Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Fachliche Diskussionen zum Themenbereich Polizeirecht

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RafaelGomez
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon RafaelGomez » Di 29. Mär 2016, 20:14

1957 hat geschrieben:Natürlich nicht.
Bleibt abzuwarten, was aus der Sache wird.
Es gibt ja Instanzen.
Scheint nicht jede(r) so zu sehen.

Lone Soldier

Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Lone Soldier » Do 31. Mär 2016, 15:21

vladdi hat geschrieben:'rauswerfen' ist, denke ich, auch unstrittig.
Ne, ist nicht unstrittig. Um jemanden irgendwo raus zu schmeißen brauche ich, man höre und staune, die konkrete Gefahr. Erst recht, wenn derjenige da nicht weg will. Darum wiederhole ich mich nochmal: Wenn die Richterin da gar keinen Anlass für irgendwas sieht, hätte sie sagen müssen:

Die Polizisten hätten den Mann da stehen lassen müssen. Der durfte da bleiben.

Das sagt sie aber selber nicht. Sie selber bringt eine Fahrt nach Hause ins Spiel, die rechtlich einen polizeilichen Gewahrsam darstellt (ist ihr das eigentlich bewusst?). Gleichzeitig verneint sie, dass die für ihren eigenen Vorschlag notwendigen Voraussetzungen (konkrete Gefahr) gegeben waren. Weiterhin lässt sie das mildere Mittel, einen einfachen Platzverweis, außer acht. War wohl mangels Kooperationsbereitschaft des Probanden nicht geeignet. Aber wenn der Platzverweis an dessen Gegenwehr scheitert, wie kann es dann eine geeignete Maßnahme sein ihn nach Hause zu fahren und dort ohne jede Aufsicht zu lassen?

Ob die Kollegen korrekt gehandelt haben, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Aber diese Richterin hat definitiv Nachholbedarf im Polizeirecht.

vladdi
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon vladdi » Do 31. Mär 2016, 20:17

Was genau sagte sie denn, um die Gefahr zu verneinen?

RafaelGomez
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon RafaelGomez » Do 31. Mär 2016, 20:22

Hat sie die überhaupt verneint? Aber in Deinem Richterglauben wirst Du auch sicher den Šelšlj-Freispruch für gut empfinden und keine andere Meinung zulassen.

Lone Soldier

Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Lone Soldier » Do 31. Mär 2016, 21:09

Lone Soldier hat geschrieben:Von ihm sei keine Gefahr für das Kind ausgegangen. Den Angeklagten sei es nur darauf angekommen, den Fremden aus dem Verkehr zu ziehen.

Es gab keinen Anlass, ihn in Gewahrsam zu nehmen",

Wie sie trotzdem zu dem Schluss kommt, dass die Kollegen ihn hätten fahren sollen, würde mich mal interessieren.

Jetzt muss ich mich doch glatt selber zitieren. Ich weiß ja nicht, wie woanders gearbeitet wird, aber wir pflegen hier eher selten Leute gegen ihren Willen in den Streifenwagen zu zwingen um sie von A nach B zu fahren (und nix anderes heißt es ja, wenn die Richterin sagt, die Kollegen hätten ihn nach Hause fahren müssen. Wenn ich jemanden nach Hause fahren muss, muss ich auch eine Grundlage haben, damit er die Reise zur Not gegen seinen Willen antritt), wenn keine Gefahr und kein Anlass für gar nichts vorliegt. Dann lässt man den Kerl nämlich einfach da stehen, auch wenn es einem im Einzelfall nicht schmeckt.

Auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Richterin finde ich...interessant. Das mildere Mittel zum Verbringungsgewahrsam, den Platzverweis auszusprechen, überspringt sie mal eben. Heißt dann wohl, dass der PV nicht geeignet war, um ihn da weg zu kriegen. Warum war der PV nicht geeignet? Vermutlich weil er nicht befolgt wurde und der Herr es vorzog da stehen zu bleiben. Dann muss er also weg gefahren werden. Sicher ist ein Verbringungsgewahrsam nach Hause milder, als Ausnüchterung in der Zelle. Aber ist er auch gleich geeignet um zu verhindern, dass der Proband da in einer Stunde wieder steht? Eher nicht, wenn er durch das Nichtbefolgen des PV zu verstehen gegeben hat, dass er nicht allzu viel von der polizeilichen Weisung hält sich zu entfernen. Also bleibt dann doch nur die Zelle. Außer natürlich, man sagt, dass er da hätte bleiben können. Das sagt aber ja nicht mal die Richterin selbst. Irgendwas muss dann wohl doch gewesen sein.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Controller » Do 31. Mär 2016, 21:25

mich verwundert, warum man nicht mehr darüber lesen kann. :polizei10:

Bei dem Strafmaß :o

Gewerkschaften ??

Ich hab nichts gefunden :buhu:
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon vladdi » Do 31. Mär 2016, 22:43

@LS

Keine Gefahr für den Jungen heißt nicht, dass es keine Gefahr im Sinne des Polizeirechtes gegeben hätte.

2.
Nur weil etwas (nach Hause fahren) nicht helfen könnte, kann man nicht andere Dinge vorgreifen.
Oder beschlagnahmst du beim ersten mal die Musikanlage?

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Hessen78 » Do 31. Mär 2016, 22:58

vladdi hat geschrieben: Nur weil etwas (nach Hause fahren) nicht helfen könnte, kann man nicht andere Dinge vorgreifen.
Oder beschlagnahmst du beim ersten mal die Musikanlage?
Wenn man mir direkt ins Gesicht sagt, dass man nicht daran denkt, die Musik leiser zu machen... ja, dann stelle ich die Anlage auch beim ersten Einsatz wegen Ruhestörung gem. § 40 Nr. 1 und 4 HSOG sicher. Mildere Mittel sind nur anzuwenden, sofern sie auch tatsächlich geeignet sind. Es gibt eben keine Verpflichtung, jegliches denkbares milderes Mittel auszuprobieren, wenn von vornherein objektiv erkennbar ist, dass dieses Mittel nicht zum Erfolg führen wird.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon hellbert » Fr 1. Apr 2016, 00:34

vladdi hat geschrieben:Keine Gefahr für den Jungen heißt nicht, dass es keine Gefahr im Sinne des Polizeirechtes gegeben hätte.
Sondern? Wo soll in dem SV eine andere Gefahr hergekommen sein, die sich dann nicht auch auf den Jungen ausgewirkt hätte.

Und egal wie ich es drehe: Polizei wird tätig bei Gefahr. Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergeben sich aus dem Polizeigesetz. Heimfahren gibt es im Polizeigesetz nicht...

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Controller » Fr 1. Apr 2016, 02:11

Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergeben sich aus dem Polizeigesetz.
die da genau sind ??

Die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei haben die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.
Sie haben Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können (Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr).
Die Polizei hat im Rahmen der Gefahrenabwehr auch Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten).

Die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei haben ferner die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen durch andere Rechtsvorschriften übertragen sind.

.......

Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen haben die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.

Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.

.........

Die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei treffen ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen.

Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird.
Dem Betroffenen ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird.


So soll man es schreiben- so soll es geschehen
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Pflichtfilm an Ostern :polizei3:
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon vladdi » Fr 1. Apr 2016, 06:10

Niemand sagt, dass man die Muikanlage nicht beim ersten Mal sicherstellen kann.... äh dass jemand nicht in Gewahrsam darf, der einem PV nicht folgt.
Zur Durchsetzung darf auch jemand gestoßen werden, dass der der Boden fällt.

Die Maßnahme muss nur belastbar sein.
Und hier ist es bis in die Hauptverhandlung nicht gelungen die Maßnahme überzeugend zu begründen.

