ja auch sehen, dass Chaos nicht nur auf der copzone surft und Cherry Coke süppelt, sondern die Speerspitze im Kampf gegen das organisierte Verbrechen ist. Während ich dem Postfach der Kripo eine Mail schreibe und mich für die ausgezeichnete Mitarbeit der K Wache bedanke, rauchen Ette und Ötti eine. (Vier Wochen später drückt mir mein Wachleiter ein Schreiben des Leiters K in die Hand, aus dem hervor geht, dass das a) ein toller Fang war und b) alles ganz hervorragend geschrieben wurde.) Naja...Ette und ich sind halt die Weltbesten.

Wir fahren wieder raus und erledigen mehrere Ruhestörungen. Weitere Fahrzeugkontrollen sind nicht so erfolgreich. Das Gesetz der Straße. Nach der Funkwagenzuordnung, die ich nie ernst nehme, sind wir der Außenbereichswagen. Zumindest müssen wir deshalb zu der nicht durchgängig besetzten Nebenwache far out und da die Wache "kontrollieren" sowie deren Vorgänge tauschen. Die haben meist keine, wir bringen denen aber was von uns mit. Als wir uns da um 4.35 h klar melden, kriegen wir den worst case für Ette: "VU Wild, verletztes Tier".

In langen Nachtschichten haben wir beide schon geklärt, dass sie als Pressesprecherin für PETA oder greenpeace vielleicht mehr erreichen könnte - aber sie fährt halt auch gerne mit Blaulicht durch die Nacht und sperrt böse Buben ein - wer bin ich, dass ich ihr das verdenken könnte?

Wie auch immer treffen wir auf die 18-jährige Discoblondine, die auf der Heimfahrt den Rehbock teilerlegt hat. Nun darf Ötti seine sozialen Kompetenzen beweisen und trösten und beraten. Ette erledigt im Auto den Papierkram, nachdem sie aus den Augenwinkeln festgestellt hat, dass der Bock eher tot als lebendig ist. Ich telefoniere mit der Leitstelle und versuche, den Jagdausübungsberechtigten zu erreichen. Wenn ich der wäre, hätte ich auch das Telefon aus. Der Bock hat aufgegeben und schaut mit nahezu waidwunden Augen in die Morgendämmerung. Meine Bauernhofprägung beurteilt seine Lebenschancen schlecht.

Ette, erfahren in Tiermedizin und Pferdeliebhaberin, sagt auch, dass es wohl besser wäre, wenn man das Tier erlösen würde. Alle Augen ruhen auf mir. Ich bin versucht, das auf Ette oder Ötti abzudrücken...wozu haben wir die verkackte Hierachie denn wohl...verwerfe den Gedanken aber sofort wieder. Ötti kriegt einen theoretischen Kurzabriss (Gehörschutz, Trefferzone, Untergrund), darf aber auch im Auto sitzen bleiben.

Ette guckt mich an und fragt, ob es ok wäre, wenn sie mit Ötti kurz verlasten würde, um den Schuss nicht hören zu müssen. Es ist ca. 5.37 h, ich stehe an einer verkackten Landstraße, für mich ist auch die sechste Stunde...aber es ist Ette. Was willste machen?

Ich erlöse das arme Tier, ziehe es ein wenig mehr ins Gebüsch und kennzeichne die Stelle, damit der Jäger, den der Frühdienst dann hoffentlich erreichen wird, es findet.

Nach dem Anruf kommt Ette wieder - und hat frischen Kaffee dabei. Wenn ich charakterlich nicht so gefestigt wäre, würde ich mich jetzt in sie verlieben.

Wir fahren rein und ich schreibe natürlich noch die Meldung "Schussabgabe / Bitte um Ersatz von Patronenmunition".

Ötti kriegt seine tägliche feedback Meldung. Hat er gut gemacht. Aufmerksam, hilfsbereit. Willig. Fein.

Als ich ins Bett falle, kriege ich noch eine feedback Meldung von Ette - per sms. So endet auch diese Schicht mit einem Lächeln auf den Lippen und im Grunde kann ich es kaum abwarten, wieder zur "Arbeit" zu gehen.
:lah:

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Sa 16. Aug 2014, 23:01

Montag, Nachtdienst - Lapper (16.00 - 00.00 h)

Wie immer wollte den keiner fahren, weil die Spätdiensttour traditionell dem Lapper alle Arschloch- und Schreibeinsätze zuschustert, jedoch sind das die Dienste, in denen meine Lieblingsspannfrau und ich uns sicher sein können, diese gewährt zu bekommen, wenn wir uns im Vorplanungsbuch dafür eintragen. Außerdem haben wir am nächsten Tag um 08.30 h einen Gerichtstermin, weil sich unser AG noch immer nicht die Mühe macht, sich unsere Dienstpläne anzufordern und uns dann vielleicht mal vorzuladen, wenn wir ohnehin im Dienst sind.

Wie immer sind wir früh auf der Wache und machen uns kundig. Und trinken auch in Ruhe Kaffee. Wir lösen niemanden ab und eigentlich hat der Spätdienst vier Wagen laufen, die im Grunde auch alles lösen könnten. Dennoch sind wir nicht überrascht, dass uns der Funker zehn Minuten vor dem eigentlichen Dienstbeginn fragt, ob wir nicht den VUP (Verkehrsunfall mit Personenschaden) fahren wollen. Während wir rausrennen, kommt uns eine Besatzung von denen entgegen mit Pizza auf der Hand. Klar, die haben ja auch schon drei Stunden "gearbeitet"...dann muss man ja auch mal ans Essen denken. :polizei10:

Der Unfallort ist eine Ausfallstraße und aufgrund der Uhrzeit stark frequentiert. Der lustige Moppedfahrer mäht die arme Fußgängeroma um. Da er danach stürzt und relativ weit über den Asphalt schleift und erst ein hoher Bordstein und eine fiese Metallplanke seinen Schlitterkurs beenden, liegt der Verdacht nahe, dass er evtl. gefahren sein könnte wie eine besengte Sau.

Dass 38 Spießbürger, die im nahe gelegenen Einkaufscenter shoppen waren, bei uns anhalten und sagen, dass sie von dem Moppedfahrer bereits sehr asozial überholt wurden und der überhaupt sehr scheiße gefahren ist, bestätigt diese erste These.

Der Moppedfahrer verliert seinen linken Arm; das kann man mit 36 Jahren ja immer gebrauchen...Oma nach 30 Tagen ihr Leben - womit das aber aus statistischen Gründen nix mehr mit dem Unfall zu tun hat. Bilanzen sind alles. :flehan:

Der schlecht gelaunte Spätdienst DGL, der eher einen diktatorischen Führungsstil pflegt, ist sich unschlüssig, ob er nun geil finden soll, dass Spannfrau und ich seine Funksprüche doof finden und viel ablehnen und negieren, was er vorzugeben versucht oder ob er Fan von uns ist, weil wir einfach nur eine qualifizierte Unfallaufnahme durchführen, die nicht von seinen teilweise abstrusen Ideen abhängig ist. Da er weiß, dass ich mich gleich eh wieder bei meinem Chef en detail darüber beklagen werde, was er so treibt und mein DGL stellv. Wachleiter ist, hat er mehr zu verlieren als ich. Auch, wenn er zu diesem Zeitpunkt drei silberne Sterne mehr hatte als ich - Polizei kann so ungerecht sein. Aber Beziehungen schaden bekanntlich ja nur dem, der sie nicht hat.

Nach der Unfallaufnahme und der Heimsuche im Krankenhaus - keiner der beiden Unfallbeteiligten war noch vor Ort und man muss denen ja die Unfallmitteilungen hinterlegen und die Kleidung der Oma sicherstellen - wäre es eigentlich üblich, dass wir reinkommen und das schreiben. Es gibt eigentlich nur drei Einsatzanlässe, bei denen es üblich ist, dem Funkwagen den Rücken frei zu halten und den schreiben zu lassen. Schwerer VU P wäre einer davon. Dass die Tour uns dennoch den renitenten Ladendieb verkauft, spricht eindeutig für sie. Der Fisch fängt halt vom Kopf her zu stinken an.

Der renitente Ladendieb sitzt im Kaufpark in einer Ecke. Der Ladendetektiv ist wagemutig. In der Ecke liegen auch noch zwei nicht kleine Scheren und ein Brieföffner. Während meine Spannfrau und ich genau darauf gucken, wandert sein Blick auch genau dort hin. Da meine Spannfrau und ich ganz eindeutig nicht wagemutig sind und nach Schichtende gerne heil nach Hause kommen, karpfen wir ihn nach einem kurzen Blick fix zu Boden - bevor Fragen aufkommen. Die Ermittlungen der K Wache ergeben, dass der junge Freund in den letzten zwei Wochen ca. 369 Mal auffällig geworden ist. Dass seine Beute aus hochwertigen Parfümen offensichtlich dazu dient, seinen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren, lässt den Gedanken an ein, zwei Haftgründe hochkommen. K Wache hat nicht so richtig Bock, aber der StA findet auch, dass der legendäre 12/32 da richtig liegt.

(Im Weiteren wurde dann übrigens per Verfügungslage abgeschafft, dass Funkwagen die StA selbständig anrufen und dass das einzig der K Wache obliegt.)

Im Hier und Jetzt können wir den Menschen zumindest noch festnehmen und ins PG fahren. Nun ist zwar beste Lapperzeit, in der wir eigentlich draußen sein und dem Spätdienst den Rücken freihalten sollten, aber das wollten die ja so. Dann sollen sie uns da halt nicht hinschicken.

In perfekter Absprache mit meiner Spannfrau bastele ich den weltbesten Unfallsachverhalt, sie schreibt eine wundervolle Haftsache.

Gegen 22.00 h sind wir fertig und kehren erstmal in unsere Polizeiwache ein. Der Rest ist schon draußen.

Mein Chef fragt mich, was ich schon wieder (?) für einen Streit mit dem Spät DGL hatte. Angeblich hätte ich arrogant und herablassend mit dem gesprochen und seine Maßnahmen in Frage gestelllt. Zumindest letzteres stimmt. Arrogant bin ich eigentlich selten, ich weiß es halt nur oftmals besser. :polizei3:

Dass ich manches an dessen kommunikativen Verhalten zu kritisieren habe, nimmt mein Chef zur Kenntnis, hält sich aber nicht lange damit auf. Dann brauche ich ja gar nicht erst damit anzufangen, wie bescheiden ich es finde, nach so einem Unfall noch einen weiteren Schreibeinsatz exorbitanten Ausmaßes wahrnehmen zu müssen. Dass das vielleicht gar ein taktisches Manöver des Spät DGL war, um mit meinem Chef zu sprechen, bevor ich den impfen kann, scheint nicht ganz abwegig.

Naja, während wir einen Kaffee schlürfen kommt die Bedrohungslage mit Messer. Die anderen stehen anderswo, also fliegen Spannfrau und ich von der Wache mit dem Chef in die Richtung.

Im Mehrfamilienhaus ist der allseits beliebte Mieter von oben wieder durchgedreht. Die Nachbarin von der Etage drunter schildert recht glaubwürdig, dass der Typ mega aggro ist und manchmal aber seine sechsjährige Tochter zu Besuch hat. Netter Grundsachverhalt. Heute ist er durchgedreht und hat die besagte Nachbarin unter Vorhalt eines Messer bedroht. Dann ist er wieder in seine Bude gegangen.

Die enge Treppe ins Dachgeschoss endet direkt an der Tür. Kein Raum. Kein Platz zum Ausweichen. Der Chef, der gerade noch meine mangelnden kommunikativen Talente würdigte, lässt mir netterweise den Vortritt.

Beurteilung der Lage?

Aggro Asi Typ wird wohl in der Wohnung sein. Mutmaßlich mit Messer.

Ob sonst wer, insbesondere die sechsjährige Tochter, in der Bude ist? Who knows.

Ich stehe im kurzen Hemde (klar mit Unterziehweste, welche aber nicht stichfest ist) und Lederjacke vor der Tür...gucke die Spannfrau an. Die sagt, dass sie direkt hinter mir ist und mich auf jeden Fall rächen wird. Doofe Punz. ;D

Der Chef, der unlängst noch bemängelte, dass man die günstige Gelegenheit nicht selber herbeiführen dürfe, sagt: "Na los jetzt, da gehen wir rein!".

