Hakenkreuz-Tattoo

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Moderator: schutzmann_schneidig

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Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon DGSN » Mo 2. Sep 2019, 13:39

Frage:

Ein Mann wird in Gewahrsam genommen. Während dessen (in der Zelle) hebt er sein T-Shirt hoch und zeigt einem Polizisten mit Migrationshintergrund gezielt ein tätowiertes Hakenkreuz.

Nach dem die Tür geschlossen wurde und einige Minuten später ein anderer Kollege jemanden in eine andere Zelle bringt, geht der Ingewahrsamgenommene aus, dass der Polizist mit Migrationshintergrund im Flur ist und und schreit dabei "Komm doch her, du Kanackenbulle".

Da das Tättoo nicht der Öffentlichkeit zur Schau gestellt wurde, liegt keine Straftat nach 86a vor, das ist mir klar.

Kann der Polizist sich durch die beiden Aktionen jedoch beleidigt fühlen und Strafantrag stellen?

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon 1957 » Mo 2. Sep 2019, 13:57

Natürlich kann er das. Da wird sich sogar der Dienstvorgesetzte anschließen.
Volksverhetzung/ Nötigung müsste man prüfen.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon DGSN » Mo 2. Sep 2019, 14:39

Danke. Das habe ich bereits.

Dies gilt nur, wenn er es in der Öffentlichkeit zeigt.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon 1957 » Mo 2. Sep 2019, 15:10

130 spricht vom "öffentlichen Frieden", der sich begrifflich von der "Öffentlichkeit" absetzt.
https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archi ... x.php?sz=7

GLeichwohl impliziert der Satz "
"Komm doch her, du Kanackenbulle" zumindest den Ansatz einer Nötigung. Da wären die Einzelheiten im Einzelfall von Bedeutung.


Ist das ein Thema in der Lehre oder in der Praxis?

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon DGSN » Mo 2. Sep 2019, 16:06

Hat sich tatsächlich so zugetragen.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon 1957 » Mo 2. Sep 2019, 16:10

Also wenn du dazu eine Strafanzeige schreibst, würde ich die erwähnten Tatbestände vorwerfen. Den Rest könne die Juristen klären.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon schutzmann_schneidig » Mi 4. Sep 2019, 07:06

Eine Äußerung oder das Zeigen eines Symbols ggü. einer Einzelperson, wovon nur diese Kenntnis nimmt (bzw. ggf. noch eine weitere Person/Kollege) ist nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
Auch eine (versuchte) Nötigung sehe ich hier nicht.
Dementsprechend würde ich auch keine diesbezügliche Anzeige vorlegen.

Gleichwohl würden diese Umstände in der selbstverständlich zu fertigenden Anzeige hinsichtlich Beleidigung im Rahmen der Sachverhaltsschilderung Erwähnung finden.
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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon DGSN » Mi 4. Sep 2019, 22:58

Danke! Das dachte ich mir auch.

Das könnte sich strafverschärfend auswirken, wenn der StA sieht, dass er nicht nur ausländerfeindliche Parolen von sich gibt, sondern auch generell rechtes Gedankengut hegt.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon 1957 » Do 5. Sep 2019, 14:32

Jungs, ganz unabhängig von den Tatbeständen: Die Erwähnung dieser Umstände sollte selbstverständlich sein.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon Kulinka » Do 5. Sep 2019, 17:15

DGSN hat geschrieben:
Mi 4. Sep 2019, 22:58
Das könnte sich strafverschärfend auswirken, wenn der StA sieht, dass er nicht nur ausländerfeindliche Parolen von sich gibt, sondern auch generell rechtes Gedankengut hegt.
Hallo DGSN,

das Hegen rechtsextremen Gedankengutes (rechts ist ein völlig normaler und legitimer Standpunkt im Pluralismus, die CDU zum Beispiel ist eine Partei aus dem rechten Spektrum) ist nicht strafbar, insofern glaube ich nicht, dass ein Staatsanwalt darin einen Grund zur Strafverschärfung sehen kann. Allerdings verstärkt das gezielte Zeigen des Tattoos deutlich die Beleidigung, insofern gehört das selbstverständlich zur Beschreibung des Vorfalls und dürfte sich mMn auch im Strafmaß niederschlagen.

Viele Grüße
Kulinka

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon Ghostrider1 » Do 5. Sep 2019, 18:29

Was ist am Zeigen eines Hakenkreuzes eine Volksverhetzung? Eine Straftat gem. 86a StGB, janein. Kritisch wird es dann schon, wenn er gem. VwV sich entkleiden muss! Ich meine mal gelesen zu haben, dass da jemand freigesprochen wurde, weil er es eben nicht öffentlich gezeigt hat und schon gar nicht aus freien Stücken.
So wie es hier dargestellt wird, hat er das T-Shirt freiwillig hochgerissen. Ich würde den SV an die StA zur rechtlichen Würdigung geben.

