Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Fachliche Diskussionen zum Themenbereich Polizeirecht

Moderator: schutzmann_schneidig

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Challenger
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Challenger » Di 5. Apr 2016, 21:28

Also reine Spekulation, polemisch vorgetragen. Das hat natürlich Substanz und soll ernsthaft zum sachlichen diskutieren taugen?
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mistam
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon mistam » Di 5. Apr 2016, 22:32

vladdi hat geschrieben:Auch wenn man seine Machtposition gerne dem anderen zeigen möchte und der Gewinner sein möchte, so bleibt Recht und Gesetz immer noch Trumpf.

Die Richterin hat hier deutlicher Worte gefunden.
So Unrecht hat sie nach den bisherigen veröffentlichten Informationen meiner Meinung nach nicht.
Also erstens hat das nichts mit "Machtposition zeigen" zu tun, sondern einfach mit der Ausübung der mir übertragenen Aufgabe und zweitens erkenne ich - gerade nach den bisher veröffentlichten Infos - nicht, inwiefern sie Recht haben sollte. Wenn da nicht noch bisher Unveröffentlichtes kommt, wird sie in der zweiten Instanz kläglich platzen.
Wie du immer auf die Idee kommst, dass man nicht nach Recht und Gesetz handeln würde, nur weil man nach dem Grundsatz kurz, klar, wahr agiert, ist mir unklar. Selbstverständlich ordne ich nur Dinge an, die ich anordnen darf. Das aber ohne Gelaber und Diskussion. Und ich bemühe mich auch nicht, meine Anordnung als Vorschlag zu "tarnen".

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon vladdi » Di 5. Apr 2016, 22:56

Die Aufgabe ist aber auch verpflichtend.
Eine Pflicht ist es eben die mildeste Form des Eingriffs in die Rechte des Bürgers zu tun.

Kommentare wie man sei kein Taxi lassen mich jedoch daran zweifeln, dass es um den geringsten Eingriff geht.

Da es hier um eine Freiheitsentziehung geht, ist das nicht so vertrauenserweckend.

mistam
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon mistam » Mi 6. Apr 2016, 05:56

vladdi hat geschrieben:Die Aufgabe ist aber auch verpflichtend.
Eine Pflicht ist es eben die mildeste Form des Eingriffs in die Rechte des Bürgers zu tun.

Kommentare wie man sei kein Taxi lassen mich jedoch daran zweifeln, dass es um den geringsten Eingriff geht.

Da es hier um eine Freiheitsentziehung geht, ist das nicht so vertrauenserweckend.
Ja Vladdi, aber nun gerne zum zehnten Mal: Es ist das mildeste der mit höchster Wahrscheinlichkeit zum angestrebten Erfolg führenden Mittel einzusetzen. Und tatsächlich - wir sind kein Taxiunternehmen. Wenn der Herr nach Hause möchte, darf er sich gern ein echtes Taxi nehmen. Aber da war doch was?! Ach ja, er wollte ja gar nicht da weg!
Tatsächlich fordert auch der GdV nicht, dem Störer Wohltaten zu erweisen. Die Maßnahmen werden grundsätzlich gegen den Störer gerichtet.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon wolfi71 » Mo 11. Apr 2016, 20:47

Bevor wir hier weitermachen, sollte man etwas mehr wissen.

Es kann ja auch sein, dass z.B. schon der Platzverweis rechtswidrig war. Z.B. wenn ich als Hausbesitzer mit einer Mieterin sprechen möchte, die nicht anwesend ist und dann dem herbei gerufenen Onkel der Mieterin, der zufällig Polizist ist (hat der den Fall z.B. speziell an sich gezogen?), erkläre, dass ich nicht weggehe, bis die Mieterin da ist. Dann möchte ich mal die Begründung für den PV sehen. Und wenn man dem nicht Folge leistet, auf dem eigenen Grundstück, dann wird es durchaus eng.