Wider Erwarten gibt die Tür fix nach. Die Bude ist komplett dunkel. Im Taschenlampenschein unter Vorhalt der Waffe blende ich erstmal ein süßes kleines Mädchen, das etwas hilflos auf der abgewrackten Ledercouch sitzt. Da diese aber nicht Notiz von mir nimmt, sondern in die Ecke der Küche schaut, wandert auch mein Blick dahin - und guck, Papa ist auch zu Hause. Messerschaft schaut aus der Hose, einen Schraubenzieher hat er netterweise so in der Hand, wie ich ihn in die Hand nehmen würde, um ihn jemanden in den Hals zu rammen. Dankbar dafür, dass ich mal lernte, wie man mit Waffe in der Hand Menschen umflexen kann, ohne zu schießen, passiert das auch jetzt. Chef und Spannfrau sind erst verdutzt - als das Licht dann an ist und sie sehen, wie Schraubenzieher und Messer erscheinen, scheinbar auch erleichtert.

Der Mensch kommt ins PG. Die Tochter muss zur Mutter 60 km weit weg. Mutter ist besoffen, also fährt natürlich einer der drei Funkwagen, die jetzt noch zur Verfügung stehen, dahin.

Wir schreiben jetzt noch einen weiteren lustigen Sachverhalt und entnehmen dem Papa vorsichtshalber noch eine Blutprobe. Folglich machen wir bis zwei Uhr.

Den Gerichtstermin um 08.30 h nehmen wir dann mit kleinen Augen wahr. Dass der Beschuldigte nicht erscheint, weil er seit sechs Monaten in Haft sitzt - das konnte das hohe Gericht bestimmt mal wieder nicht wissen. Danke für nix. :polizei4:
Zuletzt geändert von Kaeptn_Chaos am So 17. Aug 2014, 00:28, insgesamt 1-mal geändert.
:lah:

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon sabre2 » So 15. Nov 2015, 18:33

Erstes Praktium.
Allererster Dienst.
Landratsbehörde.

Deutschland steht im WM Halbfinale, also ist der erste Dienst meines Lebens ein SE (Sondereinsatz). Auch nicht schlecht.
Dienstbeginn ist 20:00 Uhr. Um 10 vor husche ich aufgerödelt und aufgeregt am WDF (Wachdienstführer) vorbei um mich an die Fersen meines Tutorlein zu hängen. Im Aufenthaltsraum wird man nach Begrüßung zuerst beäugt, dann links liegen gelassen. Nunja, nicht schlimm, denn Tutorlein zeigt mir erstmal die wichtigsten Geheimnisse der PW (Polizeiwache) und verdonnert den KA (Kommissaranwärter) dann dazu, alle grundsätzlich benötigten Formulare zu organisieren und diese in meine ohnehin schon volle Kladde zu laden.

20:30. Dienstbesprechung. In der Stadt (die per Definition ein Mittelzentrum ist...) gibt es zwar kein offizielles Public Viewing, aber in/vor den entsprechenden Bars an der Hauptstraße versammeln sich erfahrungsgemäß doch so einige Personen. Das Wetter ist schlecht, dementsprechend rechnet man mit eher weniger dieser besagten lustigen Menschen als bei den letzten Spielen. Diese Vermutung wird durch die Aufklärungsergebnisse des Spätdienst unterstützt. Dementsprechend entscheidet man, erst bei Abpfiff mit allen Kräften auszufliegen und es sonst bei Aufklärung in der Halbzeitpause zu belassen.

Das Spiel beginnt. 30 Minuten sind um. Das Einsatzmittel, welches kurz vor Spielbeginn zum VU-S (Verkehrsunfall-Sachschaden) juckeln musste ist zurück, schaut auf den Fernseher, dann ungläubig in die versammelte Runde, zu der sich inzwischen auch ein DHF (Diensthundführer) gesellt hat und lässt fasst die Unfallmitteilung fallen. ;D
Auch der weitere Verlauf des Spiels sorgt irgendwie für gute Stimmung.

Abpfiff. Das Ergebnis sollte jedem bekannt sein. Also raus.
2 Minuten später hat man Position bezogen und steht mit 2 EM (Einsatzmittel) und dem DHF gefühlt 500 Menschen gegenüber. Irgendwie tun alle so, als würde es garnicht aus Kübeln schütten. Und die Menge wird auch nicht kleiner..
Da im Rest der Stadt nicht so viel los ist, zieht man die restlichen Kräfte aus dem SE und dem Nachtdienst zusammen.
Irgendwie wirds langsam unübersichtlich und die Hauptstraße zur Fußgängerzone, was allerdings einige Verkehrsteilnehmer garnicht einsehen..
Der Einsatzleiter kommt nun auch raus und nimmt die Sache selbst in die Hand. Den ersten Störer welcher den Platzverweis nicht befolgt ebenfalls.
Das gefällt den gefühlten 100 Freunden garnicht. So fliegen plötzlich ein paar Böller und mehrere Flaschen in unsere Richtung. Da der DHF mit seinem gerade aus dem Kofferraum geholten vierbeinigen Kumpel mehr Eindruck macht als eine zweistellige Zahl an Polizisten beruhigt sich die Situation doch wieder Stück für Stück.

Da der Verkehr nun doch abgenommen hat, besteht die restliche Zeit darin, Leute die auf die Fahrbahn fallen vor selbigem zu bewahren und vermeintliche Hobby Einsatzlehre Dozenten mit scharfen taktischen Ideen und 20 Promille abzuwimmeln.

Gegen 3 Uhr ist der Spuk dann vorbei und man fährt rein.

Darauf dass ich diesen Dienst niemals vergessen werde.
Zuletzt geändert von sabre2 am Mo 16. Nov 2015, 22:56, insgesamt 3-mal geändert.
EJ '13 - NRW

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon DerLima » Mi 2. Dez 2015, 17:15

Ein beschaulicher Tag im ruhigen Lande...
Den ein oder anderen BSD Werkstatt und Kfz aufgenommen. Dann kommt der Einsatzruf des Tages:

"Wagen 1234 für Leitstelle"
"Das sind wir, was dürfen wir tun?"
"Fahrt zur Gesamtschule in X-Stadt. Anrufer meldet:
Auf dem Sportplatz jagt ein Hund ein Wildschwein!"

Vor lachen fiel ich fast von der Motorhaube, erstickte an meinem Donut und übergoß mich mit heißem Kaffee...
Unter brüllendem Gelächter nehmen wir den Auftrag an und reisen dort hin. Typischer Einsatz für meine Kollegin und mich, haben wir doch öfter irgendwelche Tiergeschichten auf Lager.

Angekommen werden wir durch ein paar aufgeregte Kinder erwartet, welche uns versuchen unter Weglassung aller bisherigen Hinzudichtung das Geschehene zu erklären.
Aus der Ferne hören wir schon ein Hundegebell und rascheln im Gebüsch jenseits des Sportplatzes.
Dann sehen wir auch den Schatten der Wildsau und fordern direkt mal nen Jagdpächter an.

Trotz allem geht es dann todesmutig auf Erkundung des Geländes.
Das Gebüsch ist äußerst dicht und Hund und Wildschwein spielen artig fange immer an dem Zaun entlang.
Imposanter Keiler das...
Nun denn, wir fanden keine Lücke in der Umfriedung aus der wir den Keiler hätten treiben können, also watscheln wir nach einer beinahe-kollision mit dem Schwein (knapp ein meter neben uns vorbei) wieder zurück auf den Platz und erwarten den Jagdmann.

Es wird ruhig bei dem Wauzi, welcher dann überraschenderweise auch aus dem Gebüsch kommt und sich direkt zu uns gesellt.
Lustiger Hund, Jack Russell oder so, trägt eine Warnweste und einen Funksender. Auf der Warnweste sogar seine Handynummer, welche flugs an die Leitstelle geht.

Die Kollegin am Funk kann kaum noch vor lachen, als sie uns meldet, dass der Hundebesitzer grad etwa 4 km entfernt (jenseitig der Autobahn) an einer Jagd teilnimmt.
Was ist da wohl falsch gelaufen...?

Hund wohnt in dem Ort der Schule, hatte wohl keine Lust mehr auf Jagd und wollte scheinbar nach Hause. Unterwegs schnell noch ein Wildschwein aufgerissen und ab zum Schulsport...
Der Jäger ist da. Leider nicht der, dem der Hund gehört, aber immerhin.
Wir wieder zurück ins Gebüsch, Wauzi artig angebunden, nicht das der noch vor die Flinte rennt.
Ich seh nur noch, wie der Keiler auf den Jäger zurennt, dieser schiesst, aber leider nicht final.

Keiler konnte sich retten. Aber, er verlässt das schützende Gebüsch und rennt in eine andere Ecke des Platzes. Dort gibt es Umfriedungsbedingt kein entkommen.
Jäger links, ich rechts zwischen uns ausreichend Platz laufen wir Richtung Keiler.
15 meter vor ihm bleibe ich stehen, will ich doch nicht dem Vieh zu nahe kommen.
Der Jäger ist (aufgrund Betagtheit) noch gut 50 meter weg, als Keiler sich denkt:
Schwein gegen Bulle: Das schaff ich.
Keiler nimmt mich Maß und anschließend Anlauf.
Ich rücke etwas zur Seite um Platz zu schaffen, damit das Schweinchen in das rettende Gebüsch kommt, aber nein... Keiler dreht wieder in meine Richtung ab.
Keine Zeit zum umdrehen und rennen, bleibt mit also nur das Gefecht.
2x knallt es aus meiner Sig und der Keiler kommt ins trudeln, dreht wieder ab und versucht zurück zum Gebüsch zu kommen. Die Böschung schafft er schon nicht mehr.
Der Jäger gibt ihm dann die letzte und schnelle Gnade.
Ein Glück.
Blödes Gefühl, wenn so ein 89-90 kg Keiler auf einen zugerannt kommt...
Nunmehr war auch Herrchen da und wir haben vor Ort dem Jäger noch geholfen das Tier auszuweiden und zu verladen.

In diesem Sinne...
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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon SirJames » Mi 2. Dez 2015, 21:29

Samstag, Nachtdienst, 1800- 0600

1530

Das typische Geruchsbuket aus Bohnermilch und Desinfektionsmittel begrüßt mich. Einloggen, Small Talk auf der Wache, der W1 sieht gestresst aus. Der Anzeigenaufnahmeraum quillt über, da W3 und W4 B-Posten stellen müssen. Ob ich nasse Wände habe, fragt der Chef wie immer, um zugleich amüsiert vorzuschlagen, dass ich ja ein paar Anzeigen aufnehmen könne. Auch wenn ich mir nichts schöneres vorstellen kann, lehne ich dankend ab und verdünnisiere mich zum Sport.

1700

Funkwagen aufrüsten, den ersten Kaffee trinken, E-Mails checken.

1735

Unterstützung eines anderen Funkwagen beim Transport zweier widerwilliger Ladendiebe. Die Kommunikation gestaltet sich durchgehend schwierig und endet mit dreißig Minuten leichtem Ringkampf auf der Wache. Nachdem alles geklärt ist, dürfen die beiden gehen. Selbst dagegen haben sie etwas. Geht ja gut los, raunt mir meine Passfrau zu. Tatsächlich entlockt mir das ein Grinsen, scheint es doch eine vielversprechende Nacht zu werden.

1830

Verkehrsunfall ohne Höhepunkte, kommt es aus dem Funkgerät. Das dämpft die Euphorie auf ein Normalmaß.

1900

Feuer Wohnhaus, Frau X beobachtet wie es in einer Wohnung brennt, werden wir eingewiesen. Leicht angebranntes Essen lautet unser Abschluss, den Sprecher und mich beschäftigt die Frage was Frau X da wohl gesehen haben mag.