"Komm her Kanackenbulle" ist m.M.n. keine Nötigung. Beleidigung würde 100% mitgehen. Welche Handlung/Duldung etc pp will er erzwingen? Gem. SV stand keine Maßnahme an, er dachte der Polizist wäre draußen.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon Ghostrider1 » Do 5. Sep 2019, 18:54

DGSN hat geschrieben:
Mi 4. Sep 2019, 22:58
Danke! Das dachte ich mir auch.
Das könnte sich strafverschärfend auswirken, wenn der StA sieht, dass er nicht nur ausländerfeindliche Parolen von sich gibt, sondern auch generell rechtes Gedankengut hegt.
Wir haben in Deutschland kein "Gesinnungsstrafrecht", sehr wohl aber spielt die Gesinnung eine Rolle.
Soll heißen, Person A kann das Dritte Reich für die schönste Zeitepoche halten. Seine Meinung, darf er haben, auch wenn für mich persönlich nicht nachvollziehbar. Begeht Person A aus dieser Gesinnung aber Taten (z.B. Körperverletzung zum Nachteil von Migranten, Brandstiftung etc pp) kommt § 46 StGB ins Spiel.
§ 46 Grundsätze der Strafzumessung
(1) 1 Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. 2 Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) 1 Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. 2 Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende,

die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,
das Maß der Pflichtwidrigkeit,
die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,
das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie
sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon 1957 » Do 5. Sep 2019, 20:45

Ghosti, das Zeigen des Hakenkreuzes ist nur dann 86a, wenn es öffentlich erfolgt. Das wurde hier mehrfach erwähnt.

Volksverhetzung kann die Verwendung der Bezeichung " Kanakenbulle" sein, wenn dadurch der "öffentliche Friede" beeinträchtigt wird. Öffentlicher Friede ist nicht gleich "Öffentlichkeit", üblicherweise überlasse ich die entsprechende Wertung der STA.
In einem PG halten sich übrigens nicht nur

Die Sache mit der Nötigung ist meine eigene, private Auffassung. Ich erwähnte dabei, dass ich darin abhängig vom konkreten weiteren Verhalten des Deppen den Ansatz einer Nötigung sehe.

Da es sich nicht um eine Klausurfrage handelt, gehe ich davon aus, dass es nicht bei der hier erwähnten Verbalbulimie blieb und der tatsächliche Sachverhalt mehr hergibt. Wenn nicht , ist es auch gut.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon Ghostrider1 » Do 5. Sep 2019, 21:54

Ob Knackenbulle reicht den öffentlichen Frieden zu stören, bezweifel ich.
Man sollte die Volksverhetzung nicht übertrieben einsetzen. Letztes Jahr wurden oft Reden sofort beanzeigt und raus kam nichts. Selbst Strafrechtler sahen diese Entwicklung kritisch

Wie auch immer, die Akte wird an die StA übergeben. Keine Ahnung wie es in anderen Ländern läuft, wir schreiben einen Schlussbericht, wo alles zusammengefasst wird. Sieht die StA weiteren Ermittlungsbedarf gibt diese die mit entsprechender Verfügung zurück.

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Re: Hakenkreuz-Tattoo

Beitragvon Kulinka » Fr 6. Sep 2019, 14:34

Hallo Ghostrider,

da stimme ich Dir zu. Was heute so mancher als Volksverhetzung beanzeigt, ist oft ziemlich albern, wobei ich mich mit dieser Aussage auf die von Dir genannten Beispiele (in Reden etc.) beziehe und nicht auf das Beispiel des Topics, obwohl eine Volksverhetzung hier auch in meinen Augen schwer begründbar wäre. Ganz abwegig finde ich das jedoch nicht, 1957 hat da ja bereits etwas zu gesagt.

Allerdings glaube ich trotzdem nicht, dass Staatsanwaltschaft/Gericht beim in Rede stehenden Fall in Sachen Strafzumessung/Strafverschärfung die durch das Tattoo dokumentierte rassistische Gesinnung heranziehen würde. Denn das Tatbestandsmerkmal der Beleidigung, die objektiv erkennbare Herabwürdigung, ist hier ja erst durch den Rassismus selbst erfüllt. T-Shirt hochziehen und komm her brüllen wären ohne Hakenkreuz und Invektive unter den geschilderten Umständen schließlich nicht beleidigend gewesen.

Eher würde es sich aus meiner Sicht beim Strafmaß wie oben schon gesagt auswirken, dass die Art der Begehung der Tat eine besonders intensive Qualität hat. Dem PVB gezielt das Hakenkreuz vor die Nase halten UND ihn rassistisch anpöbeln eben. Wobei wahrscheinlich ein solcher Typen ohnehin einschlägige Vorstrafen gesammelt hat und sich zudem kaum glaubhaft zerknirscht zeigen wird, auch dafür kann man ihm ja schon extra was aufbrummen.

Viele Grüße
Kulinka


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