Aber bevor wir hier weiterspekulieren, der ganze Sachverhalt und die Begründung wäre sinnvoll zur Einsicht.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon berlinmitteboy » Mo 11. Apr 2016, 21:01

"Die Situation ist den Angeklagten aus den Händen geglitten", sagte die Richterin. "Sie hätten den Mann nach Hause fahren MÜSSEN." Von ihm sei keine Gefahr für das Kind ausgegangen. Den Angeklagten sei es nur darauf angekommen, den Fremden aus dem Verkehr zu ziehen."

Also für mich liest es sich so, als wäre die Richterin mit dem Platzverweis einverstanden gewesen...



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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Poliziste

Beitragvon Eisscrat » Di 12. Apr 2016, 16:26

Müssen Gerichtsurteile nicht nach einer gewissen Zeit schriftlich begründet werden und sind diese Urteile nicht auf Antrag einsehbar?

Langsam müsste doch was schriftliches Vorliegen das man weiß wie die Richterin zu ihrer seltsamen Ansicht kommt.
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon Slepner » So 8. Jan 2017, 02:55

Seid gegrüßt,

ich hatte gerade ein Gespräch über die hier genannte Thematik, und das Topic nochmal rausgekramt. Bei meiner Recherche bin ich auf ein Urteil gestoßen, dass für diese Entscheidung auch sehr interessant ist. https://openjur.de/u/357081.html

Es geht um einen Ruhestörer, der insgesamt drei Mal angefahren wurden. Er hielt sich in seinem Büro über einem Wohnraum auf. Beim dritten Mal wurde er in Gewahrsam genommen,. Der Störer gab daraufhin an, nach Hause zu wollen, wo er keine weiteren Ruhestörungen begehen könnte. Er wurde gegen 06:30 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen, und erhielt einen Gebührenbescheid. Gegen diesen legte er Klage ein.
Das VG Freiburg gab dem Kläger recht, da Mindermaßnahmen nicht in Betracht gezogen worden wären. Interessanter Abschnitt:
Soweit der Beklagte zur Rechtfertigung der Ingewahrsamnahme noch darauf hinweist, andernfalls wäre der Kläger trotz seiner Alkoholisierung mit seinem Auto nach Hause gefahren und hätte sich und andere gefährdet, ist dem entgegen zu halten, dass auch eine solche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch andere, mildere Mittel hätte verhindert werden können, etwa durch Beschlagnahme der Kraftfahrzeugschlüssel oder auch des Kraftfahrzeugs selbst nach § 33 PolG. Davon abgesehen hätte es sich angeboten, dem Kläger ein Taxi zu rufen oder im Fall der Verweigerung ihn auch mit dem Polizeifahrzeug zu seiner Wohnung zu fahren. Die Ergreifung einer dieser Möglichkeiten hätte die befürchtete Alkoholfahrt und gegebenenfalls auch eine Selbstgefährdung des Klägers ausgeschlossen.
Ich habe mir das Urteil noch nicht vollständig durchgelesen, wollte es aber mal als Diskussionsansatz einstellen.

Grüße
Ab 4.10.2011 PKA in BB =)

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon vladdi » So 8. Jan 2017, 09:42

Ist doch ganz einfach. Einsperren (Freiheitsentziehungen) ist ein schwerwiegender Eingriff. Im Rahmen der Prüfung kommt der Prüfung milderer Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu.

Die Freiheitsentziehung unterliegt dem Richtervorbehalt. War hier nachts keiner erreichbar? Dann wird es noch schwerer diese Maßnahme durchzuführern.


Und ja. Der Typ war ein Idiot. 3x muss die Polizei kommen und dann will er nach Hause gehen... der verarschte die Polizisten. Aber wenn er den Ort verlassen hätte, dann wäre die Ruhestörung beseitigt. Das Verhalten muss der Polizist dann anders abstrafen. Polizeikosten?! Oder ist an den Folgetagen eine ausführliche Verkehrskontrolle schon Amtsmissbrauch?