1915

Ladendiebstahl in einem bekannten Lebensmitteldiscounter; man kennt sich und muss nicht viel sagen. Der Dieb, auch den kennen wir, pöbelt uns in einem unnachahmlichen Mix aus allerlei Sprachfamilien voll. Während ich noch überlege, ob der letzte Erguss russisch oder polnisch war, sind wir auch schon fertig. Richtung Wache mit schriftlichen Arbeiten schließen wir den Kriminalfall ab.

1935

Daraus werde nichts, teilt der Sprecher in bedauerndem Tonfall mit und schickt uns zu einer Schlägerei an einer mitlerweile medial sehr präsenten Örtlichkeit. Während der Anfahrt überlegen wir noch ob es ein Raub oder ein räuberischer Diebstahl wird; Beschreibung wie oft: männlich, Südländer, dunkel gekleidet. Also wieder die Suche nach der Nadel im Nadelhaufen. Nach erfolgloser Absuche und fehlgeschlagener Kontaktaufnahme zum Anrufer, drehen wir bei.

1950

Hausfriedensbruch im Lebensmitteldiscounter; in Deutsch, Englisch, mit Händen und Füßen erläutern wir den Betroffenen, die voll des guten Weines den Ausgang nicht finden wollen, dass sie ihn nun besser finden mögen. Sie tun uns den Gefallen, aber nicht ohne sich ausgiebig in unverständlichen Lauten bei uns zu bedanken. Ich vermute jedenfalls, dass sie sich bedanken.

2010

schriftliche Arbeiten, zweiter Kaffee, Plausch mit den Kollegen, nachträgliche Einweisung durch den W1: Festnahmen Vortag, EAO, welche EE Kräfte etc., wir spielen noch ein bisschen verbales Ping Pong, welches der Chef für sich entscheiden kann.

2045

Unterstützung Pol tönt es über die Rufanlage; wir rennen zum Funkwagen, Informationen gibt es nicht, wahrscheinlich keine Funkanbindung. Als wir ankommen, sehen wir zwei Kollegen, die mit Mühe jemanden nach Kv. und Widerstand neben dem Funkwagen liegend fixieren. Der Typ scheint gut drauf zu sein. Wir unterstützen, woraufhin mein neuer Freund nochmal richtig loslegt, bis wir ihn schlussendlich mit einem Rtw in ein Kh. bringen. Mein Freund hat sich inzwischen beruhigt, so dass uns der diensthabende Psychiater fragend anguckt. Derweil lässt meine Passfrau im Nebenzimmer ihre Blessuren untersuchen. Der fragende Gesichtsausdruck verschwindet erst als der mein Freund im Behandlungszimmer nochmal zeigt was er kann, nachdem der Doktor eine falsche Frage gestellt hat. Kürzt das ganze zu meiner Freude ab, mein Freund bleibt bei dem Doktor mit dem nunmehr eindeutigen Gesichtsausdruck. Wir fahren rein, meine Passfrau tritt ab und ich schreibe diverse Vorgänge.

irgendwann nach Mitternacht

Meine neue Passfrau ist da und es geht auch gleich weiter zum unzulässigen Lärm, laute Party im Hinterhof. Nach mehrfachem Klingeln und 'Klopfen' wird geöffnet. Mit dem ersten Blick versuche ich Besucherzahl und Stimmung abzuschätzen. Nicht grade meine Stärke. Ich lande bei 50-70 und ausgelassen. Als man uns erblickt, schätzen die augenscheinlich ebenso. Wir einigen uns mit dem Verantwortlichen auf eine erste Ermahnung und erläutern die Konsequenzen eines zweiten Besuches. Man nimmt es widerwillig zur Kenntnis und ich freue mich schon auf das Wiedersehen.
Die nächsten Stunden geht der Triesel kaum noch aus. Die übliche Mischung aus Schlägereien, Taschendiebstahl, Raub usw. Zur Beruhigung gibt es zwischendrin UL am Fließband, inkl. dem angekündigten Wiedersehen. Wir haben Glück und ein zweiter Wagen ist frei und auch gleich so nett uns zu begleiten. Wir geben die Spielverderber, was nicht grade für Freudenstürme sorgt. Man hält sich für mutig, als man fleißig unsere Dienstnummern notiert. Dass uns das augenscheinlich nicht aus der Fassung bringt, scheint die Mischung aus Matetee-Trinkern, Halbjuristen und Junge Welt-Lesern zu verwundern. Nachdem wir uns nun alle unserer gegenseitigen Zuneigung versichert haben, ziehen wir von dannen.

0530

Wir versuchen ein paar Sachen zu Papier zu bringen, als es aus der Rufanlage abermals 'Unterstützung Pol' knarzt. Alles rennt, Informationen schallen bruchstückhaft über den Flur. Während ich meine Weste wieder anpelle, höre ich irgendwas von Verfolgungsfahrt, Trunkenheit und VU. Am Ort erwarten bereits zwei Funkwagen, drei Mitglieder einer ortsansässigen Großfamilie , zwei Frauen des horizontalen Gewerbes und eine hochwertige Limousine eines großen dt. Herstellers in einer Baustellenabsperrung. Ein Kollege bittet uns ihm eine der zwei leichten Damen abzunehmen, mit dem Hinweis, dass sie gerne spucke. Die gute Frau ist augenscheinlich ziemlich erregt. Meine Passfrau hat einen ganz guten Draht zu ihr, so dass ich in Sichtweite bei der Großfamilie unterstützen kann. Zwischenzeitlich werden zwei andere Wagen vom Ort abgezogen. Hektik am Funk, unschöner VU mit noch unschönerem Ausgang und Messerstecherei. Schichtwechsel ist auch noch und so geht alles halbwegs drunter und drüber. Inzwischen sammeln sich immer mehr Unbeteiligte am Ort und illustrieren recht anschaulich was mit Großfamilie gemeint ist. Mir wird unbehaglich, weil ich weiß, dass wir und die Nachbarbereiche ausgeblutet sind. Die Betroffenen sind so nett und bleiben friedlich.

0615

Wir werden nicht mehr gebraucht und wollen Richtung Wache. Der Sprecher schlägt diesen bedauernden Tonfall an, der nichts gutes bedeuten kann und schickt uns mangels Masse zur ausgelösten Alarmanlage. Technischer Defekt.

0630

Schlägerei vor eine Disko. Erstaunlicherweise erwarten die Beteiligten, um uns abwechselnd lallend und pöbelnd ihre Leidensgeschichte zu erzählen. Meine Laune nähert sich langsam dem Siedepunkt, als ich die beruhigende Hand meiner Kollegin auf meinem Oberarm spüre. Da Einfältigkeit nicht strafbar ist und wir auch sonst keine Straftat erkennen können, setzen wir fort.

0830

Letzter Kaffee und Zigarette, Plausch mit den Kollegen und dann Feierabend.
“No, I don’t wonder Marty. The world needs bad men. We keep the other bad men from the door.”

(true detective)

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besserspätalsnie
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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon besserspätalsnie » Fr 4. Dez 2015, 20:42

Nachtdienst von Donnerstag auf Freitag bei der Landeierpolizei :)

21:00
Wir starten mit ner gemütlichen Kaffeerunde. Gerade eingegossen muss er auch schon kaltwerden - Im Nachbarrevier läuft eine größere Fahndung nach jemandem der einen Abschiedsbrief vor seinen Tresor legte und nun mit seiner 22er Pistole unterwegs ist.
Unfälle gibt's da leider aber auch.

Streifenpartnerin und ich schmeissen noch schnell die Mp in den Wagen und fahren stolze 23 Km um für die Kollegen ein paar Unfälle zu übernehmen. Nix Spektakuläres dabei.

22:20
Noch schnell gefragt ob wir die Fahndung unterstützen sollen - negativ. Auf dem Rückweg kommt die Meldung, dass ein armer Mann wohl grundlos aus einer Kneipe am anderen Ende des Dienstgebietes herausgeprügelt worden wäre. RTW rollt, zweiter Funkwagen nicht - der Melder ist ein amtsbekannter Nachfahre der Gebrüder Grimm und Anruf in der Kneipe ergab keine Pulserhöhung bei meinem DGL.

22:40
Eintreffen Kneipe. RTW vor Ort, Melder und 2 Sanis drin und offenbar alles gut.
Erstmal in die Schenke: Streifenpartnerin und ich werden entspannt begrüßt - wir fragen uns: was machen wir hier?

Im RTW mal blöd gefragt - wat is hier los? Herr 1,9 Promille erzählt etwas von "in Ruhe Bier trinken" und "herausgeprügelt ohne Grund".
2 Sanis schauen mit Fragezeichen auf dem Kopf zu mir und berichten: Nichts zu machen, keine Verletzungen gefunden.

Auf 10 maliges nachfragen wo genau er geprügelt worden sei und wie ich mir das vorstellen muss kommt nur: ja, wo... in der Kneipe da.. .
Letzter Versuch: Haben sie sich evtl. nur etwas daneben benommen - wollen sie nicht nach Hause?
Antwort: Nein, ich habe überall ganz schlimme Schmerzen. Wo genau kann ich zwar nicht sagen - aber aua!
Na gut, ich starte die Ermittlungen im Lokal.
10 Minuten später habe ich eine hanebüchene KV gegen einen Gast, und 3 Anzeigen gegen den Melder aufgenommen. Ungefähr 10 Gäste bestätigen die vom Melder begangenen Beleidigungen, Hausfriedensbruch und einen versuchten Diebstahl.

23:30
Rückfahrt Dienststelle. Vollbremsung meinerseits auf der Bundesstraße. 3 halbstarke Fußgänger in dunklen Klamotten auf der falschen Straßenseite.
Da ich gerade vor 1 Woche einen tödlichen VU (nicht schön anzusehen) aufgenommen habe und die Obduktionsbilder immer noch im Kopf rumschwirren, maule ich mal munter meine Meinung ob dieser Wanderung nach draußen.
Die Straßenseite wird gewechselt, der mit dem größten (Handy) hält dieses nun leuchtend vor sich. Voll sind sie auch nicht, reicht.

23:45 - 01:00
1x VU Wild
1x VU Sachschaden
1x Kaffee (endlich)

01:30 bis 02:45
Nachdem bereits einmal bei dem amtsbekannten, 65 jährigen Promilleveteran aufgrund einer Ruhestörung Ansprache gehalten wurde (durch die geschlossene Tür - er fand das Schlüsselloch von innen nicht mehr), ist die Musik jetzt aus.

02:55 -03:30
Mehrere Anrufe vom o.a. 65 jährigen bei uns und der Rettungsleitstelle. Er möchte jetzt, dass wir die Dame auf seinem Sofa abholen. Die ist laut ihm dermaßen voll, mit ihr kann er jetzt nix mehr anfangen.
Frage: Was macht die bei Ihnen? - Antwort: Saufen und schlafen. Er hatte sich mehr erhofft.


03:40
Nun kommt dem 65er eine zündende Idee. Er ruft an und verkündet: Jetzt verliere ich die Nerven. Kann gut sein, dass ich die Frau oder mich gleich verletze.

OK, wir sind im Boot.
2 Funkwagen unverzüglich da hin.
Ich vorne an der Wohnungstür im Hausflur (natürlich letzte Wohnung unterm Dach): Polizei, Tür auf -Sofort.
Antwort: Geht nich, Schlüssel weg.
OK: Bitte zurücktreten. Ein paar beherzte Tritte und die Tür ist auf. Frau mit ca 8 Promille ist gut drauf, trotzdem ab ins Krankenhaus mit Verdacht Alk-Intox. Wir sagen tschö (denn er versicherte glaubhaft, dass er das am Notruf natürlich nur sagte damit wir endlich die Frau holen).
Immerhin Missbrauch von Notrufen, evtl. noch´n paar andere Tatbestände. Mal gucken.

Bei Verlassen der Bude: Ihr habt meine Tür kaputtgemacht!
Ich: Rufen sie doch die Polizei an. Hier meine Karte falls Sie sich beschweren wollen.

04:15 - 06:00
Schreibkram erledigt, danach noch etwas Streife gefahren.

Fazit: Alles supi. Keinem was passiert heute und eigentlich relativ ruhig gewesen.

