PDU-NRW Laufbahnwechsel Gehobener Dienst Erfahrung

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PDU-NRW Laufbahnwechsel Gehobener Dienst Erfahrung

Beitragvon Tessert » Mi 22. Mai 2019, 11:49

Ein Erfahrungsbericht:

Da ja jeden, der sich unter anderem im Dienst die Knochen ruiniert hat, der "Dank des Vaterlandes" ereilen kann, hier einmal ein Erfahrungsbericht.

Vorab ist zu sagen, dass es leider keine landeseinheitliche Linie gibt, wie die einzelnen Behörden mit dem betroffenen Beamten im Einzelfall umgehen müssen, da jede Behörde offensichtlich ihre eigenen Regeln aufstellt, welcher PDU-Beamter, bei der Möglichkeit auch eingeschränkt Polizeidienst zu leisten, Polizist bleiben darf und wer nicht.
Einige Behörden sind sehr bestrebt Polizeibeamte, insbesondere gerade jene welche sich im Dienst die Knochen kaputt gemacht haben zu halten, bei anderen Behörden zählt schlichtweg der "Sympathiefaktor" des Beamten bei den Entscheidungsträger.
Von einer neutralen landeseinheitlichen Regelung (trotz Erlass) kann nicht im Ansatz die Rede sein, auch bei der notwendigen Berücksichtigung des Einzelfalles.

Stellen wir einmal den Fall dar:

Polizeibeamter gehobener Dienst ist PDU und muss in die Verwaltungslaufbahn wechseln.

Das Hauptproblem ist, dass der Verwaltungsdienst nicht den "Gehobenen Dienst 1.Säule" als "-Gehobenen Dienst-Verwaltung" anerkennt.

1. Option "Überleitung in den Mittleren Dienst"

Das heisst, es besteht die Möglichkeit mittels einer Unterweisungszeit (siehe Erlass) mit anteiligem Theorieunterricht in den "Mittleren Verwaltungsdienst" zu wechseln, unter Beibehaltung der erworbenen Rechte. Sprich man bleibt z.B. finanziell A 9 / A 10, A 11 aber im -Mittleren Dienst-.
Der Vorteil ist, das es die einfachste kürzeste Variante darstellt, um in den Verwaltungsdienst zu wechseln, aber eben "Mittlerer Dienst".

2. Option "Studium an der FHöV-NRW- 1. Säule"

Für den Polizeibeamten -Gehobener Dienst 1. Säule- besteht die Möglichkeit eines dreijährigen Studiums an der FhöV.
Man wird als "Gasthörer" in der Regel einem Kurs des "Staatlichen Verwaltungsdienstes" zugeordnet.
Das Studium wird von der jeweils zuständigen Bezirksregierung (BR) begleitet, man bleibt aber die ganze Zeit Angehöriger der Stammbehörde (PP/KPB) und wird von dieser jeweils zum Studium oder zum Praktikum abgeordnet.

Wichtig ist zu wissen, dass man sich vorab bei einer "Auswahlkommission" der BR vorstellen muss, welche entscheidet, ob man für den Laufbahnwechsel geeignet ist.
Das ist kein Hexenwerk, das Wissen darum wird aber augenscheinlich in den Polizeibehörden unterschiedlich gehandhabt, um nicht mit offenem Mund staunend dazusitzen, empfehle ich sich einmal mit den grundsätzlichen Merkmalen einer Bezirksregierung vertraut zu machen, diese werden nämlich nachgefragt.
Des Weiteren auch einmal in sich gehen und sagen können, warum man sich den Laufbahnwechsel überhaupt vorstellen kann.
Nach dem Gespräch wird einem umgehend mitgeteilt, ob man für den Laufbahnwechsel zugelassen wird.

Hinsichtlich des Studiumortes und vor allem der/den Praktikumsbehörde(n) hat man, auch nach Erlasslage, ein Anrecht auf sozialverträgliche Standorte, daran muss man denken und sich nicht einfach verplanen lassen.

Dann kommt der "große Tag (ohne Schultüte)".

"Ablauf Studium":

Zum 01.09. des Jahres wird man mit den Erstudierenden der jeweiligen BR zur Ernennungsfeier eingeladen (auch wenn man natürlich nicht "Ernannt" wird).
Es folgen Einführungstage und dann geht es zur jeweiligen FHöV.
Das Studium hat zunächst einen mehrmonatigen fachtheoretischen Teil mit einem anschließenden ersten Praktikumsabschnitt.