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon MICHI » So 8. Jan 2017, 09:47

Ist kein Richter erreichbar bzw. ist die Maßnahme den Umständen nach früher beendet, als dass ein Richterentscheid vorliegen würde, bedarf es keiner Entscheidung eines Richters. Somit ist nachts eine solche Maßnahme nicht schwieriger durchzuführen.

Gruß MICHI
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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon RafaelGomez » So 8. Jan 2017, 10:45

MICHI hat geschrieben:Ist kein Richter erreichbar bzw. ist die Maßnahme den Umständen nach früher beendet, als dass ein Richterentscheid vorliegen würde, bedarf es keiner Entscheidung eines Richters. Somit ist nachts eine solche Maßnahme nicht schwieriger durchzuführen.

Gruß MICHI
So isses. Und Du weißt ja um die Erreichbarkeit in HH, wie ich auch. Da bleibt die Gewahrsamentscheidung bei der Polizei, weil eben kein anderer gefragt werden kann. Und, man staune, das funktioniert ziemlich gut...;-)

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon 1957 » So 8. Jan 2017, 12:15

Bei uns auch.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon Ghostrider1 » So 15. Jan 2017, 10:40

Ich muss für Vladdi mal eine Lanze brechen.

Wir sind kein Taxiunternehmen, da sind wir uns einig. Der Gewahrsam (ich gehe jetzt mal von der Zelle aus) ist ein hoher Eingriff. Bei uns steht z.B. drin, nicht anders zu beseitigen. In dem Sachverhalt liegt eine Störung der ö.Si./O. vor. Der Typ ist angesoffen und vor Ort auf Krawall gebürstet.

Na klar kann ich den, wenn dies realisierbar ist und die Umstände daraufhin deuten er kommt nicht wieder, vor seiner Haustür abkippen. Es wird ein nettes Kostenblatt gefertigt und die angefangene Stunde kostet in Sachsen 30€. Ich denke die anderen Bundesländer werden auch solche möglichkeiten haben.
Von daher ist der Einwurf, dass diese Möglichkeit zu prüfen IST, vollkommen richtig.

Aber genauso ordne ich eine Gewahrsamnahme an, wenn die Verbringung nichts bringt und kein Richter erreichbar ist. U.a. dazu wurde das PolG geschaffen.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon Diag » So 15. Jan 2017, 11:36

In dem jetzt hier diskutierten Urteil geht es aber nur um die Kosten des Gewahrsamaufenthalts, nicht um die Ingewahrsamnahme als solches.

Dazu gibt es bei uns eine Dienstanweisung, die einen ähnlichen Tenor hat. Zwar für die Arbeit nervig aber nachzuvollziehen.

Und was angenehmeres als ein fehlender Bereitschaftsdienst gibt es nachts nicht. ;-) Bedarf halt einer ordentlichen Auslegung der Zielrichtung ohne Trotzverhalten. In der Regel sollte das kein Problem sein.

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Re: Gewahrsamnahme "zu hart": Richterin verurteilt Polizisten

Beitragvon Ghostrider1 » So 15. Jan 2017, 12:21

Ich finde das gar nicht so nervig. Wir haben eine Zentrales PG. Bedeudet ich muss den nach DD reinfahren. Desweiteren muss ich im IVO ein Gewahrsamsprotokoll schreiben usw.
Da fahre ich den lieber paar Kilometer nach Hause, wenn ein Taxi nicht möglich ist oder die Fahrt verweigert wird. Fahren müsste ich so oder so. Das Kostenblatt ist vorgespeichert und schnell geschrieben.

Zwecks fehlenden Betreitsschaftsdiesnst, da gebe ich Diag recht. Es spart eine Station und muss nur vernünftig niedergeschrieben werden.


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