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Kaeptn_Chaos
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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Fr 12. Feb 2016, 12:30

Zivilstreife mit dem engagierten Spannmann, dessen Liebe zum Job schon annähernd meine übersteigt und fast zum Fanatismus ausartet. Ich kenne wenige Schutzleute, die selbst den legendären § 168 StGB aus dem Stegreif tatbestandsmäßig prüfen können - eigentlich kenne ich sogar nur ihn.

In früheren Zeiten bestand der Pool an Zivilfahrzeugen aus drei Vectra B und einem Ford Mondeo. Da dieser zumindest nicht knallrot oder türkismetallic ist, scheint er die konspirativ günstige Wahl. Zunächst entsorgen wir die Hinterlassenschaften der Kollegen von K, die die Karre tagsüber für Ermittlungen ( :polizei2: ) nutzen und rüsten sie für unsere Zwecke auf. Eigentlich in der Nachtdiensttour starten wir überlappend im Spätdienst um 18.00 h. Selbst haben wir uns bereits mit den Fachkommissariaten kurzgeschlossen, was die so für uns haben, nun fragen wir noch meinen Kumpel, den diktatorisch angehauchten DGL, was er so für uns hat. Zunächst nölt er uns voll, dass er ja lieber hätte, wenn wir uniformiert wären. Das nehmen wir zur Kenntnis. Danach kann er sich nicht ersparen, uns die Verfügungslage zu erklären, dass wir in den Zivilwagen keine minderschweren Verkehrsordnungswidrigkeiten verfolgen sollen. Dass wissen wir zwar, jedoch steht die Karre so oft offen auf Parken für Dienst Kfz, dass jeder halbwegs orientierte Mensch im Beritt eh weiß, dass das eine Zivilkarre ist. Sei es drum.

Nachdem nichts produktives kommt, widmen wir uns unserem derzeitigen Dauerintensivtäter, dessen reflexhaftes "Ich habe nichts getan" - selbst noch mit Spraydose in der Hand und tropfender Farbe an der Hauswand - es mittlerweile zum geflügelten Wort geschafft hat. Während wir dessen Haupthandlungsbereich ansteuern, kommt er uns auf einem Fahrrad entgegen. Atypisch für ihn. Das Fahrrad sieht auch neuwertig aus. Während wir noch abwägen, ob wir ihn direkt auf links drehen, womit wir allerdings unsere Tarnung aufgeben würden, teilt die liebe Leitstelle mit, dass Bürger A gerade von seinem hochwertigen MTB geboxt wurde und der Täter in unsere Richtung flüchtig sei. Überraschenderweise entsprechen Täter- und Fahrradbeschreibung unserem Kunden. Während ich den Mondomaten wenden und diese unfassbare Fügung des Schicksals an die Leitstelle kommuniziere, macht sich mein Spannmann absprungbereit. Mein kurzer Gag, unseren Freund mit der geöffneten Beifahrertür zum Stoppen zu zwingen, wird lediglich mit einem knappen, schmallippigen Lächeln bedacht.

Relativ fix liegt unser pelziger kleiner Freund im Dreck. So fix, dass ich gerade noch die letzte Zeile der Belehrung mitkriege, bis ich das Fahrzeug sicher gestoppt habe und ausgestiegen bin. Formvollendet wird der Kunde gefesselt und durchsucht. Ein colorierter Bulli trifft ein - und Freund Spätdienst DGL. Der hat keinen Bock, seine Kräfte lange zu binden - jedoch liegt nach unserer Informationslage ein vollendeter Raub mit wirklich hinreichendem Tatverdacht vor. Und das war alles, was sich der Sachbearbeiter (SB) der Kripo und der StA gewünscht haben, um "Ich habe nichts getan" doch mal vorführen zu lassen. Die örtliche K Wache hat von diesem Umstand auch Kenntnis und setzt sich den Hut auf. Der Bulli bringt Fahrrad und Geschädigten zur direkten Vernehmung zur K Wache, wir fahren "Ich habe nichts getan" ins PG. Nach Absprache dürfen wir den vernehmen, was sich aber kurzweilig gestaltet, weil er außer seinem Standardsatz nichts weiter sagt. Also schreiben wir noch die Festnahmeanzeige, ED Behandlung ist noch auf neuestem Stand.

Der SB wurde von der K Wache im dienstfrei informiert und lässt sich zu uns verbinden. Er freut sich fast noch mehr als wir, dass der Typ jetzt erstmal von der Straße weg ist. Auch der Spätdienst DGL könnte sich mal zu einem Dankeswort herablassen, sorgten die 40 Taten, die wir "Ich habe nichts getan" zuordnen auch bei seinen Leuten für ein vermehrtes Arbeitsaufkommen. Aber nö, wir sind doof, weil wir zivil "rumschongeln" und nur drin sind. Zwar jetzt für den Schreibkram einer Haftsache - aber jut, ich mache den Job nicht für Applaus.

Als wir wieder rausfahren, hat endlich eine vernünftige Tour Nachtdienst. Halt unsere. Die besten in der Behörde. Aber eigentlich hält sich jede Tour für die beste in der Behörde. Und irgendwie stimmt das ja auch.

Wir eiern zu unserem ÖPNV Knotenpunkt und setzen uns getrennt an verschiedene Orte. Dafür muss man Langmut und Geduld besitzen. Darum ist zivil fahren auch gar nicht so beliebt, wie mancher annehmen möchte. Nach einer Stunde ohne Ergebnis ruft uns der Funker von der Wache an und fragt, ob wir den Funkwagen mit den beiden Neuen bei einer Ruhestörung unterstützen möchten. Natürlich möchten wir. Abgesprochenerweise verweilen wir vor der Tür, während die beiden Uniformierten einschreiten. Nach kurzer Zeit dringt aber ein "Wir brauchen Unterstützung, schnell!" über den Funk. Wir hasten hoch, Kollege 1 hält ein Männlein und ein Weiblein auf Abstand, während Kollege 2 bereits in Bodenlage mit einem robusten Männlein ringt. Spannmann flext Männlein um, ich widme mich dem Bodenkampf. Hier fliegt gerade eine Faust in Richtung des Gesichts von Kollege 2, die dieser aber abwehren kann.

Ein beherzter Schlag ins Gesicht (der selbstverständlich so in der Anzeige dokumentiert wurde) kündigt meine Anwesenheit an und richtet die Aufmerksamkeit des robusten Männleins auf mich. Fassungslos schaut er mich an und sagt "Sie haben mir ins Gesicht geschlagen!" Das ist sachlich richtig und in einer scrubsmäßigen Blende sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie ich den Schlag wiederhole und er noch fassungsloser sagt "Sie haben mir nochmal ins Gesicht geschlagen!".

Dazu kommt es aber nicht, weil Kollege 2 den Schockmoment nutzt, um das robuste Männlein zu fesseln. Dieses ist noch immer erschüttert und nölt mich voll, dass ich ihm ins Gesicht geschlagen hätte. Meine Erwiderung, dass das notwendig war, um weitere Schläge gegen den Kollegen zu verhindern, gefällt ihm nicht. Polizei dürfe nicht ins Gesicht schlagen. Meine Nachfrage, ob das im Gesetz stünde, wird nachdrücklich bejaht. Nun denn. Gott sei Dank trage ich keine Uniform, die müsste ich dann ja jetzt ausziehen. Nach einer Sachverhaltsklärung ergibt sich, dass Männlein der Bruder vom robusten Männlein ist - und man Beziehungsschwierigkeiten mit der wohnungsinnehabenden Frau hat. Faszinierend.

Das robuste Männlein kommt zwecks Blutprobe nach Widerstand mit zur Wache. Sein Verhalten während der Maßnahme bestimmt, ob er die Nacht bei uns verbringen wird. Ich bejahe das eigentlich bei betrunkenen Widerständlern, aber nicht meine Maßnahme - soll mir gleich sein. Die beiden anderen können so ihrer Wege gehen.

Getreu meinem Motto: "Nach zwei großen Sachen kommt als Zivilstreife nix mehr" ruft die Nachbarwache an und fragt, ob wir tatsächlich noch ein Zivilteam hätten. Deren professionelle Zivilstreife ist gerade an einer verdächtigen Karre dran, ob wir da unterstützen wollen. Nee...da haben wir keinen Bock drauf...ist ja schon spät. :polizei3: Natürlich sitzen wir flugs in der Karre und fahren zügig, aber nicht AK ( :polizei3: ) in den Nachbarberitt. Per Handy erfahren wir, dass die Karre wohl bei Raubüberfällen auf Tanken in der Nähe war und jetzt mit drei Mann besetzt durch die Stadt rollt. Dienstag morgens, 01.53 h - da geht doch was. An einer 24 h Tankstelle fährt das Täterfahrzeug auffallend langsam vorbei. Als er um die Ecke hält und zwei Personen rauslässt, ist kein Scheinwerfer zu sehen. Wir stehen schon seit einer Minute da und spielen parkenden Pkw. Der verfolgende Zivilwagen der anderen fährt vermeintlich weiter, dessen zweiter Mann steht im Hinterhof. Leitstelle ist kribbelig und räumt uns Sprechvorrang ein und führt verdeckt colorierte in den Bereich. Wir sprechen die beiden Insassen, die fußläufig Richtung Tanke gehen, dem anderen Kollegen zu. Bevor wir irgendwas tun könnten, um dem Grundsatz Gefahrenabwehr vor Strafverfolgung Rechnung zu tragen, funkt der Kollege, dass sich beide eine Sturmhaube übergezogen haben und einer eine Waffe in der Hand hält, beide betreten den Shop. Leitstelle ordnet an, dass wir erst bei Verlassen des Shops tätig werden - Geiselnahme und so. Hätten wir zwar eh gemacht, aber schön, dass die auch mal in der Lage leben. Während Spannmann, der Fahrer des anderen Zivilwagens und ich langsam um die Ecke pirschen, hält der andere Zivi vorbildlich die Regel "Sprechen, was man sieht" ein - und nach den Worten "Beide verlassen, Person rechts hat die Waffe..." folgt das obligatorische "go, go, go!" Drei Menschen richten ihre Waffen auf zwei Räuber und schreien "Polizei, keine Bewegung, auf den Boden, auf den Boden!" Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie aus allen Richtungen gefühlt 20 Funkwagen in die Szenerie einsteigen und alles ausleuchten. Täter eins liegt und wird verpackt, Täter zwei will trotz Bedrohung mit Schusswaffe flüchten. Während ich ihm hinterher renne, erkennt der Bullifahrer der Nachbarwache, dass das der richtige Zeitpunkt ist, den T4 bündig an die Hauswand zu stellen. Mit minimalen Zeitversatz schlagen Täter zwei und ich nacheinander an den Kotflügel ein, ich flexe ihn mit dem Schwung des zurückprallens direkt zu Boden. Im Bulli saßen im hinteren Kampfraum vier Newbies, die nur darauf warteten, die Schiebetür zu öffnen - und endlich irgendetwas zu tun! Sofort ist Täter zwei verarztet, so dass ich in Ruhe durchatmen kann.

Überflüssig zu erwähnen, dass Spannmann dann noch das Täterfahrzeug entdeckt, wo sich der Fahrer wohl fragte, wo seine Kumpels bleiben und woher der Radau kommt.

Die K Wache kommt und nimmt den Tatort auf. Ein colorierter wartet, um das Tatfahrzeug mittels Abschlepper sicherzustellen.

Zwei Täter fahren mit den beiden Zivilteams getrennt ins PG, der dritte mit einem colorierten. Nach kurzer Absprache stellt das Team der Nachbarwache fest, dass das glänzende Arbeit war, sichert uns unsere namentliche Erwähnung und Dank zu (wäre nicht nötig - aber bitte) und will das schreiben. Den Anspruch, sowas selbst zu schreiben, kennen wir. Also belassen wir es dabei. Wir rüsten ab, nehmen die zwei Überstunden geflissentlich zur Kenntnis und trinken um vier Uhr an der Tanke gegenüber ein erfrischendes Täterfängerpils. Natürlich essen wir dazu ein frisch gebackenes Schinkenkäsecroissant und feiern uns als die coolen Cops, die wir sind. Als ich meinen Kumpel frage, ob er mir nochmal die Tatbestandsmerkmale des § 168 StGB erläutern kann, shaken wir ab und gehen heim ins Heiabububettchen.