Das muss jetzt nicht heißen, dass die Richterin das 'verbockt' hat.
Meine Maßnahmen werden so nicht enden (also dass ich verurteilt werde) - da bin ich fest überzeugt.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon SirJames » Fr 1. Apr 2016, 08:44

Meine Maßnahmen werden so nicht enden (also dass ich verurteilt werde) - da bin ich fest überzeugt.
Moin,

der Ansicht dürften 99% aller Kollegen sein, nur ist es vor Gericht manchmal wie auf hoher See. Wir alle kennen ja den Spruch mit den 5 Anwälten und 5 Meinungen und da ist ja ein Quentchen Wahrheit dran, insbesondere bei Grenzfällen.

Insofern würde ich mich im Zweifel nicht immer darauf verlassen, dass ein Gericht von mir getroffene Maßnahmen genauso wie ich bewertet. Insbesondere bei Zwangsanwendungen.

Gruß
“No, I don’t wonder Marty. The world needs bad men. We keep the other bad men from the door.”

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon DerLima » Fr 1. Apr 2016, 23:48

Ich denke, was hier ein wenig "Geschmäckle" aufkommen lässt...
Er ist der Onkel der Mutter. Vielleicht war die Darstellung der Beamten dann nicht so überzeugend wie die des Betroffenen.
Scheinbar liegt im SV mehr begraben, als die Pressemeldungen vermuten lassen.
Das alle getroffenen Maßnahmen durchaus im Bereich des Möglichen liegen, wenn da ein rotzevoller Proband im Hausflur krakeelt...
Das aber auch der familiär betroffene Beamte eine etwas andere Sicht gehabt haben könnte, ebenso...
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon wolfi71 » So 3. Apr 2016, 20:14

endlich mal einer, der das Thema aufgreift. Bisher wurde genau das immer ignoriert. Es wurden sogar die Teile des Postings, das dieses Thema aufgriff, sauber ausgespart.

Lone Soldier

Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Lone Soldier » Mo 4. Apr 2016, 18:03

Nö, hab ich schon zur Kenntnis genommen. Und auch, wenn ich den Punkt beachte (und auch kritisch sehe) hat mir immer noch keiner einleuchtend erklären können, warum die Kollegen den Probanden nach Hause hätten fahren MÜSSEN (Worte der Richterin), wenn gleichzeitig nichts vorlag. Denn, wenn ich jemanden nach Hause fahren muss, muss der logischerweise auch notfalls gegen seinen Willen einsteigen. In dem Fall bräuchte man dazu einen rechtmäßigen Platzverweis. Für den man wieder eine konkrete polizeirechtliche Gefahr braucht. Dann müsste die Fahrt nach Hause und das dortige unbeaufsichtigte Verbleiben des Probanen geeignet sein um zu verhindern, dass der da in einer halben Stunde wieder steht. Das dann vor dem Hintergrund, dass die ihn nur mit Zwang in den Fustkw bekommen haben, er seinen mangelnden Kooperationswillen also deutlich klar gemacht hat. Wäre höchstens der Fall, wenn der drei Autostunden entfernt wohnt, also insgesamt sechs Stunden zurück bräuchte (dann wäre er ja wieder ausgenüchtert). Und die drei Stunden Autofahrt muss ich ihn notfalls mit Zwang im Auto halten, ist ja ein Verbringungsgewahrsam. Also fällt das wohl flach und er muss zur rechtmäßigen Durchsetzung des Platzverweises doch in die Gewahrsamszelle.

Wie wir es auch drehen und wenden, die Aussage der Richterin, die Beamten hätten ihn nach Hause fahren müssen, obwohl ihrer Meinung nach keine Gefahr und kein Anlass für gar nichts vorlag und er nur mit Zwang vor Ort entfernt werden konnte, lässt zumindest Fragezeichen dahingehend aufleuchten, ob sie im Polizeirecht sattelfest ist.


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