Jetzt das Wesentliche, was offensichtlich teilweise oder häufig nicht ansatzweise vorab vermittelt wird:
Man ist zwar "Gasthörer", aber mitnichten sitzt man da und lässt sich berieseln; es sind zahlreiche schriftliche und auch mündliche Leistungsnachweise zu erbringen.
Ohne Frage ist es wichtig für die zukünftige Tätigkeit sich Fachwissen anzueignen, es ist aber eben nicht ein bloßes "Abbummeln" der drei Jahre, wie oft vorab der Eindruck vermittelt wird.

Beispiel für einen Jahrgang "Staatliches Verwaltungsrecht"

Fachtheoretischer Teil:

Fächer: Juristische Methodik, Allgemeines Verwaltungsrecht, Staatsrecht, Öffentliches BWL, Vwl, Externes Rechnungswesen, Zivilrecht,
Personalmanagement, Beamtenrecht, E-Government, Wirtschaftswesen, Arbeitsrecht, Governance, Baurecht, Interkulturelle Kompetenzen,
Soziologie, Empirische Sozialforschung, (etc).
Dazu kommen zwei Wahlpflichtfächer aus verschiedenen Bereichen wie z.B. Umweltrecht, Soziologie, usw..

In den Fächern Allgemeines Verwaltungsrecht, Staatsrecht, Öffentliches BWL-Vwl, Externes Rechnungswesen, Beamtenrecht sind mindesten drei
von fünf Leistungsnachweise mit -mindestens ausreichend- zu bestehen, die anderen Fächer sind prüfungsfrei.
Bei einigen Fächern besteht eine Wahlmöglichkeit zwischen -Klausur, Fachgespräch, Hausarbeit (Beamtenrecht)- oder Referat zu wählen (je nach
Jahrgang).
Bei den Wahlpflichtfächern besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Wahl zwischen den o.g. Optionen, aber auch diese sind mit -mindestens
ausreichend- zu bestehen.

Des Weiteren ist eine 10- wöchige Projektarbeit zu leisten, dieses geschieht in einer Gruppe von ca. 10 Personen, das Ergebnis wird dann in einer
Veranstaltung vorgstellt.
Auch ist eine Seminararbeit mit Referat zu fertigen("mindestens ausreichend").

Zusammenfassend ist zu sagen, dass alles machbar ist, aber eben nicht reines "Absitzen" der drei Jahre.

Die Arbeitszeit richtet sich nach einem Stundenplan, welcher mit einer zweiwöchigen Vorlaufzeit erscheint; die Tagesarbeitszeit kann 8 Stunden betragen oder auch mal 2-3 Stunden.

"Praktischer Teil":

Es sind 5 Praxisabschnitte in einer Behörde zu absolvieren. In Frage kommen hier die PP (KEINE KPB) und die Bezirksregierungen, gerade hier sollte man eine sozialverträgliche Standortlösung anstreben. Ein Praktium muss/kann (die Vorgaben sind da nicht so eindeutig) in einer Kommune absolviert werden.

Vorab: Als Polizeibeamter, welcher im Dienst sehr viel erlebt hat und es gewohnt ist schnell und auch allein Entscheidungen zu treffen, heisst es zunächst
tief, teilweise sehr tief, durchzuatmen, je nach Mitarbeitern.

Hinsichtlich der Praktika durchläuft man im Falle der BR verschiedene Zuständigkeitsbereiche (Finanzen, Personal, Ordnung, Bau), bei den PP wird man entsprechend eingesetzt.

Am Ende eines jeden Praktikum ist eine Aktenarbeit/einAktenvortrag zu leisten, d.h. man bekommt morgens eine Aufagbe zu dem Sachgebiet gestellt und bearbeitet diese wie an einem Arbeitstag schriftlich mit einem anschließenden 15-minütigen Vortrag (Aktenvortrag)/(alleinige schriftliche Ausarbeitung = reine Aktenarbeit).
Auch hier ist eine mindestens ausreichende Leistung Bedingung. Da man aber sämtliche Hilfsmittel wie Gesetzestexte, Internet, "Kollegen" benutzen darf machbar.


"Möglichkeit des Bachlorstudiums 1. Säule":

Es besteht die Möglichkeit auch das Studium mit einem Bachelorgrad abzuschließen, dann müssen aber alle Prüfungen abgelegt werden und das ist auch altersabhängig (Familie, etc.), mit allen anderen etwaigen Vorbelastungen, schon eine Nummer.
Man kann aber zu Beginn des Studiums diese Option wählen und dann nach ersten "Erfolgen" bewerten, ob man das Studium als "Bachelorstudium" weiterführt oder als "normalen" prüfungsreduzierten Laufbahnwechsel.
Sinnvoll ist es ohnehin nur, wenn man anstrebt ein Masterstudium (mit der Bedingung Bachelor) in Angriff zu nehmen, da nach dem Laufbahnwechsel man im Gehobenen Dienst nicht mehr nach 1. oder 2.Säule unterscheidet.