Zur nächsten Nachtschicht war unser eMail Postfach mit lobenden Worten aller Würdenträger prall gefüllt. Meine Annahme, dass ich dann ja auch ruhig mal wieder eine Beschwerde riskieren könnte, quittiert mein DGL mit seiner trockenen Art und der Prophezeiung, dass es früher durchaus aller Ehren Wert war, als PK in den Ruhestand zu treten. :polizei3:
:lah:

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon zambo84 » Fr 12. Feb 2016, 18:42

Dann auch mal ein Bericht von mir, auch wenn ich an die Erzählkünste des Kaptains mit Sicherheit nicht heranreiche. :polizei2:

Liebend gern würde ich jede Nacht Verbrecher einfangen, aber meinen Abschnittsbereich als Schwerpunktabschnitt zu bezeichnen, wäre wohl nur eines, eine dreiste Lüge. Natürlich gibt es bei uns auch die gesamte Bandbreite des StGBs zu bearbeiten, der Schwerpunkte liegt jedoch schon auf den Verkehrsdelikten.

Gut, dass die Jagd nach Verkehrssündern mir ebenfalls Spaß macht.

Vor nicht allzu langer Zeit war es mal wieder so weit. Tatsächlich wurde uns eine VÜ-Streife zur Nachtzeit gewährt. Leider nicht am Wochenende, aber auch in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch sollte letztendlich etwas hängen bleiben. Zivil, mit einem alten aber grundsoliden Opel, ging es auf Streife.

Das Ziel, möglichst mindestens einen Alkohol- oder Drogensünder am Steuer zu erwischen.

Keine fünf Minuten auf Streife entdecken wir den „Klassiker“. Alter Opel Corsa, besetzt mit vier jungen Menschen. Obwohl der Abend ja noch jung ist, kann man die Stimmung bei den Insassen als durchaus ausgelassen bezeichnen.
Während ich meinem Partner noch einen Blick zuwerfe, damit dieser zur Kelle greift, strahlt das schwache Rotlicht derselbigen dem Fahrer des Corsas bereits mitten ins Gesicht.
Bei dem vermeintlich jungen Fahrer handelt es sich um eine junge Fahrerin. Das verriet uns zumindest der Vorname auf dem Führerschein. Sie habe vor knapp einer Woche den Führerschein ausgehändigt bekommen und wollte das am heutigen Abend mal so richtig feiern. Dumm nur, dass die Feier bereits am Nachmittag angefangen hatte und man offensichtlich nur so richtig feiern kann, wenn „Gras“ mit im Spiel ist.

Keine 20 Minuten später sind wir auf der GeSa und bearbeiteten unseren ersten 24a Treffer. Da wir bei der Bearbeitung durchaus routiniert sind, geht es keine 45 Minuten später wieder raus auf die Straße.

Was für ein Start. „Pflicht“ erfüllt und ohne Druck lässt es sich ja auch gleich viel entspannter Arbeiten.

Nun möchte ich meiner Lieblingsstraße einen Besuch abstatten. Eine kleine, eigentlich unbedeutende Sachgasse mit nur 8 Hauseingängen. Warum es meine Lieblingssackgasse ist? Man kann diese kleine Sackgasse wohl als einen der sozialen Brennpunkte des Bereichs bezeichnen. Kaum eine Schicht ohne dass man die Straße über Funk hört. Komischer Weise verfügen die meisten Anwohner tatsächlich immer noch über einen Führerschein, auch wenn die Anzahl in der Vergangenheit durch unsere Arbeit drastisch reduziert werden konnte.

Auf dem Weg dorthin bemerkt mein Kollege, wie eine Familienkutsche den Parkplatz unseres örtlichen Mexikaners verlässt. Tequila… schießt es mir durch den Kopf. Das zweite Fahrzeug, welches wir an diesem Abend kontrollierten, wird ebenfalls von einer Frau gesteuert. Auf dem Beifahrersitz sitzt ihre beste Freundin. Nach einer Spinning-Einheit habe man sich noch ein Glas Sekt gegönnt und wollte nun nach Hause fahren.
Nicht erklären kann sich die Dame, dass unser Alkomat 1,01 Promille anzeigt. Offensichtlich müsse das Gerät defekt sein. Gar kein Problem meine ich zu ihr, wir haben da auf der Dienststelle noch eins, das ist auch etwas genauer …

Eine knappe Stunde später verlassen wir erneut die GeSa, die zweite 24a Anzeige im Gepäck. Wieder ist das Ziel meine Lieblingssackgasse. Aber auch dieses Mal ist es uns nicht vergönnt, da uns kurz vor dem Ziel ein Nissan Micra auffällt, an dem wir einfach nicht vorbeifahren können. Am Steuer, dieses Mal alleine unterwegs, Fahrzeugführerin Nr. 3.
Sie sei am frühen Abend eingeschlafen, eben aufgewacht und wollte nur kurz zur Bank fahren um zu überprüfen, ob schon Geld auf dem Konto sei. Aha, sage ich und weiche ein gutes Stück zurück, da der Atemalkohol in Verbindung mit Knoblauch mir dann doch etwas zu viel ist. 0,9x Promille.
„Das könne doch nicht von den 5 Flaschen Bier kommen, oder…“ fragt sie uns nachdenklich auf dem Weg zur GeSa. Fahrzeugführerin Nr. 3 wohnt übrigens in meiner Lieblingssackgasse …

Mittlerweile ist es kurz nach 2 Uhr früh und natürlich möchte ich meine Lieblingssackgasse immer noch mit unserer Anwesenheit beehren. Der Kollege meint schon lachend, dass das heute eh nichts mehr wird. Aber doch, dieses Mal klappt es! Wir sind noch ca. 200 m von der Abzweigung zur Lieblingssackgasse entfernt, da sehen wir einen PKW, welcher unsere Straße kreuzt und in meine Lieblingssackgasse einfährt. Alles klar, den holen wir uns… mein Kollege schon schön am Feiern.
Tja was soll ich sagen, bei Fahrzeugführerin Nr. 4 handelt es sich um Fahrzeugführerin Nr. 3. Und ich verbitte mir jedwede Gedankenspiele, wir hätten der guten Frau aufgelauert. :polizei1: In der Tat hatte sie einfach nur unfassbares Pech.
Sie habe die 500 Meter vom Abstellort des Autos nicht mehr nach Hause laufen wollen. Der Alkohol sei mittlerweile ja bestimmt raus aus ihrem Körper. Ich wundere mich noch wie dämlich man sein kann (und wieviel Pech man haben kann), während ich den Alkomaten aus dem Kofferraum hole und sie Frage, was denn an meinem Verbot der Weiterfahrt nicht zu verstehen war. Ende vom Lied: 0,61 Promille und eine erneute Tour zur GeSa. Dummheit & Dreistigkeit müssen bestraft werden. Beweissicher waren es dann immer noch umgerechnet 0,58 Promille.

Kurz nach 4 Uhr früh kommen wir dann zur Übereinkunft, dass es so langsam reicht. Vier „Treffer“ sind einfach nicht mehr zu toppen, den Abschnittsrekord haben wir damit eh schon an uns gerissen. Wir stehen gerade an einer Kreuzung, keine 100 Meter vom Abschnitt entfernt, als ein weißer alter BMW an uns vorbeifährt. Am Steuer tatsächlich mal ein Mann, mittleres Alter, Bart und Basecap. Ich schaue meinen Partner schmunzelnd an und er sagt: „Okay, den noch!“ Gesagt, getan.

Alkohol habe er nicht getrunken, er sei gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Angesprochen auf den letzten „Joint“ den er geraucht habe meint er, er rauche kein „Joints“. Dabei betont er das Wort „Joints“ so auffällig stark, das ich nochmal nachhaken muss. Hier nun das folgende Gespräch, fast im O-Ton:

Ich: „Was rauchen sie dann? Zigaretten?
Er: „Nein, auch keine Zigaretten?“
Ich: „Pfeife?“
Er: „Ja, ab und an, zur Entspannung.“
Ich: „Zur Entspannung, aha. Nur mit Tabak?“
Er: „Nein, das würde mich ja nicht entspannen. Ich rauche schon Gras.“
Ich: „Ah okay, ja das macht Sinn.“

Mein Partner steht hinter dem Herrn mit dem Bart und hat Tränen in den Augen.

Nach positivem Urintest besuchen wir kurz vor 5 Uhr unsere GeSa zum fünften Mal. Die Angestellten dort schütteln mittlerweile nur noch mit dem Kopf.

Weggelassen habe ich zwei Fahrzeugkontrollen. Eine verlief komplett negativ, bei der anderen pustete der Fahrzeugführer etwas unter 0,2 Promille.

Und jetzt kommt der Knaller, der die Geschichte noch unglaublicher macht als sie eh schon ist. Bei unserem letzten Besuch auf der GeSa sitzt der 0,2 Promille Typ gerade beim Onkel Doktor und wird zur Ader gelassen. Ebenfalls anwesend eine Funkwagenbesatzung von uns, welche ihn kurz zuvor gestoppt hatte. Über 1,4 Promille hatte er mittlerweile intus…

Was für eine einmalige Nacht. Und trotz allem, fast pünktlich Feierabend. :polizei2:

dk_pol95
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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon dk_pol95 » Fr 18. Mär 2016, 17:29

Hallo zusammen, ich als „kleiner KA“ möchte mal von meinem „Traumjob-Gefühl-Moment“ aus meinem ersten Praktikum erzählen. Ich weiß nicht ganz, ob das hier reingehört, da vieles hier eher auch lustig ist…aber was solls, ich versuch mich einfach mal :)

Frühdienst in meiner Heimatstadt. Da mein Tutor Seminar hat, fahre ich mit einem anderen Tutor. Alle ca. 50.000 Einwohner haben wohl keine Lust, irgendeinen Blödsinn zu verzapfen, so dass wir – abgesehen von Schulwegsicherung – nichts zu tun haben und uns so an allen Hauptverkehrsstraßen aufstellen, aber auch keiner der 50.000 auch nur telefonierend herumfährt.

Ziemlich verzweifelt suchen wir uns um halb elf, also nach 4 Stunden, ein neues Plätzchen. Da kommt endlich der Funkspruch, ich schnappe den Piker und bekomme als Antwort: „Leiche, Rettungsdienst vor Ort“.
Mein „Ersatz-Tutor“ gibt mir noch letzte Instruktionen, bietet mir an, dass ich mich erstmal im Hintergrund halte, da es die erste Leiche überhaupt für mich sein würde. Aber dann blinkt schon das Blaulicht von RTW und NEF in der Frontscheibe unseres Wagens. Status 4.

Auf einem ziemlich runtergekommenen alten Fachwerk-Bauernhof mitten im Wohngebiet wird nun gewerblich Obst und Gemüse umgeladen. Zwischen ein paar LKW stehen die (osteuropäischen) Mitarbeiter/innen, bei Ihnen Rettungsassistenten, die ihre sieben Sachen zusammenräumen und eine etwas weinende Frau um die 60.

Aus einer Scheune kommt der Notarzt, erklärt uns, dass der gute (ältere) Mann bei der Arbeit zusammengebrochen sei und nicht mehr reanimiert werden konnte. Seine Frau stehe bereits draußen, wurde von den Arbeitskollegen informiert.

In der Scheune liegt im Kegel einer schwachen alten Lampe, das gefürchtete weiße Tuch. Die dreckigen Turnschuhe schauen am Ende heraus. Mit meinem „Ersatz-Tutor“ wage ich einen Blick unter das Tuch. (An dieser Stelle vielen Dank für die gute Tutorenarbeit, so stellt man sich das vor!!!)
Ein graues, kaltes, von den Reanimationsmaßnahmen etwas mitgenommenes Gesicht.

Plötzlich steht die Ehefrau im Raum, fragt beim Reinkommen nach dem Schlüssel ihres Mannes und dreht nach einem Schritt direkt um und bricht in Tränen aus. Der Anblick war wohl zu viel.
Anschließend kümmern wir uns noch weiter um die Dame, bis sie von Bekannten abgeholt wird. Das KK1 trifft ein, wir dürfen sogar bei der Leichenschau zugucken(„extra für den Studi“) und machen uns dann Richtung Wache. Schreiben.

Kurz darauf geht es weiter, Wildunfall.
Wir kommen an. Eine Frau hat ihren Sohn(3) beim Kindergarten abgeholt und auf dem Rückweg mittags ein Reh erwischt. Dieses liegt tot 100m weiter im Graben. Ich darf natürlich die VU-Mitteilung ausfüllen.
Währenddessen geht die Mutter mit ihrem Sohn zu unserem Streifenwagen, um das Fahrzeug anzugucken. Da schaut der Kleine an meiner offenen Beifahrertür herein. Ich krame in meiner Cargo-Tasche und drücke ihm eine kleine Tüte Haribo(hab davon immer ein paar mit im Dienst) in die Hand und er war total glücklich. Als wir dann fertig waren wurde uns so lange gewunken, bis wir um die nächste Kurve gefahren sind…

Dieser krasse Gegensatz zwischen Leid und Trauer und auf der anderen Seite Freude. Diese abwechslungsreichen Momente, in denen man den Leuten einfach helfen kann, für sie da sein kann. :)

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon sabre2 » Mi 11. Mai 2016, 15:56

Karneval.
Landratsbehörde mit starkem Einfluss karnevalistischer Hochburgen.

Wir schreiben das Jahr 1 nach Silvester. Die KAs der letzten beiden Jahrgänge ,,dürfen" auf die Straße. Die Motivation ist sehr hoch, die berechtigte Kritik an besagtem Einsatz bekannt.

Mittwoch: Vorbesprechung. Es wird viel erklärt, erläutert, kritische Punkte angesprochen, MOZ und Befehl ausgegeben, durch goldene Führung bereits im Voraus gedankt und auf besondere Eigensicherung hingewiesen.

Donnerstag, 10 Uhr: Wider aller Erwartungen sind wir tatsächlich als Trupps (insgesamt 5) in der Konstellation 2(mind. 1 Tutor):2(KA EJ '13) zusammen mit einer Gruppe EJ '14 (1(Lehrender LAFP):7(KA)) und einem Zug BPH dem EA Raumschutz/Eingreifkräfte zugeteilt. Die Wache ist aufgrund dieser verhältnismäßig unglaublich starken Kräften in heller Aufruhe und versinkt in Verpflegungsbeuteln.
Gegen 11 Uhr verlegt man in Richtung Innenstadtbereich. EHu belauert den Marktplatz mit Festzelt und steht bereits den örtlichen ,,Motorradfahrern ohne Motorrad" auf den Füßen.
An der Einlassschleuse zur Flaschenverbotszone merkt der lustige Mensch vom OAmt an, dass wir doch ein Klasse Kostüm hätten... Irgendwie lacht aber keiner außer er selbst.
Man tingelt so durch die Menge betrunkener Menschen, die sich zu 90% aus dem U23 Publikum rekrutiert. Trotz einsetzendem Regen ist nach Aussage von Tutorlein scheinbar mehr los als die letzten Jahre.
Trotzdem bestreift man erstmal die nahe gelegene Parkanlage. Munter beginnt man die Horde Wildpinklern, welcher man sich mit taktischer Finesse genähert hat, mit VGs zu belegen. Der erste Schlauberger des Tages will seinen Verstoß aber nicht einsehen, es würde doch eh regnen. Aha. Sein Argument überzeugt irgendwie nicht, den folgenden Platzverweis und die OWi-Anzeige abzuwenden.
Man dreht weiter seine Runden. Rund ums Festzelt ist es inzwischen richtig voll. Insgesamt ist es dennoch ruhig. Man führt das ein oder andere Gespräch. Mehrere Agressoren werden erkannt, angesprochen und der heiße Tipp auferlegt, dem Platzverweis zügig zu folgen.
Anfragen für Selfies wimmelt man ab. Nachfragen und kurze Gespräche mit Bürgern, die nicht 8 Promille haben, wirken dagegen fast schon entspannend.
Die Dämmerung setzt ein und man begibt sich noch einmal in die Parkanlage. Befehlsstelle meldet allerdings eine KV TO vor einer der Kneipen, wenige 100 Meter entfernt. Über Funk hört man, dass sich eine Gruppe EHu und zusätzlich noch 3 Trupps reindrücken. Funker betont nochmal, es sei ,,nur" eine KV. Wenige Sekunden später korrigiert er: Zweiter Anruf, gemeldet jetzt Schlägerei zwischen 15 Personen. Also weiter im Laufschritt. Während wir um die Ecke biegen, kann ich nur noch beobachten, wie 3 Personen durch EHu Kräfte umgemäht werden. Zwei weitere werden an die Wand gesprochen. Zügig nimmt man die Funktionssicherung ein. Tutorlein hat inzwischen den Geschädigten feststellen können. Irgendwie fährt der sich nun auch hoch und will nicht verstehen, dass wir auch vom Geschädigten die Personalien benötigen. Unsere Spannfrau rückwärts in die Bierbänke zu schubsen war dann der falsche Fehler. Dementsprechend wird er unfreiwillig Proband meines ersten Karpfen in freier Wildbahn. Nunja, klappte immerhin ganz gut. Er gesellt sich nun zu den anderen 5, die schon gefesselt und hübsch drappiert an der Wand sitzen und darauf warten, aus dem Bälleparadies... ähh vom GefKW abgeholt zu werden.
Zwei Kumpels der insgesamt 30, die die Szenerie beobachten finden das natürlich ungerecht. Der zweimaligen Ansage des GruFüs, besser von dannen zu ziehen, kommen sie nicht nach. Der Doof des Tages lässt es sich daraufhin nicht nehmen, dem BeSi die Kamera aus der Hand zu schlagen. Naja, dann waren es jetzt halt 7...
Nach Abtransport zur Nachbarwache (unser PG war bereits voll..) machte man sich dann wieder auf den Weg zum Ort des Geschehens. Inzwischen hatte es sich allerdings schon deutlich geleert. Was 2 Leute nicht davon abhielt, sich ca. 10 Meter vor uns ins Gesicht zu boxen. Es folgte Karpfen der Zweite... Während wir zusammen mit der nachgeorderten Verstärkung alle Beteiligten verarzteten, hatte sich die Party in der Stadt dank des Regens bereits aufgelöst.
Also nur noch rein und schreiben. Tutor und Spannfrau schreiben alles relevante und ich die Schadensmeldung für die Hose, die den zweiten Teil meiner persönlichen ET Sternstunde nicht überlebt hatte. :buhu:

Und das war nur der Donnerstag...
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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Kennidis » Di 5. Jul 2016, 23:10

Dienstag im Juli. Deinstbeginn 9.00Uhr. Kurze Hose angezogen, T-Shirt und legere Turnschuhe. Einsatztasche mit allen Teilen der Gesetzessammlung gepackt und los gehts. Um mich rum ein Haufen Kollegen, der Dresscode scheint heute allgemein recht locker.
Erster Fall: Planung einer Razzia in drei Bordellen. Grafischer Befehl ohne Kräfteansatz reicht. Bis in 85 Minuten muss es fertig sein. "Ach ja und noch was, beantworte noch für dumme warum man Öffentlichkeitsarbeit macht und taktisch miteinander Kommuniziert." Wenn es weiter nichts ist. Bäm, 10 min früher fertig.

Ohne Pause geht es weiter...wieder Razzia. Diesmal liegt der Schwerpunkt im Pol-Recht. Darf man zur Sicherung der Beamten präventiv offene Videoaufnahmen während der Razzia in einer Assi-Disko machen? Zeitansatz 45min.
Leider keine Aktion.
Nebenher noch Personenkontrolle eines Marrokaners mit Aufenthaltstitel. Alles gut.

Im Anschluss machen wir noch ein paar Verkehrsmaßnahmen. Der Betrunkene fährt mit 8 Bier im Schädel mit dem Auto seiner Freundin, welches er nur unter Mühen aufschließen kann, durch eine Rotte Wildschweine.
315c oder doch nur ein 316 StGB? genau geschaut, Wildschwein keine fremde Sache, genauso das Auto. Fürn 316er hats gereicht.
Danach noch ne junge Rollerfahrerin mit nem Bier in der hand überprüft und den Pizzaboten mit dem Kurzzeitkennzeichen abgeprüft. Darf er das? Wohl eher nicht.

Zum Schluss noch den Psychologen rausholen und die Zwangsprostituierten aus der Razzia in Bezug auf ihre PTBS betreut, bzw Symptome und Ursachen abgecheckt.

Dann war es schon 13.30 Uhr und der Arbeitstag war vorbei. Kurze Nachbesprechung mit den Kollegen und weiter geht es mit der mentalen Vorbereitung auf die nächsten zwei Arbeitstage...

Bald ist es geschafft. Letzte Prüfungswoche im Leben ;)

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Mi 6. Jul 2016, 21:40

Sonniger Spätdienst am Samstag.

Der Funkwagen ist aufgetankt, die Scheiben sind unten, Spannfrau und ich bräunen den jeweils außen liegenden sommerhemdtragenden Unterarm. In die Stille des Funkgeräts hämmert die Leitstelle in Lautstärke 5: "Hier ist ******, ich brauche umgehend Kräfte für die x-Straße. Suizidankündigung mit Schusswaffe! Person hält sich im Keller des MFH auf!"

Weit weg stehend melden auch wir uns artig an und die Spannfrau beschleunigt auf Lichtgeschwindigkeit. Leitstelle ist gut drauf und eruiert bereits über diverse Dateien alles, was wir wissen müssen. Feuerwehr rollt auch - besser ist.

Der DGL kommt ebenfalls und koordiniert. Wenig verwunderlich legt er Wert auf unsere Anwesenheit als Zugriffskräfte, haben wir doch erst unlängst bei einem Messertäter gezeigt, wie endprofessionell wir als in Harmonie und Einklang lebendes Team Doofmannsgehilfen von ihrem Tun abhalten können. Während Spannfrau und ich uns abkaspern, wie wir uns heute so aufstellen wollen, erklingt aus dem Kellerraum ein dumpfer Knall. Doof. Schutzmannsinstinke ignorierend geben wir der Eigensicherung den Vorzug und gehen dennoch koordiniert und taktisch in den Keller. Die anderen Kräfte sind nervös, aber der DGL kann durch seine ruhige, besonnene Art und seine Einstellung "alle Infos an alle Kräfte" für wohltuenden Langmut sorgen. Im Keller ist Spannfrau an Front und sagt "männliche Person, augenscheinlich ex. Waffe rechts neben....dem, was wohl sein Kopf war!" Nachdem wir die Waffe spurenschonend an uns genommen und den Raum als sicher gemeldet haben, beurteile auch ich den Körper als ex - die Sanis packen gar nicht erst aus. Wieder oben angekommen, guckt uns der DGL an und fragt, wie es uns geht. Ganz ehrlich? Keine Ahnung. War nicht schön, andererseits kannte ich den nicht und uns ist nix passiert. Im Grunde mussten wir ja auch nichts machen. Spannfrau sagt, das alles gut ist. Ein Funkwagen bleibt vor Ort, um auf die K Wache zu warten, DGL wartet auf die Angehörige, die scheinbar einkaufen ist. Die wohlmeinenden Nachbarn können davon abgehalten werden, ihr das Geschehen einfach zu simsen.