Studium -Gehobener Dienst 2.Säule-

Das Studium ist auf zwei Jahre begrenzt und prüfungsreduzierter, sprich einfacher als das der 1. Säule, sonst ähnlich.

"Was kommt dann?"

Im letzten Jahr sollte man sich schon abschließende Gedanken machen, in welcher Behörde man im Anschluss Verwendung finden möchte (die eigene KPB scheidet aus) und sollte auch Rücksprachen halten.

Nach Abschluss des Studiums kommt man in eine 10-monatige "ERPROBUNGSzeit" mit dem anschließenden Laufbahnwechsel in den -Allgemeinen Gehobenen Verwaltungsdienst-.

Falls man feststellt, dass man das Studium nicht weiter absolvieren möchte, kann man problemlos in den "Mittleren Verwaltungsdienst" mit Überweisungszeit wechseln.
Falls man die Leistungsnachweise im Studium nicht erfüllt, passiert das Gleiche.

Allgemeines: Während des Studiums und der 10-monatigen Erprobungsphase bleibt man Polizeivollzugsbeamter der Stammbehörde mit dem Anspruch auf
Freie Heilfürsorge und der Polizeizulage. Von Beförderungen und Beurteilungen wird man mit Beginn des Laufbahnwechsels herausgenommen.
Mit dem Übergang in den Verwaltungsdienst erhält man die entsprechende Dienstbezeichnung (z.B. Regierungsinspektor für
Polizeikommissar). Man hat ab dem Moment dann die gleichen Voraussetzungen für Beförderungen wie alle Verwaltungsbeamte.

Finanziell ist zudem zu berücksichtigen, dass man mit dem Tag des Überganges, nach der 10-monatigen Erprobungszeit, in eine private
Krankenversicherung wechseln muss, hier wird aber eine vorhandene Anwartschaftsversicherung berücksichtigt.
Die Polizeizulage reduziert sich sukzessive über einen mehrjährigen Zeitraum bis auf Null.
Für die Fahrten zur FHöV und den Praktikumsbehörden steht einem Trennungsentschädigung (TE) zu, was die Kosten relativiert.


Zusammenfassend:

Es ist ohne Frage befremdlich, dass man als Polizeibeamter, vielleicht gerade weil man sich durch seine Einsatzfreudigkeit verletzt hat, aus lauter "Dankbarkeit" in einem Studium wiederfindet und vom Land keine anderen Möglichkeiten vorab geschaffen werden, Stellen vorzuhalten, welche mit den Einschränkungen arbeitstechnisch machbar sind.
Aber da hilft es nicht abends in die Kissen zu weinen, die Dinge sind momentan wie sie sind.

Zu dem Studium ist noch zu sagen, dass es man auch im Hinblick auf das "Jungvolk" oft innerliche Ruhe bewahren muss, aber es ist machbar und als Erwachsener sollte es gelingen. Es ist aber je nach Kommilitonen auch durchaus unterhaltsam ...bis sogar lustig.
Man sollte aber nicht erwarten, dass alle (Praktikumsbehörde / FHöV) auf einen gewartet haben und sollte schon seine Stellung als Polizeibeamter und "Gasthörer" an gegebener Stellen auch mal (sehr) deutlich machen, stößt aber auch durchaus auf Verständnis bei einigen Dozenten und Kollegen in der Verwaltung.

Wenn man sich mit der Tatsache abgefunden hat, macht die Arbeit durchaus Freude und auch das Studium ist eine Zeit, welche nicht zwingend eine verlorene Zeit ist.
Eines steht aber fest, man ist im Anschluss in fast allen Rechtsgebieten zuhause und wenn man dass gewinnbringend anwenden kann, steht einem auch in der Verwaltung manche Tür offen.

Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Überblick verschaffen, auf jeden Fall empfehle ich in den gültigen Erlass-NRW zu schauen.

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Re: PDU-NRW Laufbahnwechsel Gehobener Dienst Erfahrung

Beitragvon Polli » Do 23. Mai 2019, 22:45

Hi Tessert,

herzlichen Dank :hearts: für deinen ausführlichen und offenen Bericht. :blume:

Ich habe deinen Beitrag unter dem Begriff "PDU" in meine 99 Antworten von A - Z im Forum NRW aufgenommen. :ja:

Gruß


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