Spannfrau und ich klettern wieder in den Funkwagen und fahren los. Die anfangs vorherrschende Laune ist irgendwie dahin. Stille hat ihren Raum. Leitstelle fragt höflich an, ob wir ein "N" (nicht einsatzklar) wollen - da wir das verneinen, haben sie aber direkt den nächsten Einsatz für uns. Parkrempler beim Supermarkt. Auf der Fahrt reden wir noch immer kein Wort. Angekommen sind beide Unfallbeteiligte sehr aufgebracht. Wir sind in der Kommunikation sehr reduziert. Als Unfallbeteiligter A anmerkt, dass wir es durchaus leisten müssten, etwas mehr Empathie an den Tag zu legen, guckt Spannfrau ihn nur unfassbar traurig an und sagt, dass sie gerade von einem Familienvater kommt, der sich in seinem Keller den Schädel weggeblasen hat. Kann man bringen - ist aber nicht deckungsgleich mit dem professionellen Bild, welches Spannfrau üblicherweise an den Tag legt. Ich gucke Spannfrau an und obwohl sie Streifenführerin ist, beende ich ihre Schicht und schicke sie auf den Beifahrersitz. Auf einmal sind die Unfallbeteiligten in der Kommunikation sehr reduziert - dafür aber ziemlich empathisch. Mit dem Handy gebe ich der Leitstelle Bescheid, dass wir kein N wollen, sondern sie uns direkt vom Schirm beamen. Der DGL, der seine Schweine auch am Gang erkennt, hatte sich ohnehin schon beschwert, dass man uns ohne Not für Schlichteinsätze verballert, bevor er uns nicht nachbesorgt hat.

Sehr schweigsam fahren wir zur Wache. Wir gehen erstmal rein. Im Schulungsraum, abgeschottet von Blicken und Störungen, sitze ich mit Ette alleine, der WDF hat uns Kaffee und Kaltgetränke hingestellt. Ette guckt mich an und sagt: "Der hatte die gleichen Klamotten an wie mein Vater heute morgen!" Das ist nicht gut. DGL kommt und kriegt den gleichen Infostand wie ich. Damit ist der Würfel gefallen. PSU Team, Wachleiter und der Chief (PI Leiter) werden alarmiert. Letztgenannte wissen genau, dass sie im Grunde nix tun können, erscheinen aber dennoch unverzüglich auf der Wache. Ich werde genauestens beäugt und interviewt, bleibe aber dabei, dass es mir ganz gut geht - mit Ausnahme meiner nun steigenden Sorge um Ette. Als das PSU Team kommt, werden wir erstmal ganz nett umwöhnt und behutsam ermutigt, unsere Geschichte zu erzählen. Nach mehrfacher Nachfrage wird festgestellt, dass es mir wohl gut geht. Nicht, weil ich eine eisenharte Sau bin, sondern weil das einfach meinen Auslöser nicht gedrückt hat.

Ich rüste den Funkwagen ab und lege Ettes Brocken vor ihren Spind. Ich frage den Chef, ob ich mit ihm mitspielen soll. Dieser sagt aber, dass ich es mir angesichts meines Stundenkontos durchaus leisten könnte, jetzt abzutreten und mir einen schönen Samstag zu machen. Ich ziehe mich um und setze mich in den Aufenthaltsraum. Als einer von PSU rauskommt, frage ich, wie es sich verhält. Ette ist wohlauf und darf gleich nach Hause. Ich frage, ob ich sie fahren soll. Wie immer typisch Ette kommen erstmal tausend Gründe, weshalb das Schwachsinn wäre, wohnt sie doch so mörder weit weg, hat ihre Karre an der Wache stehen, muss ja morgen auch wieder zur Arbeit und ich hätte ja auch besseres zu tun.

Auf der BAB dreht sich Ette zu mir um und sagt "krasse Geschichte" - was Ette Deutsch für "Ich bin im Verarbeitungsmodus" ist. Sofort nutze ich die Gunst der Stunde und gehe ihr mit meiner Ette Imitation "Wenn du mich nach Hause fährst, ist das voll doof für uns alle" auf die Nerven. An der Wohnanschrift angekommen, öffnet Vati die Tür, der wurde schon vom DGL angerufen. Als er sieht, dass wir bereits unsere auf Kollegen- und Familienfeiern gefürchtete Ette und Käpt'n Kaspershow abziehen, ist er spürbar erleichtert. Er bietet Grill- und Übernachtungsmöglichkeiten an, aber Ette schüttelt unmerkbar den Kopf. Also schnappe ich mir den kleinen Bruder für die Rückfahrt, damit er Ettes Boliden überführen kann.

Wieder zu Hause schreibt Ette, dass ich nicht böse sein solle, aber nach Grillen wäre ihr dann doch noch nicht. Wenn es damals schon whatsapp gegeben hätte, hätte ich ihr erstmal eine fiese Sprachnachricht mit einer Ette Imitation "Wenn du mich nach Hause fährst, ist das voll doof für uns alle" Botschaft geschickt. :polizei3: So antworte ich schlicht, dass ich ja weiß, dass sie privat mit mir nix zu tun haben will und sich meiner schämt, was natürlich die erwartete (vielleicht auch erhoffte) Widerspruchsreaktion provoziert. :polizei3:

In der WG fragen die Kollegen, was ich denn schon wieder zu Hause will. Die Antwort, dass ich unbedingt mit Ihnen bei der Sportschau ein Bier trinken wollte, nehmen sie mir zwar nicht ab, stellen mir aber zumindest ein Kaltes hin.

Am nächsten Tag erscheint Ette wie immer zum Dienst. Eigentlich wäre sie Funkerin, tauscht sich aber, so dass wir unseren Vortag nachholen können.

Wenn ich charakterlich nicht so gefestigt wäre, hätte ich mich schon längst in Ette verliebt.
:lah:

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Slepner » Do 14. Jul 2016, 10:11

Ermutigt von den lebensechten Geschichten des Kaeptn's möcht ich auch mal was zum Besten geben. Sicher nicht so bewegend, aber vielleicht doch für den ein oder anderen interessant.

Frühling 2015 - der Slepner ist ein knappes halbes Jahr auf der Straße. Es war für mich die Zeit, in der ich für die Standartsituationen genügend Routine hatte, um genauso selbstsicher auftreten zu können wie die Kollegen. Ich fühlte mich allmählich wie ein "vollwertiger" Polizist und Kollege, doch bei allen unerwarteten Situationen fuhr einen die Unerfahrenheit doch tief in die Knochen. Bisher hatte ich immer das Glück mit erfahrenen und sehr guten Kollegen fahren zu dürfen, doch das Privileg schwand halt mit der Zeit. Eine gefährliche, aber sehr wichtige Zeit, hier habe ich am meisten Fehler gemacht. Und doch habe ich mich in den folgenden paar Monaten mehr zu einem selbstständigen Beamten entwickelt als in dem Rest meiner noch recht kurzen beruflichen Laufbahn.

Ich fahre mit einer Hospitantin aus der Leitstelle, die direkt von der BePo dorthin gewechselt ist. Insgesamt erfahren, doch bisher sehr wenig im WWD eingesetzt. Wir verstehen uns gut, ich freue mich auf die Schicht von 12:00 Uhr Mittags bis Mitternacht, innerhalb der Woche. Wir erwarten eine Menge Unfälle, Ladendiebe, das übliche eben. Wir bekommen einen Einsatz im ranzigsten Plattenbauviertel der Stadt, dort soll ein Mann mit afrikanischen Namen auf der Toilette verstorben sein. Wir sehen uns an - keiner hat so wirklich Lust auf diesen Einsatz, aber was soll man machen. Bei Eintreffen war die Rettung schon vor Ort. Bis auf einen Aufkleber zum Messen der Vitalparameter liegt der afrikanische Mann mittleren Alters vollkommen nackt in seiner Badewanne des innenliegenden 4m² Bades, die Todesursache ist zur Zeit vollkommen unklar. Er lebt in der Vier-Zimmer-Wohnung zusammen mit einem Freund, dessen Frau und ihrer beiden Kinder.

Die Kommunikation gelingt, beherrscht die Kollegin doch noch etwas französisch. Die Kinder sind glücklicherweise noch viel zu klein, um zu verstehen was hier vor sich geht, das ältere ist gerade ein gutes Jahr alt. Man würde sich gerne mit dem Freund und seiner Frau auseinadersetzen, doch dafür reicht das Verständnis dann aber doch nicht. Wir erhalten schließlich den Reisepass des Verstorbenen, und erfahren dass er gerne Mal größeren Mengen Alkohol zusagt. Er hatte heute Verdauungsprobleme, und verschwand andauernt in dem Bad. Als er nach einer guten Stunde nicht herauskam sah man nach, und fand ihn so vor.

Mehr aus Neugier als aus gezielten Erkenntnisgewinn sieht man nach den letzten Stempeleintragungen im Pass. Der Verstorbene war vor 5 Monaten in einem kleinen afrikanischen Land, das einem ungewöhnlich stark in der Erinnerung verblieben ist - es herrschte gerade die Ebola-Epedemie.

Wir reden mit der Rettung, und informieren den DGL. Dieser hat noch anderes zu erledigen, und will auf dem laufenden gehalten werden - na klar, ich hätte auch keine Lust zu einem mutmaßlich Ebola-Einsatz zu fahren. Der Notarzt trifft schnell ein, und wirft sich in ein gelbes Ganzkörperkondom inkl. Atemschutz - Es beschleicht einen ein ungutes Gefühl, man hält sich schließlich schon gute 25 Minuten in der Wohnung auf :frown: .

Es handelt sich um einen noch recht jungen, und soweit ich das beurteilen kann auch recht kompetenten Notarzt. Er legt fest, dass vorerst niemand die Wohnung verlassen darf. Es klingelt an der Tür, dort stehen drei afrikanische Männer im Anzug. Ich selbst war noch nicht in der Nähe des Toten, und da ich unmittelbar dahinter stehe öffnete die Tür. Erst ein paar Sekunden später fiel mir ein, dass dies wohl keine gute Idee war, aber jetzt war es passiert. Die Person, die augenscheinlich den Hut aufhatte stellte sich in gebrochenen Deutsch vor, und hielt mir einen Ausweis hin, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Es handelte sich um einen Diplomaten des Heimatlandes des Verstorbenen.

Ich war deutlich verdutzt, dass kaum eine Stunde nach dem Ableben eines Landsmannes ein Diplomat an der Türschwelle auftaucht. Nach kurzem Gespräch stellten wir fest, dass der Verstorbene ein Kollege, sprich ebenfalls ein Diplomat ist. Die Herren vor der Tür wollen wissen was los ist, und wollen in die Wohnung. Ich kann ihnen erklären dass dies nicht geht, und das sie neue Informationen erhalten sobald dies möglich ist. Sie sollen sich vor der Tür aufhalten. Zum Glück handelt es sich um die einzige Wohnung im obersten Stockwerk, hier sollte keine weitere Person hochgehen. Wenn sie weitere Diploten erwarten, sollten diese unten warten, bis wir weiteres wissen.

Der DGL und der Leiter vom Dienst (Höherer Dienst in der Leitstelle) sind am rotieren, niemand hatte bisher mit einen toten Diplomaten zu tun gehabt. Es wird mit dem Außenministerium telefoniert, es dauert alles sehr lange. Der Notarzt telefoniert mit dem Seuchenschutz und dem Gesundheitsministerium. Meine Kollegin und ich googeln - Ebola wird für gewöhnlich nicht über die Luft, sondern über Sekrete übertragen. Ein großes aufatmen :flehan: .

Mir ging unwillkürlich durch den Kopf, das ich wirklich keine Lust habe die nächsten Stunden mit den drei Rettern, dem Notarzt, den vier weiteren Bewohnern und natürlich mit dem Toten in dieser Wohnung zu verbringen - zumindest ist es noch Schichtbeginn. Musste der Herr denn auf der Toilette versterben? Das könnte irgendwann zu unangenehmen Problemen führen.....

Die Diplomaten klopfen an die Tür. Durch das Papptürblatt kann kommuniziert werden, dass sie endlich was erfahren wollen, doch wir wissen ja auch noch nichts. Der DGL übergibt an die nächste Schicht.

Nach etwa 2 Stunden kommt das Ergebnis vom Arzt - Todesursache unklar. Doch Ebola ist es definitiv nicht :flehan: :flehan: :flehan: . Die Leitstelle meldet sich - das Außenministerium hat gesagt, gleiche Verfahrensweise wie immer. Die Erlaubnis zur Obduktion wird später über die Botschaft eingeholt.
Der KDD wird angefordert, und ist erstaunlich schnell vor Ort. Nach insgesamt ca. 4 Stunden trifft der Bestatter ein und nimmt den Verstorbenen mit, die Diplomaten sind damit jedoch nicht einverstanden, mittlerweile hatte der Botschafter beim DGL angerufen. Wir können erklären, dass der Sachverhalt aufgeklärt werden soll, dass wir wissen wollen warum der Tote verstorben ist. Trotz vieler Verständigungsprobleme finden wir schließlich herraus das wir eigentlich das gleiche wollen - doch sie hätten den Verstorbenen lieber selbst untersucht.

Wir können uns schließlich darauf einigen, dass die Botschafter hinter dem Leichenwagen herfahren, und beobachten können dass dieser den Leichnahm tatsächlich beim Gerichtsmedizinischen Institut übergibt. Wir müssen jetzt nurnoch die Bestatter überzeugen - die sind Berufstypisch eher die geerdeten Personen und willigen nach kurzer Überzeugungsarbeit ein. Trotz der ärztlichen Diagnose bedienen wir uns reichlich an dem Desinfektionsmittel der großzügigen Bestatter - wahrscheinlich mehr für die Psyche.

Wir fahren in die Wache. Ich habe wie immer nach dem Kontakt mit Leichen großen Appetit - ich finde es immernoch eigenartig, doch ich hab wenigstens von vielen Kollegen gehört das es ihnen ebenso ergeht. Wir haben kaum was zu schreiben, übernimmt der KDD doch schließlich fast die ganze Arbeit.

Wir fahren noch mal raus, VU-S Wild, das Reh sei tot. Nur stimmt das leider nicht. Zur Krönung des Tages darf ich auch noch mein erstes Tier erschießen. Nach dem ersten Schuss erschrickt es nur und schaut mich mit noch größeren Augen an - augenscheinlich total verfehlt. Der zweite erfüllt seinen Zweck sofort.

Wir sind in der Wache, haben eigentlich nichts weiter zu tun. Die restlichen 2 Stunden verbringen wir trotzdem dort, man hat schließlich was zu erzählen. Der elektronische Vorgang zum Wildunfall bleibt bis zum nächsten Tag liegen.

Bei der langen Radfahrt nach Hause geht mir einiges durch den Kopf - es war bei weitem nicht einer der schlimmeren Toten die ich hatte. In der Nacht merkte ich, dass es für mich viel schlimmer war des Reh zu erschießen. Beim streicheln unserer Katze erinnert mich ihr Bein unwillkürlich an des Reh, das ich tod in den Straßengraben gezogen habe, ein kleiner Schauer überfährt meinen Rücken. Zum Glück hatte ich nie ein ähnliches Erlebnis mit den nachfolgenden erlegten Tieren. Das erste Mal soll halt immer anders sein.

Bei der Fahrt zur Arbeit am Folgetag stell ich fest, das ich genau das bekommen habe weshalb ich mich für die Polizei entschieden habe. Jeder Tag ist anders, die Zeit geht schnell vorbei.

Kaum an einen anderen Tag hatte ich ein derart starkes Gefühl, den richtigen Beruf gewählt zu haben. Mit Freude gehts an die nächste Schicht, wir fahren wieder zusammen.
Ab 4.10.2011 PKA in BB =)

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Skywalker42 » Fr 17. Feb 2017, 17:59

Die Nacht hatte ich als Feuerwehrmann einen Einsatz mit Polizeibeteiligung. VU, Fahrer nicht auffindbar, weit draußen in der Pampa. Wir sollten bei der Suche nach dem Fahrer im direkten Umkreis helfen. Auto lag im Graben, Autoradio ausgebaut oder gestohlen (hach, die guten alten DIN-Radios). Gefunden wurde er schließlich im Bett bei seinen Eltern mit 2,X Promille und dem Autoradio im Arm. Das Radio ohne Werkzeug ausbauen konnte er aber noch.

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Re: Der tägliche Dienst

Beitragvon Kaeptn_Chaos » Mo 25. Dez 2017, 11:52

Ein Mittwoch Morgen in der Vorweihnachtszeit. Der erste von sieben Frühdiensten, nachdem man Montag morgens aus dem Nachtschichtwochenende kam, ist wie immer die Hölle. Zunächst wird die in den 48 Stunden frei angekommene Post gesichtet. Zwei Rückläufe der Bußgeldstelle mit der Bitte zur Stellungnahme nach Einspruch des Betroffenen verheißen zusätzliche Gerichtstermine zu den dreien, die auch schon im Fach liegen. Alle im wachfrei. Hervorragend. Der Spannmann lacht einen aus, weil man zu Beginn des Turns schon Schreibarbeit hat und gerade echte Kacklaune entwickelt. Nun denn, die zwei Stellungnahmen fix getippt, die Unterlagen zu den Gerichtsterminen recherchiert und dann geht es endlich raus. Die Diskussion, wo das Mettbrötchen leckerer ist, entscheidet die Leitstelle mit dem Einsatz: "X-Straße, Verkehrsbehinderung, Fahrzeug steht vor Einfahrt, Fahrer sitzt drin und reagiert nicht auf Ansprache". Das ist direkt vor dem Metzger, den ich ohnehin präferiert hätte. Während wir anreisen und uns überlegen, wie stumpf man sein muss, doof zu parken und dann auf Ansprache einfach nicht wegzufahren, recherchiert die Leitstelle über das abgelesene Kennzeichen, dass das Fahrzeug auf einen unbescholtenen Mann im Rentenalter zugelassen ist. Altersstarrsinn? Meldung an die Führerscheinstelle? Egal, wie mein Tutor zu sagen pflegte: "Erstmal kommen wir an!"

Einmal mehr beweist sich, dass das völlig richtig ist. Der gute Mann ist nicht stumpf, sondern ein bisschen tot. Die Brötchen auf seinem Beifahrersitz sind wärmer als er. Weltklasse. Zur besten Schulwegzeit holen wir den Verstorbenen aus dem Auto und versuchen wider besseren Wissens eine Reanimation. Manche Eltern halten das für eine gute Show für ihre Schützlinge. Aber über sowas kann man sich gerade nicht aufregen. Der angeforderte NAW kommt fix, der angeforderte RTW folgt auf dem Fuße. Unklare Todesursache, klar. Die K-Wache ist mäßig begeistert und kommt. Laut Meldeamtsauskunft ist der Verstorbene verheiratet. Wie üblich versucht die K-Wache, die Benachrichtigung an uns abzudrücken - obwohl das klar geregelt ist, dass das ihre Baustelle ist. Da zeitgleich die Leitstelle den Brand im Mehrfamilienhaus verkauft und alle aus meiner Wache dahin reisen, erübrigt sich die Diskussion und wir wünschen ihnen viel Erfolg.

Auch wir reisen mit Tatütata zum Brand. Für uns bleiben die Verkehrsmaßnahmen. Ich habe ja eh noch einen Hals von den Eltern, die ihren Kindern auf dem Schulweg tote Menschen zeigen, dann kann ich direkt auch die Verkehrsteilnehmer, die Polizeiabsperrungen immer nur als nett gemeinten Hinweis begreifen, anranzen. "Ich fahre aber immer da lang!", "Ich muss aber doch...", "Wie soll ich denn sonst bitte..."

Währenddessen brennt eine Wohnung im 16 Parteienhaus in Gänze, die Feuerwehr versucht, die restlichen Wohnungen zu retten. Wer mal gesehen hat, wieviel Wasser in eine brennende Wohnung gepumpt wird, schätzt die Chance für die Wohnungen darunter als schlecht ein. Kommt immer gut, aber in der Vorweihnachtszeit ist das besonders schön. Da das länger dauert, werden wir irgendwann von Kräften des Verkehrsdienstes heraus gelöst. Brötchen haben wir noch immer nicht.

Der nächste Einsatz ist ein Parkrempler auf dem Supermarktparkplatz. Gut. Ich schreibe, Spannmann geht zur dortigen Bäckerei. Währenddessen kommt der Besitzer des beschädigten Pkw. Anstatt anzuerkennen, dass seine Unfallgegnerin kreuzehrlich war und gewartet und den Schaden gemeldet hat, macht er die Riesenwelle. Unsympathisch. Bei der Abfrage ergibt sich, dass gegen diesen netten Menschen ein Haftbefehl vorliegt. Intern schreie ich mich weg. Spannmann kommt zurück und fragt nach dem Grund meines süffisanten Grinsens. Nach meinem "Was bisher geschah" Vortrag stellt er ein weiteres Mal fest, dass man mit mir nicht einfach mal einen völlig normalen Einsatz fahren kann. Bei VB sind die Leute tot, beim VU ist der 02 ein Gesuchter....naja. Getreu dem Motto meines Tutors "Wer alles schützen will, schützt nix" abeiten wir mit stiller Vorfreude den Unfall ab. Die 01 wird mündlich verwarnt und für ihr Verhalten gelobt. Als 02 abreisen will, sagt Spannmann "Öhm...Herr X...eine Sache wäre da noch!" Herr X hat mit seiner Polizeierfahrung schon geblickt, dass sich KC bereits festnahmelehrbuchmäßig aufgebaut hat und sagt "Ach, nee....habe ich was offen?" Oh ja. Nur eine offene Wohnungstür erstmal nicht mehr. Herr X wird gefesselt und in den Funkwagen gesetzt und dann geht die Fahrt zum PG. Der zuständige Bezirksdienstkollege freut sich, dass wir ihm diesen Menschen vor Weihnachten noch weg gefangen haben, er hatte es schon länger versucht, seiner habhaft zu werden.

Danach trinken wir erstmal einen Kaffee und frühstücken. Um 11.15. h. Der Brand ist auch mittlerweile erledigt und alle Funkwagen sind auf der Wache. Der unlustige Wachleiter kommt rein und meckert, warum denn alle drin seien. Ich atme ein, aber mein an sich nicht auf Konfrontation ausgelegter DGL bescheidet dem Wachleiter, dass man, wenn man sich nicht in seinem Büro verstecken würde sondern mit Interesse am Einsatzgeschehen in der Lage leben würde, wüsste, was heute Vormittag so los war und sich darum so dämliche Sprüche schenken könnte. Respekt. Wobei: In drei Monaten wird der unlustige Wachleiter pensioniert. Ansonsten wäre die Antwort vielleicht diplomatischer ausgefallen. Zumindest für den Moment haben wir aber unsere Ruhe und der Wachleiter geht in sein Büro, um sich zu verstecken. Da wie erwähnt noch sechs Frühdienste anstehen, werden wir ihm leider noch öfter begegnen.

Als wir wieder rausfahren, kommt der Handtaschenraub am ZOB. Als erste alles treffen wir bei dem Opfer ein. Die Ü80 Oma wurde umgerockt und dann ihre Handtasche entrissen. Oma ist echt ungünstig gefallen und klagt über Schmerzen in Schulter und Hüfte. Schlecht. Beschreiben kann sie keinen. Die gefühlte Legion an Schaulustigen kann erwartungsgemäß auch nix sinnvolles beitragen. In der Annahme, eine Anzeige für die Tonne zu schreiben, übergeben wir Oma an den RTW. Die anderen Funkwagen, die nach einem Täter, der nicht beschrieben werden kann, fahnden, gehen nach kurzer Zeit wieder auf einsatzklar. Wir überlegen, wo wir jetzt wohl wären, wenn wir Mittags Oma die Handtasche klauen. In einem nahegelegenen Park an den Bahngleisen treffen wir zwei Stammkunden an, die durchaus gut für sowas wären. Einer freiwillig zugestimmten Durchsuchung kommt meist kein Erfolg zugute, so auch hier. Zumindest schreiben wir zu unserer Anzeige noch einen Vermerk. Nach einer Überstunde gehen wir dann um 14.00 h in den Feierabend.

Zwei Wochen später drückt uns der unlustige Wachleiter ein Schreiben vom KK in die Hand. Im Nachgang konnte noch ein Zeuge ermittelt werden, der den Täter beschreiben konnte. Bei einer Wahllichtbildvorlage wurde einer der beiden aus dem Park wieder erkannt. Na guck. Ein Weihnachtswunder. Dass das KK mitteilt, dass Oma aber glimpflich davon kam und vor Weihnachten wieder aus Krankenhaus entlassen wurde, freut uns um so mehr.
:lah:


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